Das Mel-Brooks-Musical „The Producers" war voriges Jahr der Renner in der Neuen Gebläsehalle in Neunkirchen. Jetzt kommt das Stück noch mal auf die Bühne, die Hauptrolle spielt wieder Markus Müller als liebenswertes Schlitzohr Max Bialystock. Der Amateurschauspieler meistert die schwere Rolle mit Bravour – und hat mittlerweile sogar den Schritt ins Profilager geschafft.
Leicht abgehetzt erscheint Markus Müller zum Interview. Als Leiter der Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Neunkirchen hat er jede Menge zu tun, freie Termine sind oft Mangelware. Unter dem Arm klemmt eine Mappe, Material für eine Besprechung später am Abend. Doch bei der geht es nicht um Stadtangelegenheiten, sondern um ein neues Projekt mit dem Neunkircher Theaterverein „Die Kulisse", in dem Müller seit vielen Jahren den Vorsitz innehat. Denn in Markus Müllers „anderem Leben" dreht sich alles um die Bühne. Lachend streicht sich der gebürtige Neunkircher die Haare zurück, die ihm beim Reden manchmal ins Gesicht fallen. „Jetzt müssen sie wieder wachsen", sagt er und grinst. Das müssen sie für die Figur, die seit vergangenem Jahr so etwas wie Müllers Paraderolle ist. In dem Mel-Brooks-Musical „The Producers", das 2017 mit dem Neunkircher Musicalprojekt Premiere hatte und dieses Jahr wieder auf die Bühne der Gebläsehalle kommt, gibt er den schmierigen aber liebenswerten Produzenten Max Bialystock. „Der Produzent wird zum Produzent", sagt Müller und lacht. Passt. Denn Markus Müller ist nicht nur Hauptdarsteller in dem Stück, sondern auch Mitgründer und Produzent des Neunkircher Musicalprojektes.
Doch der Reihe nach. Seine ersten schauspielerischen Schritte macht Markus Müller als Jugendlicher am Krebsberg-Gymnasium in Neunkirchen. Sein Lateinlehrer spricht ihn an, der eine Schauspielgruppe in Leben rufen will. Der junge Markus sagt zu, spielt zum Beispiel in „Leonce und Lena" und „Andorra" mit und stellt fest: „Das ist meins!" Das sehen andere genauso. Der Theaterverein „Die Kulisse" kommt auf ihn zu, ob er nicht bei ihnen mitmachen will. Markus will.
Nach dem Abitur studiert der junge Saarländer in Saarbrücken Politikwissenschaften mit Schwerpunkt politische Kommunikation, Wahlkampf und Medien. Ein Begabten-Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung bringt ihn für ein Jahr auf eine Universität in Missouri, wo er auch eine Journalistenschule besucht. Und natürlich spielt er Theater, spricht an der Uni unter anderem für das Brecht-Stück „Der gute Mensch von Sezuan" vor. „Ich war einer der drei Götter." Und er wechselt sozusagen die Seite, belegt Regie-Kurse und findet Gefallen daran, Stücke zu inszenieren.
In der Schule fing alles an
Zurück in Neunkirchen schließt er sein Studium in Saarbrücken ab, macht ein Volontariat bei Radio Salü und der Bayrischen Hörfunkakademie und arbeitet als freier Radiojournalist. Mit 29 Jahren wird er dann unter dem damaligen Oberbürgermeister von Neunkirchen, Friedrich Decker, Pressesprecher der Stadt Neunkirchen. In seinem Bühnenleben entdeckt Markus Müller seine Leidenschaft fürs Improvisationstheater. Er bewegt sich sehr viel in der freien Szene, arbeitet mit zwei, manchmal drei Gruppen, belegt Workshops und ist aktiv im sogenannten Theatersport. „Das ist eine Improvisationsform, wo zwei Teams miteinander und gegeneinander improvisieren", erklärt er. „Das Publikum kann Charaktere, Themen, Gefühle vorgeben. Und kann hinterher abstimmen, welches Team es besser gemacht hat." Markus Müller ist begeistert, er brennt regelrecht für diese Art zu spielen. „Ich habe bei der ‚Kulisse‘ so eine Truppe aufgebaut. Wir waren im Saarland die ersten, die das gemacht haben." Und er unterstützt den Aufbau einer Impro-Gruppe an der Uni Saarbrücken, und gibt Workshops für diese Art des Schauspiels. Schließlich nimmt er mit einer Gruppe bei den Deutschen Theatersportmeisterschaften in Hamburg teil. „Wir sind damals als Amateurgruppe am weitesten gekommen", sagt er stolz.
Irgendwann zerfleddert die Gruppe, einige Mitglieder orientieren sich in andere Richtungen. Markus Müller wendet sich anderen Projekten zu, spielt über die Jahre diverse Hauptrollen in Stücken der „Kulisse" und führt in dem Verein regelmäßig Regie. Besonders die Märchen für Kinder haben es ihm angetan. Manchmal inszeniert er und spielt gleichzeitig die Hauptrolle, wie in „Die Physiker" von Friedrich Dürrenmatt. Nebenbei stößt er noch andere Herzensprojekte an. So steht er zum Beispiel neben Dieter Meier in der Tragikomödie „Indien" auf der Bühne und spielt in Neunkirchen das Ein-Personen-Stück „Die Verteidigungsrede des Judas". Eine Besonderheit ist für ihn die Rolle eines Arztes in „Frau Suitner" im Volkstheater Kettenfabrik in Saarbrücken im Jahr 2014. „Dramatisches Theater in Mundart, das finde ich hochgradig spannend", denkt er gerne daran zurück.
Unter den Amateuren ist Markus Müller schon lange etabliert, das bleibt irgendwann auch den Profis nicht verborgen. Die ehemalige Schauspielerin des Saarländischen Staatstheaters, Nina Schopka, möchte ihn für das Profi-Ensemble ihres neu gegründeten „Korso-op. Kollektiv". „Das ist eine Ehre für mich", sagt Müller. Die innovative Theatergruppe hat 2017 mit dem experimentellen eigenen Stück „Babylon Pogo" Premiere, Markus Müller spielte Gott im Sakko. Ende Oktober dieses Jahres kommt etwas Neues auf die Bühne und Markus Müller ist wieder im Ensemble.
Markus Müller setzt sich auch außerhalb der Bühne für Kultur ein. Der 50-Jährige ist Vorstand im Neunkircher Kulturverein und Mitglied im Förderkreis Städtische Galerie/Museum Neunkirchen e.V.
Leidenschaft für Improvisation
„Ich möchte auch in der Breitenkultur Dinge bewegen." Eine Art Super-Coup gelingt ihm im Jahr 2002. Jürgen Fried, damals Bürgermeister der Stadt Neunkirchen, heute Oberbürgermeister, wünscht sich für die Stadt ein kulturelles Alleinstellungsmerkmal und denkt in Richtung Musical. Markus Müller spricht Martin Leutgeb an, zu der Zeit Schauspieler am Saarländischen Staatstheater in Saarbrücken, und holt ihn mit ins Boot. Ein Konzept wird erstellt, das Markus Müller dem damaligen OB Friedrich Decker vorlegt. Der gibt im März des darauffolgenden Jahres sein Okay. Das Musicalprojekt Neunkirchen wird geboren, eine bis heute andauernde Erfolgsgeschichte. Ein Leuchten geht über das Gesicht von Markus Müller, wenn er davon erzählt. „Es ist mein Baby. Und dass es so läuft, ist dem Herzblut aller Menschen zu verdanken, die dabei sind." Müller steht von Anfang an in allen Produktionen auch auf der Bühne, gibt mal den in Gold gehüllten „Mammon" in „Jedermann" oder „Dr. Zechner" in „Stumm. Das Musical".
Und jetzt Max Bialystock. „Das war eine neue Erfahrung", sagt er. „Es ist die bisher umfangreichste Rolle. Und eine größere Verantwortung, weil die Rolle über mehrere Szenen getragen wird." Während der Aufführung gibt es für ihn kaum Pausen, da muss er schon mal von einer Szene hinter der Bühne zur nächsten rennen, Kostüme in Windeseile wechseln. Dank der helfenden Kollegen funktioniert das auch. „Ich habe einen Garderobier, Marco Rudolph, der immer mit meinem Kostüm bereitstand, und auch noch mein Halsspray und Wasser bereithielt. Danke dafür".
Markus Müller ist diese Rolle auf den Leib geschrieben. Herrlich schlitzohrig und witzig spielt und singt er den ausgebufften Max Bialystock, der mit einem Trick versucht, das große Geld am Broadway zu machen. An seiner Seite: der schüchterne Buchhalter Leo Blum, kongenial dargestellt von Nicolas Schneider. „Ich könnte mir nicht vorstellen, das mit jemand anderem zu spielen", schwärmt Müller. Den Max mag er, sagt er. „Er wirkt auf den ersten Blick wie ein schmieriger Hallodri, der mit allen Tricks arbeitet, aber tief in seinem Herzen eine tiefe Sehnsucht hat, geliebt zu werden und Anerkennung zu bekommen." Diese „zweite Ebene" hinter der Figur interessiert ihn. „Das ist das Spannende. Wir machen ja nicht nur Boulevard, es liegt ja auch immer ein Charakter darunter. Und der darf nicht aufgesetzt sein, er muss aus einem selbst herauskommen." Das schafft Markus Müller, er haucht der Figur echtes Leben ein, bis zum Höhepunkt, einer siebeneinhalb Minuten langen Gesangsnummer. Und das, obwohl er ja eigentlich nicht vom Gesang kommt, wie er grinsend zugibt. Frisch und neu sollen „The Producers" und sein Max dieses Jahr auf die Bühne zurückkommen. Dabei hilft ihm die intensive Arbeit mit Regisseur Matthias Stockinger („Ein Geschenk. Er hat ein gutes Gespür für Leute.") und seine Erfahrungen im Improvisieren. „Es ist dieses Loslassen im Kopf, dieses Freimachen vom Text und Gängen, dass man Muster, die man im Kopf hat, aufbricht."
Trotz seiner Erfahrung hat er immer noch Lampenfieber. „Am Tag der Premiere bin ich unerträglich. Wenn ich dann im Theater bin, geht’s wieder", sagt er und lacht. Und auf der Bühne erst recht. Dann einfach „dem Spieltrieb folgen", das ist es, was Markus Müller am Theaterspielen am meisten liebt. „Kind sein!" Das wird er bald wieder. Am 3. August ist Premiere.