Koreanische Diktatoren oder französische Bulldogen werden im „The Dawg" kurzerhand zwischen weiche Brötchenhälften geklemmt. Sternekoch Björn Swanson hebt in seinem Imbiss den Hotdog mit ungewohnten Zutaten und Kombinationen auf ein höheres Level.
Björn Swanson hat sich im „The Dawg" das Upgrade eines Fast-Food-Klassikers, des Hotdogs, auf die Fahnen geschrieben. „Es kann doch nicht sein, dass der deutsche Standard-Hotdog aus dem Möbel-Kaufhaus kommt und nur einen Euro kostet", sagt der Küchenchef, der üblicherweise in dem mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant „Golvet" sein Augenmerk auf Hummer, Lamm oder Liebstöckel-Kirschen legt. Nun werden „Octopussy", „Porkinator" und „Kim Jong Dawg" womöglich nicht direkt in den Sternehimmel führen. Doch die qualitätvoll gepimpten Varianten vom „heißen Hund" machen in jedem Fall nicht nur wegen ihrer Namen gute Laune, sondern vielmehr wegen ihrer Originalität und Bodenständigkeit. „Sterneköche sind auch nur Menschen", sagt Björn Swanson. „Man hat ja auch mal Lust auf was Richtiges." Als „halber Amerikaner" sowieso. Der schwedische Nachname täuscht an; als Kind eines US-Soldaten und einer Berlinerin wuchs Swanson im Süden der Stadt auf. Außerdem ist der Hotdog indirekt ein Deutscher. Der Auswanderer Charles Feltman soll ihm Ende des 19. Jahrhunderts von Coney Island aus in den USA zu seiner Popularität verholfen haben.
Da wir auch nur Menschen sind und hungrige zudem, macht der Biss in die Merguez im hausgebackenen Walnussbrötchen mit den Infos vom Sternekoch gleich noch mehr Spaß. Raed Bitar hat im Alltagsbetrieb in der verglasten Küche die Oberhoheit über die Zubereitung der „Dawgs". Denn eines schafft Björn Swanson nicht – permanent im Imbiss zu sein. „Ich bin der Ideengeber und habe das Ganze im Blick", sagt er. „Aber das ‚Golvet‘ erfordert doch mehr Aufmerksamkeit." Bei dem versierten Store-Manager Sander Bosman, Küchenchef Raed Bitar und dem fünfköpfigen Team ist „The Dawg" also bestens aufgehoben ‒ und wir beim „French Bull Dawg". Der überrascht mit cremigem Gorgonzola und Birnenscheibchen zur scharfen Lammbratwurst und spielt – et voilà! – Bistroküche im Brötchen. „Die French-Wurst war sehr markant und der Hauptschauspieler", sagt der italienische Feinschmecker-Fotograf in seinem unnachahmlichen Deutsch. „Die Reihenfolge vom Geschmack war ganz klar Wurst, Käse und dann das Brot." Die Begleiterin und ich sind beide ebenfalls sehr angetan vom würzig-scharfen Franzosen. Der „French Bull Dawg" kann dem heißen Wetter zusammen mit einem Craft Beer oder einer Proviant-Limonade gut standhalten. Die Gäste können das drinnen und draußen ebenso. Ein frisches Lüftchen weht über Eck von der einen geöffneten Tür zur komplett geöffneten Fensterfront. Auf der Terrasse gibt es zu den Hotdogs großes Affentheater: Der Blick fällt durch einen Blätterwald auf den Affenfelsen im Außengehege des Zoos.
Hotdog-Läden eher rar gesät
Björn Swanson sitzt schon mit seiner Frau Christina an einem Tisch, als wir eintreffen. Die beiden haben einen „Classic Dawg" und einen „Porkinator" vor sich, und sie tun genau das, wozu der Luxushunde-Imbiss erschaffen wurde: Sie treffen sich zur Mittagspause am zentralen Ort am Zoo, aber nicht auf der trubeligen Bikini-Seite zum Breitscheidplatz hin.
Hat Swanson einen Favoriten? „Den Porkinator mit Kräutersau und Coleslaw esse ich sehr gern. Der schmeckt so richtig nach Fleisch." Der „Klassiker" wiederum ist der mit Schweinswurst im Sesambrötchen und hat mit Gewürzgurke, Remoulade und Röstzwiebeln obenauf eine sanftere, rundere Geschmacksrichtung. An originellen kulinarischen Ideen, auch im basisnahen Format, mangelt es dem 34-Jährigen jedenfalls nicht. „Ich hatte schon länger eine Fast-Food-Geschichte im Kopf und fand Hotdogs ganz cool. In Amsterdam macht das auch ein Sternekoch in seinem ‚The Fat Dog‘. Also bin ich hingefahren und hab’s mir angesehen." Er entwickelte flugs etwas ganz Eigenes daraus. Dass Hotdog-Läden in der Stadt noch keineswegs so verbreitet sind wie Burgerbratereien, spielte sicher ebenso eine Rolle wie die Tatsache, dass Swanson selbst kein besonders großer Burger-Fan ist. Am 1. März eröffnete „The Dawg" im zweiten Obergeschoss vom Bikini-Haus.
Wir machen uns nun über den verwursteten asiatischen Diktator her: Im „Kim Jong Dawg" vereint sich eine Entenwurst mit Kimchi, Koriander, Soja-Majo und Wasabi-Nüsschen im Weizen-Zwiebelbrötchen. Angenehm spicy und mit dem angeschärften und per Milchsäuregärung fermentierten Kohl zweifelsfrei koreanisch. Während wir noch einen Moment auf die nächsten „Dawgs", wie die Schreibweise wortspielt, warten, bedient Sander Bosman weitere Gäste, nimmt Bestellungen auf und reicht Getränke über den Tresen. Üblich ist der Selfservice – Bestellen und Bezahlen am Tresen. Ist aber etwas Zeit, trägt Bosman selbst die Teller heraus und kommt mit den Gästen ins Gespräch „Es ist mir wichtig, Feedback zu bekommen." Die Gäste sprachen: Gern mehr Kuchen zum Kaffee! Nun ist ein Hotdog-Laden nicht unbedingt ein Torten-Café, aber insbesondere die Terrasse lädt zum nachmittäglichen Stopp bei Koffein und Süßem ein. Es darf also durchaus ein Apfelkuchen mit Vanillecreme im Schraubglas, eine Amaranth-Ecke oder ein Stück Trüffeltorte für die Naschkatzen sein. Das Angebot wurde gerade um Kuchen von der Bio-Konditorei Tillmann erweitert.
„Octopussy" ist Liebling der Gäste
Oh, da kommt unser Meeresgetier! Ein gegrillter „Octopussy" lässt lässig ein Bein aus einem Sesambrötchen heraushängen. Mit Fenchelsalat, Koriander und Chipotle-Mayonnaise könnte er direkt aus dem Mittelmeer herangeschwommen sein. Das Krakenbein führt ordentliches Raucharoma von den geräucherten Jalapeños mit sich. Der Fotograf wird ein bisschen rötlich: „Die Mayonnaise ist echt scharf." James Bond lässt also mit Entschiedenheit und Eleganz grüßen. Mit 9,80 Euro ist der „Octopussy" auch der preislich vornehmste unter den sieben ständigen Hotdogs auf der Karte. Der „Classic Dawg" startet mit 4,80 Euro; die Kollegen liegen bei 5,80 Euro. Bei so viel Stil und Filmzitat nähere ich mich dem „Octopussy Dawg" selbstredend mit Messer und Gabel und beiße nicht schnöde ins Bein. Das mitgereichte Besteck erweist sich bei aller Street Credibility und Imbiss-Definition als durchdachtes Feature. Wer mag sich schon in der Mittagspause die zu Hause angezogene oder soeben in einem Designer-Laden im Bikini-Haus erworbene Kleidung mit Soße und Bröckeln bekleckern? Sander Bosman erzählt, dass der „Octopussy" sich aus dem Stand heraus zum Liebling der Gäste entwickelte. Als Special gestartet, wechselte er schon nach kurzer Zeit als Standard-Dawg auf die Karte. Er hat, ebenso wie der „French Bull Dawg" mit Lamm oder der „Kim Jong Dawg" mit Geflügel einen weiteren Vorteil: „Wurst wird häufig mit Schwein assoziiert. Da ist es gut, dass wir auch solche anderen Dawgs haben", sagt Bosman. Natürlich kommen auch die Vegetarier nicht zu kurz – sie bekommen Soja-„Wurst" ins Brötchen.
Der „Bavarian Dawg" holt uns auf den bayerischen Boden der kulinarischen Tatsachen zurück. Die Semmel – kein Brötchen! – Kraut, süßer Senf und Weißwurst dürfen zweifellos selbst nach 12 Uhr mittags gegessen werden. „Mit dem süßen Senf und dem Käse war der echt gut", findet die Begleiterin. Nur der „Special Dawg" war nicht so ganz ihr Ding: „Der war für mich eher ein Classic." Aber die Zwiebelmarmelade, die sei super gewesen. Mit Gurken und Röstzwiebeln auf einer Wildschweinbratwurst befinden sich weitere klassische Toppings im Mehrkornbrötchen. Die Zwiebelmarmelade steht süß-säuerlich in bester Chutney-Tradition – die würden wir glatt für zu Hause kaufen und auf so ziemlich alles draufhäufeln. Die verbratene Wildsau ist nach einem „Spargel Dawg" der aktuelle saisonale Dawg. Die wilde Wutz im Brot passt allemal zu den Freizeitaktivitäten, die die unmittelbaren Nachbarn vom „The Dawg" im Bikini-Haus bieten: Im „Erlebniswerk" von „Mydays" können Rennwagen ausgefahren oder Landemanöver auf den Flughäfen dieser Welt simuliert werden. Wer nach Fahrt oder Flug mit 220 oder 1.000 Stundenkilometern ausgestiegen ist, findet sich mit ein, zwei oder drei „Dawgs" gewiss anschließend gut geerdet auf dem Charlottenburger Boden wieder ein.