Auf die Saarländer kann man sich verlassen. Nicht auf alle, das wäre verwegen. Aber doch auf so viele, dass man getrost behaupten darf: Die Saarländer stehen für etwas. Zum Beispiel dafür, dass sie Bilder von umherirrenden Schiffen mit Flüchtlingen an Bord für unchristlich und das dahinterstehende politische Kalkül für schlicht unerträglich halten. Das haben sie eindrucksvoll bei der Mahnwache „Seebrücke" unlängst gezeigt. Das Bündnis „Bunt statt braun" ist ein bunter Haufen. Fahnen von Gewerkschaften und Parteijugend bis hin zu denen kirchlicher Einrichtungen flatterten bunt im Sommerabend. Ein paar Hundert, schätzt die Polizei, weit über Tausend, meint das Bündnis selbst zur Teilnehmerzahl. Das Zahlenspiel gehört dazu.
Nur schien es mir diesmal nicht wie die übliche Protestroutine früherer Demos gegen die „Abwärtsspirale humanitärer Hilfe in Europa". Im Merkel-Seehofer-Streit war es noch vergleichsweise leicht, Position zu beziehen. Aber die Meldungen und Bilder aus dem Mittelmeerraum haben vielen fast im wörtlichen Sinn die Sprache verschlagen. „Menschen retten ist kein Verbrechen. Menschen ertrinken lassen, ist eins", fasst ein Transparent zusammen, was in seiner Gnadenlosigkeit unfassbar scheint. Auch wenn auf weiteren Plakaten gefordert wird, alle Flüchtlinge aufzunehmen, war irgendwie doch klar, dass das als alleinige Antwort genauso wenig trägt, wie eine einfallslose Abschottungspolitik irgendetwas löst. Das wissen auch beide Seiten, selbst wenn sie es nicht zugeben wollen oder können. Denn dann müssten sie sich Fragen stellen: Was ist denn nun richtig? Gibt es überhaupt ein „richtig"? Bleibt am Ende nur das Richtige im Falschen oder das Falsche im Richtigen? Das geht an die Substanz, wenn man es ernst nimmt.
Das bisherige Sortieren nach „naiven Gutmenschen" oder „rechten Populisten" hat nichts gelöst, hat nur ein Klima erzeugt, in dem Hassspiralen die eigene Hilflosigkeit überdecken sollen, was allenfalls kurzzeitig gelingt. Nein, den alles lösenden Vorschlag habe auch ich nicht. Dafür eine Frage, die mich bei allen Bildern zunehmend umtreibt: In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich?