Auf einer Reise vom Toten Meer nach Galiläa geht es durch das bekannteste Naturreservat Israels mit Oasen und Tempeln, vorbei am tiefst gelegenen See der Erde hin zum ältesten Naturschutzgebiet des Landes.
Arid drückt aufs Gaspedal und steuert den Jeep nach links. Nun heißt es, sich gut festhalten, denn die beiden linken Räder wühlen sich oben an der Böschung durch den Sand, während die beiden rechten auf der Piste bleiben. „Wir sind hier im Dead Sea Valley, in der am tiefsten gelegenen Wüste der Welt", sagt kurz darauf der 62-Jährige und wirkt dabei äußerst entspannt. Die Umgebung ist sandfarben, doch eigentlich sind wir in einer Salzwüste, auf die sich eine dünne Sandschicht gelegt hat. Tiere gibt es in dieser lebensfeindlichen Landschaft kaum, für sie ist es hier einfach zu trocken.
„Die Luft ist klarer hier"
Bei unserer Fahrt im Bett eines ausgetrockneten Flusses, des Sodom Dry River, macht Arid an einer kleinen erdlochartigen Höhle halt. „Geht rein, drinnen ist es kühler", sagt er – und tatsächlich, während es neben dem Jeep bestimmt 40 Grad heiß ist, ist es in der Höhle, die sich in die Böschung bohrt, bereits zwei Meter vom Eingang entfernt, deutlich angenehmer, fast schon erfrischend. Was von außen aussah wie ein Loch im Sand, erweist sich innen als eine wohltemperierte Salzhöhle. Kurz darauf fahren wir weiter, eine holprige Piste zieht sich bergauf. Als Arid schließlich auf dem Mount Sodom anhält, nimmt er sich Zeit für eine Zigarettenpause. Wir hingegen genießen den Blick auf die Ausläufer des weiß-braunen Salzbergs, der fast wellenartig aufgebaut zu sein scheint – und auf das dahinterliegende Gewässer. Das Tote Meer, dessen südliche Ausläufer wir von hier sehen können, hat einen Salzgehalt im Wasser von mehr als 30 Prozent. Arid liebt diese Gegend, mit dem Leben der Städter möchte er nicht tauschen: „Die Luft ist klarer hier, es ist friedlicher, man hat Zeit und eilt nicht ständig", schwärmt er, bevor er uns mit dem Jeep wieder in die Zivilisation zurückbringt.
Wasserfall nach König David benannt
Während unsere kleine Reisegruppe in der Wüste niemandem begegnet, ist das beim Stopp in der Oase En Gedi anders. Auf dem Wanderweg hoch zum König-David-Wasserfall sind zahlreiche Familien unterwegs, aber auch etliche Grüppchen mit jungen Leuten. Mit jährlich 580.000 bis 600.000 Besucher ist En Gedi das populärste Naturreservat in Israel. In der Oase gibt es Wanderwege und Thermalquellen, alte Tempel und Synagogen, einen Kibbuz und verschiedene Wasserfälle – und das alles ganz in der Nähe des Westufers des Toten Meeres. Bis vor etlichen Jahren lebten in der wasserreichen Oase sogar Leoparden, mittlerweile sind diese verschwunden. „Vor sechs Jahren haben wir zum letzten Mal einen gesehen", berichtet der Leiter der Reservatsverwaltung, David Greenbaum. Doch kleinere Tiere, beispielsweise Klippdachse, sehen wir bei unserer Wanderung tatsächlich, und eine andere Tierart, die hier ebenfalls anzutreffen sein soll, wurde schon in der Bibel erwähnt: der Steinbock. Unterhalb der verschiedenen Wasserfälle stoßen wir auf kleine Bassins. Sie bieten eine kühle Erfrischung beim Bergaufgehen – und eine Massagedusche made by nature.
Am König-David-Wasserfall weisen Schilder darauf hin, dass man sich hier nicht unter die herabprasselnden Wassermassen stellen soll – doch daran hält sich offensichtlich nicht jeder. Dass der Wasserfall nach König David benannt worden ist, ist kein Zufall. Denn in der Umgebung von En Gedi soll sich David in einer Höhle versteckt haben, in die König Saul gekommen war, um sich zu erleichtern. „David ermordete ihn aber nicht, sondern schnitt ihm lediglich einen Fetzen von seinem Mantel ab", rekapituliert Guide Ofer Moghadam die biblischen Geschehnisse. Beim Verlassen der Oase merken wir, dass das natürliche Gleichgewicht der Region durchaus gestört ist – zwischen der Landstraße 90, dem sogenannten Dead Sea Highway, und dem Westufer des Toten Meeres klaffen zahlreiche Senklöcher im Boden. Entstanden sind sie, weil der Wasserspiegel in dieser Gegend seit Jahren sinkt und dadurch die Salzschicht von Süßwasser unterspült wird. Dadurch entstehen Hohlräume, die irgendwann nachgeben. Dass ein geplanter Wassertransfer vom Roten Meer zum Toten Meer die Lösung dieses Problems sein würde, bezweifelt Naturreservatschef Greenbaum, „Ich denke, es wäre besser, einen Damm am Jordan zu öffnen", sagt er.
Der Tourismus am Toten Meer konzentriert sich mittlerweile hauptsächlich auf den südlichen Teil des am tiefsten gelegenen Sees der Erde. Die Lagune hier ist vom nördlichen Teil getrennt und wird als Verdunstungsbecken genutzt. So können Magnesium und Pottasche gewonnen werden, allerdings bilden sich dabei auch immer mehr Salzablagerungen. „Auf keinen Fall mit dem Kopf voraus ins Wasser springen und immer darauf achten, dass ihr kein Salz in die Augen bekommt", rät uns Reiseführer Ofer Moghadam, bevor wir uns vom „Hotel Daniel" in En Bokek aus zu Fuß auf dem Weg zum Ufer machen – zum Floating im Toten Meer. Schritt für Schritt vorwärts und sich dann langsam nach hinten legen – danach lässt man sich einfach auf der Wasseroberfläche treiben.
Eine renaturierte Sumpflandschaft ist Vogel-Rastplatz
Dass menschliche Eingriffe in die Natur unerwünschte Nebeneffekte haben können, erfahren wir auch im Hula-Naturreservat in Galiläa. Es ist Israels ältestes Naturschutzgebiet, doch zu einem solchen wurde es erst, als man merkte, dass die Trockenlegung der Sümpfe um Hula auf Dauer viele unerwünschte Nebenwirkungen hatte. „Es kam zu einer ökologischen Katastrophe. Tiere starben aus, und Torf fing an zu brennen", berichtet Moghadam. Deshalb hat man den ehedem verschwundenen Hula-See wieder künstlich angelegt, zumindest zum Teil. Heute ist diese renaturierte Sumpflandschaft, über die wir auf kleinen Holzpfaden laufen, ein wichtiger Rastplatz für Zugvögel. Für die Kranichbeobachtung sind wir zum falschen Zeitpunkt hier. Dennoch sehen wir eine Reihe verschiedener Vögel, außerdem Nutria, Wasserschildkröten und Fische, vor allem den afrikanischen Raubwels. Israel, das zeigt diese grüne Schilflandschaft etwa 280 Kilometer nördlich der Mondlandschaft des Dead Sea Valleys, bietet eine faszinierende ökologische Vielfalt auf kleinem Raum.