Der Landesbetrieb für Straßenbau nutzte die Sommerferien verstärkt zum Ausbau der Straßen. Das hat Gründe, die nicht jeder versteht. Die Straßenbauer im Saarland hoffen auf mehr Nachsicht, denn, so sagen sie, jede Baustelle, die in den Ferien fertig wird, macht keinen Stau in den Hauptverkehrszeiten.
Ferien für die einen heißt Malochen für die Straßenbauarbeiter – auch im Saarland, wo in den Ferien derzeit rund 30 bis 40 Baustellen über das ganze Land verteilt sind. Ungewöhnlich ist das nicht, denn solch ein Pensum hat der Landesbetrieb für Straßenbau (LfS) jeden Sommer vor sich. Das liegt daran, dass einzelne Straßen mit 170.000 Autos pro Tag im Hauptberufsverkehr überlastet wären, würde man sie durch eine Straßensperrung zur Umleitungsstrecke machen. Insgesamt stehen im Saarland in diesem Jahr 70 Millionen Euro vom Bundesverkehrsministerium zur Verfügung, um Straßen zu bauen und zu sanieren. Im Jahr 2011 war es gerade mal die Hälfte. Das zeigt: Die Erhaltung der Straßen ist der Politik wichtig.
„Ich habe viele Beschwerdemails“
Dennoch ist diese Zeit für LfS-Sprecher Klaus Kosok immer besonders anstrengend. „Ich habe im Moment jeden Tag einen Haufen Beschwerdemails“, sagt er. Und die lassen ihm das E-MailPostfach überquellen. Denn was viele Autofahrer übersehen: Die Instandhaltung der Straßen ist notwendig und in den Ferien besonders praktisch, denn dann gibt es weniger Berufsverkehr auf den Straßen. „Viele beschweren sich aber, dass sie gerade in der Urlaubszeit im Stau stehen“, berichtet Kosok. Das Problem werde vor allem in den Social-Media-Netzwerken deutlich, wo sich der Bürger gern in der Anonymität des World Wide Web versteckt und munter drauflosschimpft, wenn ihm etwas nicht passt. „Der Großteil, der Verständnis für unsere Arbeit hat, meldet sich aber nicht, weshalb nur die negativen Stimmen zu sehen sind“, sagt Kosok, als er sich an sein Baustellenfahrzeug mit der gelb-orangenen Warnlampe lehnt. Auf der neuen Baustelle, bei der die A1 nahe Saarbrücken-Malstatt saniert wird, demonstriert er, wie die Erneuerung einer Straße abläuft. Inmitten der Autobahn teilt eine mehrere Meter breite Absperrung die Fahrbahn, in der ein spurbreiter Graben klafft. Viele Zentimeter geht es dort runter, bis auf die Ebene, die unter der Straße liegt. „Wir können die 14 Zentimeter dicke Deck- und Bindeschicht abnehmen oder eben eine grundlegende Erneuerung machen, wie es hier der Fall ist“, sagt Kosok. Das Ziel ist, die neue Strecke zu verbreitern, auf zweimal zwölf Meter, denn „dann ist es möglich, jeweils eine zweispurige Strecke zu haben, wenn es wieder Erneuerungen geben muss.“ Auf den großen Transitstrecken ist das nicht möglich. Kleinere Bereiche passen die Bauarbeiter auf diese Art und Weise aber immer weiter an die neuen Entwicklungen der Automobilbranche an. „Die Autos sind heute viel größer und breiter als früher“, sagt Kosok. „Daran müssen wir uns zwangsläufig anpassen, wir machen diese Arbeit ja nicht zum Selbstzweck“, sagt er.
Zuletzt sorgte die Vollsperrung der L134 zwischen Bliesen und Oberthal für Aufsehen. Seit Ende Juni bis Mitte August sind Bauarbeiter dort am Werk und sorgen dafür, dass die direkt nebeneinander liegenden Orte nicht mehr miteinander verbunden sind. Ausweichen muss man nun über Namborn – vielen Autofahrern stößt das sauer auf, „ohne eine Vollsperrung ist das aber gar nicht mehr möglich“, erklärt Kosok. „Denn es gibt inzwischen neue Arbeitsschutzbestimmungen.“ Die EU erwirkte kürzlich, dass eine Vollsperrung zwingend nötig ist, wenn eine Straße eine bestimmte Breite nicht erreicht. So sind die Bauarbeiter nicht gefährdet. Dem Landesbetrieb für Straßenbau sind also die Hände gebunden. Dass das Verfahren dennoch sinnvoll ist, zeigt sich beim Besuch auf einer Autobahnbaustelle.
Zwei eingeengte Fahrstreifen gab es dort für die Fahrzeuge, die im Sekundentakt an den Arbeitern vorbeibrausen. Die äußere Spur, für Laster gedacht, ist 3,25 Meter breit. Die innere Pkw-Spur misst 2,50 Meter. Das hört sich nicht nur eng an, sondern ist auch eng. Werner Keller ist Polier auf der Baustelle. Er hat in seinen 47 Berufsjahren auf den Autobahnen im Saarland schon viel respektloses Verhalten von Fahrern gesehen. Zum Beispiel, dass Lkw-Fahrer ihre Pinkelflaschen aus dem Fenster werfen: „Das passiert öfters. Meistens klatscht das dann irgendwo auf und dann fliegt alles hier rum.“ Auf der Autobahn, sagt Keller, „gibt es eigentlich nichts, was es nicht gibt.“ Ein paar Schuhe, alte Kleidungsstücke. Alles, was die Autofahrer scheinbar nicht mehr brauchen, landet auf der Straße. Aber der Müll ist nicht das Schlimmste. Immer wieder kommt es zu gefährlichen Situationen, wenn zum Beispiel Laster zu schnell und zu nah an den Arbeitern durch die Baustelle fahren. Wenn die Brummis nur wenige Zentimeter an den arbeitenden Männern vorbeifahren, wackelt der Asphalt so sehr, dass es ihnen durch Mark und Bein dringt. „Das ist sehr unangenehm, vor allem dann, wenn wir noch eine Nachtbaustelle haben und die Lkw einem direkt am Bein vorbeifahren, dann will man das eigentlich nicht mehr machen“, sagt Keller.
Die neue Verordnung, in solchen Fällen nur noch Vollsperrungen zuzulassen, schützt die Bauarbeitet zum Unmut der Anwohner und Autofahrer also tatsächlich. Noch wichtiger ist es aber, dass die Autofahrer sich entlang der Baustellen an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten, sagt auch Wolfgang Sauer, der beim LfS für den Straßenbau zuständig ist: „Die Reaktionszeit ist ja abhängig von der Geschwindigkeit, mit der man fährt. Der eigenen Reaktion sind irgendwo Grenzen gesetzt. Deshalb sind die angeschriebenen Geschwindigkeiten keine Mindestgeschwindigkeiten und keine Richtgeschwindigkeiten, sondern bewusst Höchstgeschwindigkeiten“, sagt er. „Das vergessen die meisten aber leider oft.“
Sehr geringe Stauzahlen
Raser gibt es auch in den Ferien. Dennoch sei ein Großteil der Autofahrer anständig unterwegs. Klaus Kosok vom LfS würde sich nur ein wenig mehr Verständnis für das wünschen, was die Arbeiter auf den Straßen des Saarlands Tag für Tag in der Ferienzeit bewältigen. „Was sie da tun ist schließlich nicht vergnügungssteuerpflichtig“, sagt er. Und am Ende profitieren alle. Auch die vielen Pendler, die im Saarland deutlich weniger Umwege fahren müssen als in anderen Flächenländern. „Auch das vergisst man oft“, sagt Kosok. Denn wer etwa von Saarbrücken gen Osten Richtung Baden-Württemberg fährt, muss bei einer Vollsperrung der B10 bei Pirmasens gut und gern mal eine Stunde durch die Pfalz tuckern. Ein Spaß ist das nicht, vor allem, wenn man es eilig hat. „Und in Ostdeutschland muss man immer wieder bis zu 20 Kilometer Umleitungen fahren, statt wie bei uns mal drei oder fünf“, sagt Kosok.
Seine These, dass es im Saarland im Vergleich zu anderen Ländern tatsächlich weniger Verkehrsbehinderungen durch Baustellen gibt, stützt die aktuelle Staubilanz des ADAC. Das Saarland landete in der Statistik für das Jahr 2017 auf Platz 15 der 16 Bundesländer. 5.814 Kilometer Stau gab es dort summiert auf das gesamte Jahr gerechnet. Weniger auf den Straßen standen nur die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern. Führend in der Staustatistik ist das Land Nordrhein-Westfalen, das mit 454.907 Kilometern Stau fast zehnmal so viel zu bieten hatte wie das Saarland. „Wir sind hier also ein bisschen verwöhnt, was den Straßenverkehr angeht“, sagt Kosok. Jetzt wo die Ferien vorbei sind, wird sich die Zahl der Baustellen wieder schlagartig verringern. Dann sollen die Pendler auf den Autobahnen und Landstraßen wieder vorwiegend freie Fahrt haben.