Die Eisbären Berlin setzen für die neue Saison auf Altbewährtes und stellen gleichzeitig die Weichen neu: Der Spielerkader verändert sich kaum, doch der Trainer wechselt.
Zwölf Spieler haben verlängert, zehn hatten noch Vertrag. Aus diesem Umstand ergibt sich die verblüffende Zahl. Denn genau so viele Spieler bleiben dem amtierenden Vizemeister von den Eisbären aus Berlin erhalten. In der schnelllebigen Eishockeybranche ist das durchaus eine Bemerkung wert. Bei den Berliner Eisbären könnte die Zahl zweiundzwanzig in der neuen Saison für zwei Dinge stehen: Kontinuität und Stillstand.
Auf der einen Seite ist es natürlich ein Erfolg, das starke Vizemeister-Team der Vorsaison zusammenzuhalten – es kann weiter wachsen, ein paar weitere Prozent an Leistungsfähigkeit entwickeln. Auf der anderen Seite bleibt die Frage: Wer oder was soll die Mannschaft jetzt noch besser, vom Vizemeister zum Meister machen? Denn das ist auch in diesem Jahr wieder das erklärte Ziel des Hauptstadtclubs und seines amerikanischen Eigners Philip Anschutz.
Das erklärte Ziel ist die Meisterschaft
Behutsame Teamentwicklung oder schnödes Spardiktat – wie ist der Einstieg der Eisbären in die neue Saison zu werten? Als entscheidenden Faktor für ein kleines Quäntchen mehr Erfolg könnten die Macher der Eisbären den neuen Trainer ausgemacht haben: Clément Jodoin. Doch ganz so neu ist der Kanadier eigentlich nicht, denn Jodoin war in der vergangenen Saison bereits Co-Trainer unter Uwe Krupp.
„Es hilft dir nicht, wenn du dich in der Vergangenheit aufhältst", konterte Jodoin bereits im Juni in einem Interview mit der „Berliner Zeitung" allzu viel Nostalgie. „Wir müssen beim Powerplay von ganz vorne beginnen. Unsere Spieler brauchen einen Werkzeugkoffer, in dem sie die Werkzeuge finden, um gute Entscheidungen zu treffen", führte der Kanadier weiter aus. Jodoin wirkt amerikanisch anpackend. Er wirkt aber auch ein wenig, als hätte ihn jemand geschickt.
Früh wurde er als Co-Trainer installiert, und an der Seite von Uwe Krupp war Jodoin durchaus hilfreich. Auf Bildern aus der Mitte der vergangenen Saison wirkt er neben dem sanften Riesen Krupp wie ein bissiger Pitbull – der perfekte Konterpart zum Stanley-Cup-Sieger aus Köln. Dass er den besten deutschen Trainer auf dem Markt beerben sollte, vielleicht von Anfang an, ahnte zu dem Zeitpunkt noch keiner. Den Großteil seiner Karriere hatte Jodoin als Assistenztrainer gearbeitet, und auch in Berlin sah man in dieser Position seine Bestimmung. Nur: Berlin ist nicht Los Angeles. Und dort werden inzwischen bekanntlich die strategischen Entscheidungen zur Zukunft des Berliner Eishockey-Clubs getroffen. Besser gesagt, in der Zentrale der LA Kings, dem wichtigsten Club im Portfolio von Milliardär Philip Anschutz.
Äußerungen des Kanadiers Jodoin im Interview mit der „Berliner Zeitung" lassen aufhorchen und erahnen, welches Spiel bei den Eisbären eventuell tatsächlich gespielt wurde. „Ich bin lange davon ausgegangen, dass ich im Sommer mit Uwe hier weitermache. Aber dann hat er diese Entscheidung getroffen", sagte Jodoin dort und stellte damit die Situation, wie sie die versammelte Hauptstadtpresse erlebte, auf den Kopf. Die Berliner Gazetten berichteten zum Ende der Saison übereinstimmend, die Eisbären Berlin hätten Vertragsgespräche mit Uwe Krupp so weit vor sich hergeschoben, dass dem 53-Jährigen wenig anderes übrig blieb, als sich einen neuen Job zu suchen. Mit Sparta Prag aus dem nahe gelegenen Ausland bot sich ein attraktiver neuer Arbeitgeber. Eine Sache dabei schien klar: Krupp wäre auch in Berlin geblieben.
Mit der Übernahme von Jodoin als Chefcoach scheint das „System LA Kings" in Berlin jetzt angekommen zu sein. Der 66-jährige Kanadier wirkt ein wenig wie der verlängerte Arm von Big Boss Luc Robitaille aus Kalifornien. Ist er der letzte Versuch der ungeduldigen Clubbesitzer, um aus den Eisbären wieder ein Meisterteam zu machen? Und kann es mit den tapferen Zweiundzwanzig der erfolgreichen Vorsaison gelingen?
Jodoin muss sein Team jedenfalls früh in die Spur bringen, denn der Saisonauftakt ist anspruchsvoll. Die Eisbären treffen am 14. September zum Auftakt der neuen DEL-Saison auf Meister München in der MB-Arena. 192 Tage nach dem entscheidenden siebten Finale, das München Ende April mit 6:3 gewann, kommt es damit zum Wiedersehen. „Das ist ein Hammerstart. Zum Auftakt gleich gegen sehr gute Mannschaften anzutreten, ist immer sehr gut", verrät Eisbären-Geschäftsführer Peter Lee der „Berliner Zeitung". Auch der zweite Spieltag bringt eine weitere Top-Begegnung. Die Eisbären müssen am 16. September nach Nürnberg. Die Ice Tigers unterlagen den Berlinern im Halbfinale und werden heiß auf eine Revanche für ihre Niederlage sein. Zwei Neuzugänge aus der Heimat von Trainer Jodoin werden den Eisbären helfen gegenzuhalten. Von San Antonio Rampage aus der AHL wechselt der 26-jährige Brendan Ranford an die Spree. Ebenfalls aus dieser unterklassigen Liga, von Stockton Heat, kommt Colin Smith, 25, nach Berlin.
Saisonauftakt gegen Meister München
Was ist von den beiden Kanadiern zu halten? Die großen Namen für einen Vizemeister sind es nicht. Auch offensichtlich keine großen Torjäger. Ranford gelangen in der letzten Saison in 57 Spielen ganze vier Tore. Smith immerhin neun in 59 Partien. Beide kommen auf je ein NHL-Spiel. Ranford spielte für Dallas, Smith für die Colorado Avalanche.
Allerdings sollen beide Spieler ihr ganzes Können noch nicht gezeigt haben. Das glaubt jedenfalls Eisbären-Sportchef Stephane Richer, wie er der „BZ" berichtetet: „Brandon und Colin sind zwei Stürmer mit sehr viel Potenzial. Sie haben bereits zusammengespielt und kennen sich gut. Wir werden davon profitieren." Zum Trainingsauftakt Ende Juli wurden beide Neuzugänge in Berlin bereits erwartet.
Zusammen mit dem neuen Verteidiger Mark Cundari, der von den Augsburger Panthers kommt, ergänzen sie die Gruppe der bekannten Zweiundzwanzig.
Ob daraus automatisch der Stamm der 25 wird und der Erfolg des Vorjahres zu halten oder gar zu überbieten ist, bleibt abzuwarten.