Er war einer der Brennpunkte des Kalten Krieges: der Checkpoint Charlie. Noch ist der einstige Grenzübergang zu sehen und zu erspüren. Doch Berlin plant, das Gelände an Investoren abzugeben, die dort Wohnungen und Büros errichten wollen.
Am Checkpoint Charlie tun sie immer noch so, als könne man von der einen Seite der Stadt mit einem Schritt auf die andere gelangen. Von Ost nach West und umgekehrt, bewacht von Kostümierten. Sie tragen Uniformen der Soldaten, die einst diese Grenze bewachten. Die Grenzübergangsstelle ist der Ort, den die meisten Touristen besuchen. Sie lassen sich mit den Soldaten – meist Studenten – fotografieren und geben sich hier gern martialisch. „You are leaving the American Sector": Das Schild bewirkt heute noch ein Gruseln. Auch der Blick auf die Baracke, die mit Sandsäcken gestärkt ist.
Kein Wunder, dass die einstige Grenzlinie bis heute so viele Menschen anzieht: Der Checkpoint Charlie war im Kalten Krieg ein Ort von höchster Symbolkraft. Hier standen sich 1961 sowjetische und amerikanische Panzer gegenüber, die Kanonen schussbereit aufeinander gerichtet. Hätte irgendjemand in dieser ungemein brenzligen Lage die Nerven verloren, hätte vielleicht der Dritte Weltkrieg begonnen.
Das Areal an der südlichen Friedrichstraße ist so groß wie zwei Fußballfelder. Dennoch ist es ein leerer Raum – links und rechts der Straße liegen Brachen inmitten der Häuser, mitten im Menschengewusel und pausenlosen Verkehr. Der Berliner Senat hat nicht nur zugelassen, dass hier Komödianten agieren. Es qualmen auch Wurstbuden, man schlürft am Latte Macchiato, befühlt Mauerreste für den Gänsehautfaktor. Die Dokumentationswand mit Bildern und Texten wird staunend angeschaut. Und nun will die Firma Trockland – sie baut unter anderem gerade direkt an der East Side Gallery – hier den ganz großen Coup setzen: einen Komplex aus Wohnungen, Büros, Restaurants und einem Hard-Rock-Hotel mit fast 380 Zimmern.
Museum und Hard-Rock-Hotel
Ist das die Zu-kunft des Checkpoint Charlies? Es gibt viel Kritik. Hinter den Bauplänen stehen Investoren aus Russland und Zypern, verbunden mit Investmentbankern in Großbritannien, Israel und Deutschland, vorwiegend Privatleute, wie die „Berliner Zeitung" herausfand. Trockland-Geschäftsführer Heskel Nathaniel hat klargestellt, „dass der Ort kommerziell entwickelt werden soll".
Der historische Ort könnte bei den ursprünglichen Plänen nahezu unkenntlich werden. Trockland wollte Glasfassaden wie Steilwände aufsteigen lassen. Im letzten Moment hat das Landesdenkmalamt die zu dichte Bebauung verhindert. Der Landesdenkmalrat warnte in einem Schreiben davor, dass „durch die seit Kriegseinwirkungen offenen Flächen" das Areal im „kollektiven Gedächtnis" geprägt sei. Trockland verwarf die ursprüngliche Planung, aber vom Tisch ist die Sache noch nicht. Am Checkpoint ist enorm viel Geld im Spiel, die Firma beharrt auf Kompromissen. Investoren und ihre vernetzten Geldgeber wollen, dass es an diesem Ort ökonomisch brummt. Dafür setzten sie sich mit harten Bandagen ein.
2016 hatte der Senat den Bebauungsplan I-98 aufgestellt. Die Verwaltung wollte das Projekt einem privaten Entwickler geben und verzichtete im Gegenzug auf das Vorkaufsrecht. Thomas Flierl (Linke), der einmal Kultursenator in Berlin war, hat sich mit dem Areal befasst, er attackiert Klaus Lederer (Linke), den jetzigen Kultursenator, und dessen Mitarbeiter: „Meine Kritik an der Kulturverwaltung ist, dass sie sich nur auf das Museum konzentriert und die topografische Struktur dieses Orts aufgibt." Die Berliner haben aber aus der Geschichte gelernt. Nach dem Fall der Mauer verschwand diese in Rekordzeit. Klar wurde dabei, Menschen brauchen Objekte für ihre Erinnerung. Oder eben auch Räume, wie sie die Kriegsbrachen am Checkpoint derzeit noch darstellen. Das dürfte den Investor aber kaum interessieren.
Das Land Berlin möchte ein Museum am ehemaligen Grenzübergang, von den 3.000 Quadratmetern sollen 2.000 unter der Erde liegen. Die Kulturverwaltung argumentiert, man habe „nur zum Museum" verhandelt, alles andere ginge sie nichts an. Jetzt aber muss Klarheit geschaffen werden, was an dieser brisanten Stelle im Stadtraum tatsächlich passieren soll. Noch ist der Grundstücksdeal nicht ganz unter Dach und Fach, noch hat Berlin ein Vorkaufsrecht für die Flächen, sagen Kritiker der Bebauung. Die Stadt könnte also die öffentliche Trägerschaft übernehmen. Vorausgesetzt, der politische Wille ist da.