Verspätungen, gestrichene Flüge und Reisebüros, die sich beschweren: Eurowings bläst zur Urlaubszeit ein steifer Wind entgegen. Die Lufthansa-Tochter begründet dies mit der schwierigen Vereinigung mit Teilen der insolventen Air Berlin.
Wer in diesem Jahr mit Eurowings in die Ferien abheben will, den könnte Ärger erwarten. Offenbar verursacht die Eingliederung von Flugzeugen und Personal der insolventen Air Berlin in den Betrieb der Lufthansa-Tochter Probleme. Eurowings musste in den ersten fünf Monaten dieses Jahres etwa 1.800 Flüge streichen. Dazu kamen noch unendlich viele Verspätungen, die die Geduld der Passagiere, aber auch die der Reisebüros auf die Probe stellten. Mehr als 100 Reisebüros protestierten inzwischen öffentlich, da diese Entwicklung vermutlich den ganzen Sommer über anhalten wird. Der Verband der deutschen Reisebüros (DRV) sei bereits im Gespräch mit dem Luftfahrtunternehmen, sagte DRV-Sprecherin Kerstin Heinen. Zu Inhalten wolle sich der Verband jedoch derzeit nicht äußern, hieß es.
Thomas Dirks, Chef von Eurowings streitet die Probleme gar nicht erst ab, führt aber als Entschuldigung an, dass sein Unternehmen nach der Pleite von Air Berlin 77 Flugzeuge übernommen habe. „Dafür mussten Piloten und Kabinenpersonal eingestellt werden, und auch die Eingliederung der früheren Air-Berlin- Flugzeuge in das System von Eurowings war nicht gerade einfach", stellt Dirks fest. Und er führt eine weitere Zahl zur Begründung der Probleme an: „Wir sind in einem guten halben Jahr von 3.000 auf 6.000 Beschäftigte gewachsen. Das muss organisatorisch erst mal bewältigt werden. Es ist ein Riesengewaltakt, den wir da zu stemmen hatten." Außerdem war der akute Pilotenmangel in der gesamten Luftfahrt nicht gerade hilfreich. „Der Markt wird immer enger, wir zahlen schon jetzt einen ‚signing bonus‘, also einen Anstellungsanreiz." Das wiederum wirft Fragen auf. Wenn praktisch jeder genommen wird, der eine entsprechende Lizenz vorweisen kann, könnte der Qualitätsstandard sinken. Ein Thema, das Fluggesellschaften nur sehr ungern aufgreifen.
Der Lufthansakonzern rechnet bis 2020 mit 500 Piloten-Absolventen, was die Situation wiederum entspannen könnte. Davon wird auch die Tochtergesellschaft Eurowings profitieren. Aber bis dahin sind es noch zwei Jahre, und die müssen zunächst überstanden werden.
Jede einzelne Maschine muss neu zertifiziert werden
Man könnte es mit Wachstumsschmerzen umschreiben, die durch externe Faktoren noch verschärft werden. Neben dem Pilotenmangel machen die ständigen Streiks besonders der Flugsicherung in Frankreich, aber auch Abfertigungsprobleme an deutschen Flughäfen, allen Fluggesellschaften zu schaffen. „Am Flughafen Frankfurt haben die Menschen am Terminal A bis auf die Straße gewartet", beschreibt Dirks die Situation an einem der vergangenen Urlaubstage. Und es wird so schnell auch nicht besser: Allein im Monat Mai sollen in Europa 117.000 Flüge verspätet gewesen sein, während die Passagiere die Hauptleidtragenden sind. Gerade im touristischen Verkehr häufen sich Verspätungen, Familien mit Kindern sind besonders betroffen: Der Urlaub fängt für sie immer häufiger mit Stress an und hört mit Stress auf. Der Grund: der überfüllte Luftraum, die vergangenen Unwetter und – die Air-Berlin-Pleite. Dazu kommen häufig An- und Abflugszeiten praktisch mitten in der Nacht: Bei einem kostengünstigen Flug, der für fünf Uhr morgens geplant ist, müssen die Passagiere üblicherweise um drei am Flughafen sein. Erholung sieht sicher anders aus. Dass es nicht einfach werden würde, die Teile von Air Berlin einzugliedern, war vorherzusehen. Mittlerweile nennt Eurowings-Chef Dirks den Plan allerdings „zu ambitioniert". Jede einzelne Maschine müsse beim Luftfahrt-Bundesamt zertifiziert werden – ein langwieriger Prozess, der für die teils zehn Jahre alten Maschinen Zehntausende Seiten pro Maschine umfasst, erklärte Dirks gegenüber dem Fachmagazin „Airliners."
Doch auch auf der Langstrecke häuften sich die Probleme. Eurowings fliegt in die USA und steuert diverse karibische Ziele an. Mit manchmal erheblichen Verspätungen. Jetzt konzentriert das Unternehmen seine Flüge auf der Fernstrecke an den Flughäfen Düsseldorf und München. Dort sieht man bessere wirtschaftliche Chancen für die neu eingeführte Businessclass. Die Frage, ob eine Low-Cost-Airline und eine Businessclass überhaupt miteinander vereinbar sind, bejaht Thomas Dirks eindeutig: „Wir haben festgestellt, dass es in Düsseldorf ein großes Interesse für die Businessclass gibt. Die Sitze dafür kommen übrigens von der Lufthansa." Das dürfte eine weitere Herausforderung werden. Denn wer „vorne" sitzt, hat ganz andere Ansprüche und wird Verspätungen kaum akzeptieren.
Ein weiteres Problem könnte die Entwicklung der Kerosinpreise bringen. Der Ölpreis ist in den vergangenen Monaten kräftig gestiegen, was Autofahrer bereits jetzt an den Tankstellen merken. Noch haben sich die Fluggesellschaften über Termingeschäfte abgesichert. Aber, so Dirks, „wenn das so weitergeht, wird das irgendwann auch zu höheren Flugpreisen führen".
Dennoch hat der Eurowings-Chef für die Zukunft bereits neue Pläne. Er will Kundendaten verstärkt auswerten lassen, um zu wissen, wer zum Beispiel wie oft auf welchen Strecken unterwegs ist. Auf dem Smartphone sollen dann regelmäßig maßgeschneiderte Angebote auftauchen. „Wir dürfen uns den Googles oder Facebooks dieser Welt nicht geschlagen geben", sagt Dirks, der ursprünglich aus der Telekommunikationsbranche kommt. Bessere Angebote sind das eine, pünktliche Flüge jedoch das andere. Vor allem daran wird sich Eurowings in den kommenden Monaten messen lassen müssen.