Unsere Kommunikation hat einen verblüffenden Einfluss auf uns und unsere Umwelt. Wozu der Mensch den Austausch braucht und welche Kraft Worten innewohnt.
Wir kommunizieren den ganzen Tag – ganz gleich ob mit Worten, Gestik oder Mimik. „Wir können nicht nicht kommunizieren", hat der bekannte Psychologe Paul Watzlawick einst gesagt. Selbst wenn er schweigt, teilt der Mensch sich mit. Aber warum tun wir das eigentlich?
Kommunikation dient dem zwischenmenschlichen Austausch. Leben ohne Kontakt zu anderen Menschen zu haben, wäre undenkbar. Die Kommunikation ist das vermutlich wichtigste Bindeglied einer Gesellschaft. Mit ihrer Hilfe tauschen wir Informationen aus, teilen unsere Gefühle mit oder fordern andere auf, etwas Bestimmtes zu tun. Darauf folgt immer auch eine Reaktion. Das Gegenüber benutzt seinerseits Wörter, sein Gesicht (Mimik) oder seinen Körper (Gestik), um sich begreiflich zu machen.
Den Worten kommt in der Kommunikation eine besondere Bedeutung zu, und ihr Einfluss scheint größer zu sein, als bislang gedacht. Ein Psychologen-Team der Stanford Universität hat herausgefunden, dass ein einziges geändertes Wort oder eine Phrase Menschen dazu bringen kann, sich ethischer zu verhalten. In einer Reihe von Experimenten ließen die Forscher Probanden eine Zahl zwischen eins und zehn auswählen. Aus früheren Studien wussten die Wissenschaftler, dass Menschen eher ungerade Zahlen aussuchten, wenn sie die freie Wahl hatten und nichts auf dem Spiel stand. Wer aber bei diesem Experiment eine gerade Zahl wählte, dem wurden dafür fünf Dollar versprochen. Die Wahl einer geraden Zahl wurde daher als Indikator zum Schummeln gesehen. Die Wissenschaftler teilten zwei Gruppen ein. Der einen sagten sie, sie wüssten nicht „ob sie betrügen" und der anderen, sie wüssten nicht „ob sie ein Betrüger seien". 50 Prozent der ersten Gruppe trauten sich, eine gerade Zahl zu wählen, um das Geld zu bekommen, aber nur ein Fünftel der zweiten Gruppe. Die Forscher gehen davon aus, dass alleine die Wortwahl „Betrüger" dazu führt, dass sich Menschen moralisch eher korrekt verhalten. „Es stachelt ihr Ego in einer Weise an, dass sie sich plötzlich alle verhalten wie Chorknaben", sagt Psychologe Benoit Monin. Die meisten von uns wollten effektive Kommunikatoren sein, aber dazu genüge es nicht, Grammatik zu beherrschen und Sätze gut artikulieren zu können. Vielmehr sei die richtige Kombination von Wörtern entscheidend. Dadurch könne man Menschen beeinflussen und motivieren. „Sie können den Menschen sagen, sie sollten mehr erreichen oder Sie können vor deren Augen die Vorteile skizzieren, die sie haben, wenn sie ein Erfolgstyp sind", sagt der Psychologe.
Worte beeinflussen unser Denken und Handeln
Worte beeinflussen täglich, wie wir denken, handeln, was wir wahrnehmen und woran wir uns erinnern. Darin sind sich die Forscher einig, und sie fanden noch viele andere Wirkmechanismen von Worten heraus. Das Aussprechen von Tabuwörtern beispielsweise löst körperliche Stresssymptome aus. Euphemismen, die die gleiche Bedeutung haben, rufen diese Reaktion nicht hervor. Die Wissenschaftler führen das auf eine frühe emotionale Konditionierung zurück. Die Kinder hätten gelernt, dass die Eltern wütend würden, wenn diese Wörter fielen.
Aber auch Produktnamen, so weiß man in der Werbepsychologie, können das Erleben des Konsumenten beeinflussen. Bei einem Experiment der Hochschule Harz wurde Probanden zweimal derselbe Tee serviert. Einmal hieß die Sorte „Tropical Feeling", danach nannte man den Tee „Vor dem Kamin". Die identische Teesorte schmeckte laut Testpersonen beim ersten Mal exotischer, fruchtiger und erfrischender. Auch Texte können eine Art zweite Realität schaffen. Liest der Mensch Worte wie „Kaffee" oder „Parfüm", wird im Gehirn das Areal aktiviert, das dafür zuständig ist, Gerüche zu verarbeiten. Stehen Bewegungen im Text, wird der Motorcortex (Bereich der Großhirnrinde, der Bewegungen steuert) in Gang gesetzt. Sagen Menschen beispielsweise „greifen" während sie nach etwas greifen, werden ihre Bewegungen flüssiger.
Der Linguist George Lakoff sorgte mit seiner These „Metaphern können töten" für Aufsehen. Im März 2003 schrieb er einen Artikel über den bevorstehenden Krieg zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Irak, in dem er argumentierte, dass schon Stunden nach den Anschlägen die Weichen durch die Wortwahl gestellt worden seien. Während zunächst noch die Rede von „Opfern" und „Verlusten" war, ging es schon kurz danach um den „Krieg gegen den Terror". „Ein Sprachmoment von höchster politischer Relevanz", nennt Lakoff das. Die Deutung der Anschläge habe sich durch die Wortwahl verändert: vom Verbrechen hin zu einer Kriegshandlung. Das habe zur Metapher „Krieg gegen den Terror" geführt und damit letztlich zu den Kriegen in Afghanistan und im Irak mit zehntausend Toten. Lakoffs Thesen sind in Fachkreisen zwar nicht unumstritten, dass Metaphern starke Wirkung besitzen, bestreitet jedoch niemand.
Metaphern wirken im Verborgenen – das verstärke ihre Kraft, sagt die Psychologin Lera Boroditsky von der University of California San Diego. Boroditsky forschte unter anderem an der Frage, ob unsere Sprache beeinflusst, wie wir denken. 7.000 Sprachen werden weltweit gesprochen. Sie alle haben eine unterschiedliche Struktur, unterschiedliches Vokabular und einen unterschiedlichen Klang. Was macht das mit dem Menschen? Unterschiedliche Forschungen haben gezeigt, dass die Sprache die grundlegenden Dimensionen menschlicher Erfahrung prägt: Raum, Zeit, Kausalität und die Beziehung zu anderen.
Denkweise prägt unsere Sprache – und umgekehrt
Die Sprache beeinflusst auch, wie Menschen Ereignisse beschreiben – und wie gut sie sich daran erinnern, wer was getan hat. Ein Beispiel dafür sei der Jagdunfall, bei dem der frühere US-Vizepräsident Dick Cheney seinen Freund Harry Whittington verletzte. Man könne sagen „Cheney schoss auf Whittington", wobei Cheney die unmittelbare Ursache sei, oder „Whittington wurde von Cheney angeschossen", wodurch Cheney etwas in den Hintergrund träte, oder „Whittington bekam eine Schrotladung ab", wobei Cheney ganz aus dem Spiel bliebe. Der Vizepräsident selbst sagte: „Letztlich bin ich derjenige, der den Abzug betätigte, welcher die Ladung abfeuerte, die Harry traf." Damit stellte er eine lange Ereigniskette zwischen sich und das Resultat. „Eine noch raffiniertere Reinwaschung gelang dem ehemaligen US-Präsidenten George Bush mit dem Ausspruch: ‚Er hörte eine Wachtel auffliegen, drehte sich um, drückte ab und sah, dass sein Freund verwundet war‘. Der Satz verwandelt Cheney vom Täter zum bloßen Zeugen", erklärt es Boroditsky.
Unsere Denkweise präge die Art, wie wir sprechen, aber der Einfluss wirke auch in der Gegenrichtung. „Bringt man Menschen zum Beispiel neue Farbwörter bei, verändert dies ihre Fähigkeit, Farben zu unterscheiden. Lehrt man sie, auf eine neue Weise über Zeit zu sprechen, so beginnen sie, anders darüber zu denken. Man kann sich der Frage auch anhand von Menschen nähern, die zwei Sprachen fließend sprechen. Nachweislich ändern bilinguale Personen ihre Weltsicht je nachdem, welche Sprache sie gerade verwenden", sagt die Psychologin.
Die Macht der Wörter hat auch die Autorin Andrea Gardner erfahren. Sie glaubt, dass jedes Wort, das wir sprechen, unsere Realität beeinflusst. Bekanntheit hat Gardner mit dem Youtube-Video „The Power of Words" erlangt, das online verbreitet und weltweit 26 Millionen Mal angeklickt wurde. Darin ist ein blinder Mann zu sehen, der in einer Einkaufspassage auf dem Boden sitzt und einen Hut vor sich stehen hat, in den Passanten Geld werfen können. Neben ihm steht ein Schild mit der Aufschrift „Helfen Sie mir. Ich bin blind". Kaum jemand wirft Geld in den Hut, bis eine Frau vorbeigeht und den Slogan ändert. Immer mehr Geld wird nun in den Hut geworfen. Als die Frau wieder vorbeigeht, erkennt der blinde Mann sie an den Schuhen und fragt, was sie auf das Schild geschrieben habe. „Dasselbe, nur mit anderen Worten", antwortet die Frau. Die Aufschrift lautete nun „Es ist ein wunderschöner Tag, und ich kann ihn nicht sehen". Ein veränderter Satz hatte die Wirkung des Schildes komplett verwandelt.
Worten wohnt, das haben zahlreiche Studien und Experimente gezeigt, eine starke Kraft inne. Die Forschung zur Sprache und Denkweise zeigt auf, wie wir Wissen generieren und uns unsere Welt konstruieren. Sie hilft uns, zu verstehen, wie wir funktionieren. Denn letztlich, so sagte es einst der deutsche Philosoph Karl Jaspers, mache uns unsere Fähigkeit miteinander reden zu können, erst zu Menschen.