Die Europäer kämpfen zu Recht für den Erhalt des Atomabkommens mit dem Iran
Wieder einmal begehen die USA den Irrtum, den Nahen Osten mit einer Frontal-Aktion auf Kurs bringen zu wollen. 2003 ließ US-Präsident George W. Bush seine Truppen im Irak einmarschieren. Zum einen, um die angeblichen „Massenvernichtungswaffen" von Diktator Saddam Hussein zu vernichten – später stellte sich heraus, dass er keine hatte. Zum anderen, um einen per Knopfdruck demokratisierten Irak zu einem Leuchtfeuer der Rechtsstaatlichkeit in der Region zu machen. Eine Fehlkalkulation, deren Folgen die Welt noch heute ausbaden muss.
Der Irak ist in gewisser Weise eine Blaupause für Donald Trumps aktuellen Feldzug gegen den Iran. Wie sein Vor-Vorgänger will der US-Präsident der Führung in Teheran die „Massenvernichtungswaffe" Atombombe – die sie mutmaßlich anstrebt – für immer aus der Hand schlagen. Darüber hinaus sollen die Iraner endlich in Freiheit leben. Trump hat sich vorgenommen, das Mullah-Regime durch knallharte Sanktionen in die Knie zu zwingen.
Washington spricht zwar offiziell nicht von einem angestrebten Wechsel der politischen Führung in Teheran. Doch die Wortwahl weist genau auf dieses Ziel hin. Die Rede ist von den „bösartigen Aktivitäten" der iranischen Regierung und dem „Terror gegen das eigene Volk". Diese Marschroute ist riskant und gefährlich. Denn niemand weiß, was in Teheran, Isfahan oder Täbris passiert, wenn die Staatsspitze kippt. Die Vorstellung, dass danach eine Demokratie westlichen Typs installiert wird, ist naiv.
Der Chef des Weißen Hauses will ohne Not einen Alleingang durchziehen. Dabei hat die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) dem Iran bescheinigt, bislang alle Auflagen aus dem Nuklearabkommen von 2015 erfüllt zu haben. Selbst Israels Generalstabschef Gadi Eizenkot räumte ein, dass der Vertrag trotz seiner Fehler Teherans Atomvision für zehn bis 15 Jahre verhindere. Darüber hinaus hätte die mühsam ausgehandelte Vereinbarung eine Art Testfall werden können, um Länder mit nuklearen Ambitionen an die Kandare zu nehmen.
Doch Trump schlug alle Warnungen in den Wind. Er scheint vom Ehrgeiz getrieben, die Errungenschaften seines Amtsvorgängers Barack Obama zu pulverisieren. Das von den USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, China und Russland unterzeichnete Atom-Papier gehört dazu.
Damit soll die Rolle des Irans im Nahen Osten nicht verharmlost werden. Teherans finanzielle und militärische Unterstützung für schiitische Milizen in Syrien, im Libanon und im Jemen sorgt für Unruhe. Hier muss die internationale Gemeinschaft Grenzen setzen. Das ist auch Syriens Schutzmacht und Irans Verbündetem Russland nicht entgangen. Moskau hat kürzlich angeboten, zumindest eine Pufferzone vor der syrisch-israelischen Grenze zu errichten, in der iranische Kräfte nichts zu suchen haben. Nur: Die regionalpolitischen Aktivitäten Teherans müssen losgelöst vom Atomabkommen verhandelt werden.
Deutschland, Frankreich und Großbritannien tun gut daran, dem US-Präsidenten die Stirn zu bieten und weiter für die Einhaltung des Nuklearvertrags zu kämpfen. Dass es hier Schnittmengen mit China und Russland gibt, passt in die aus den Fugen geratene Welt der Ära Trump. Amerika ist nicht der Gegner der EU – eine derartige Brutalo-Logik passt eher zum bulldozerhaften Politik-Stil Trumps. In Teilbereichen macht es aber Sinn, sich neue Interessens- und Koalitionspartner zu suchen. Blinde Solidarität mit dem testosterongesteuerten Kurs Trumps wäre jedenfalls kontraproduktiv. Unabhängig von dem Leid, das eine harte US-Sanktionskeule der iranischen Bevölkerung zufügen würde: Warum sollen deutsche Unternehmen, die zum Teil über Jahrzehnte gewachsene Geschäftsbeziehungen mit dem Iran verfügen, für die Lieferung ziviler Güter bestraft werden?
Dennoch darf bezweifelt werden, dass europäische Firmen dauerhaft im Iran bleiben. Das reaktivierte „Blockade-Statut" der EU spricht Betrieben zwar Entschädigung zu, wenn sie von den USA mit Strafmaßnahmen belegt werden. Doch dürfte die Mehrzahl freiwillig die Zelte im Iran abbrechen – zu wichtig sind Handel und Investitionen mit und in der immer noch größten Volkswirtschaft der Welt. Gleichwohl ist es ein wichtiges politisches Signal, dass die Europäer nicht die Hacken zusammenklappen, sondern eine eigene Position beziehen.