Als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz vertritt Saar-Regierungschef Tobias Hans (CDU) die Interessen der Länder gegenüber dem Bund. Jede Weichenstellung wirkt sich in den Ländern aus, vom Zollstreit mit den USA bis zum Umgang mit Flüchtlingen. Entscheidendes Zukunftsthema für Hans: die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse.
Herr Hans, mit dem überraschenden und kurzfristigen Wechsel in der Saar-Regierung haben Sie nicht nur das Amt als Regierungschef übernommen, sondern gleichzeitig als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz eine bundespolitische Aufgabe. Ein schwieriger Start in turbulenten Zeiten?
Die erste Ministerpräsidentenkonferenz unter meinem Vorsitz fand ja in Brüssel statt, und da ging es um ein für unser Bundesland sehr wichtiges Thema: Die Zukunft der heimischen Stahlindustrie, die bekanntlich durch Handelsauflagen und zusätzliche Zölle bedroht ist. Deshalb haben wir als Saarland im Bundesrat einen Entschließungsantrag vorgelegt, der von den anderen Bundesländern mit unterstützt wurde. Dieser gemeinsame Antrag soll unsere Stahlindustrie vor weiterem Schaden schützen.
Inwieweit werden denn die US-Stahlzölle Deutschland und innerhalb Deutschlands das Saarland treffen?
Deutschland ist innerhalb der Europäischen Union der führende Stahlproduzent, weltweit sind wir an siebter Stelle unter den Stahlproduzenten. Aus diesem Grund sind Strafzölle von einem der größten Abnehmer nicht gut für die deutsche Wirtschaft. Bund und Länder machen sich Sorgen und beraten, wie es mit der Stahlindustrie weitergeht.
Uns im Saarland trifft es innerhalb Deutschlands besonders, denn das Saarland ist Stahlland durch und durch. Wir haben 7.500 Arbeitsplätze, die direkt am Stahl hängen. Die von den USA verhängten Schutzzölle treffen uns zwar nicht unmittelbar, aber ganz klar ist: Der Stahlmarkt wird sich verlagern. Oftmals minderwertiger Stahl aus Drittländern, die diesen in den USA nicht mehr verkaufen können, droht nun Europa beziehungsweise Deutschland zu überschwemmen, und das drückt dann natürlich auf den Preis.
Aber die USA werden ja nun nicht mit dem Bundesrat verhandeln – was bringt so eine Stahl-Initiative der Bundesländer denn dann?
Natürlich werden sie das nicht, aber wir haben ja bereits die Europäische Kommission aufgefordert, mit den USA im Gespräch zu bleiben und alles zu versuchen, dass die Zölle wieder aufgehoben werden. Es geht aber auch darum, dass wir weltweit eine massive Überproduktion beim Stahl haben, die muss abgebaut werden, um so den Preis zu stabilisieren. Das geht aber nur, wenn man miteinander redet und nicht gegeneinander Handelskriege führt.
Nun heißt es doch immer, deutsche Stahlprodukte seien sehr hochwertig und müssten die Konkurrenz nicht fürchten.
Das stimmt: Zum einen haben wir eine sehr hochwertige Produktion mit innovativen Produktionslinien; und zum anderen produzieren wir in Deutschland und an der Saar sehr umweltschonend. Deshalb wäre es eine Schande, wenn jetzt ausländische Stähle, die nicht so sauber produziert werden und in der Qualität hinter unseren liegen, den Weltmarkt überschwemmen und über billigere Preise unseren hochwertigen Produkten Konkurrenz machen. Das ist unsere große Sorge, darum muss auch die Ministerpräsidentenkonferenz dafür sorgen, dass die Wettbewerbsbedingungen vernünftig sind und bleiben.
Darum ging es ja auch beim Treffen von US-Präsident Trump mit EU-Kommissionspräsident Juncker. Die etwas überraschende Verständigung beider ist in Europa auf positives Echo gestoßen. Mit ein paar Tagen Abstand: Tragen die Verabredungen?
Also zunächst war es wichtig, dass Jean-Claude Juncker die europäischen Interessen sehr hart gegenüber dem US-Präsidenten vertreten hat. Wir haben mit Juncker einen erfahrenen Kommissionspräsidenten, der um die Belange der europäischen Stahl- und Automobilindustrie weiß. Dass er US-Präsident Trump dazu bewegen konnte, zumindest einmal das Ziel auszugeben, auf Zölle im transatlantischen Handel grundsätzlich zu verzichten, stimmt hoffnungsvoll und ist für die Automobilindustrie ein gutes Zeichen. Der Kommissionspräsident hat jetzt die Verantwortung, diese Position innerhalb der Europäischen Union zu einigen. Dies wird nicht einfach werden, denn schließlich haben die einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Interessen, und nicht alle sind so so stark von der Automobilindustrie geprägt wie Deutschland. Aber mit dem starken Votum des Kommissionspräsidenten glaube ich, sind wir auf einem guten Weg. Trotzdem bleibt auch bei mir eine gewisse Skepsis, zumal der US-Präsident dafür bekannt ist, dass er auch schon mal Zusagen per Twitter revidiert. Da in den letzten 14 Tagen kein solcher Tweet gekommen ist, stimmt mich das einigermaßen positiv.
Ihre erste Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin verlief ja wegen des Asylstreits etwas rumpelig…
Die erste Ministerpräsidentenkonferenz, die ich geleitet habe, war in Brüssel, da lief alles glatt über die Bühne. Der Auftakt mit der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten hier in Berlin war leider völlig überlagert durch den unionsinternen Streit über die Zuwanderungspolitik. Ich hätte mir sehr gewünscht, dass der Streit vorher intern beigelegt worden wäre, statt den Konflikt in aller Öffentlichkeit auszutragen und damit sogar die Ministerpräsidentenkonferenz mit ihren wichtigen Themen und Beschlüssen zu überlagern.
Inzwischen wurde der Streit ja beigelegt. Wie beurteilen Sie den unionsinternen Kompromiss zur Zuwanderung?
Ich bin froh, dass dieses Thema dann doch noch befriedet werden konnte, dass wir bei der Steuerung und Ordnung der Zuwanderung einen gemeinsamen Kompromiss in der Großen Koalition gefunden haben. Das Ergebnis kann sich aus meiner Sicht sehen lassen. Wir werden zukünftig die Zuwanderung besser steuern und werden dies vor allem nicht zu Lasten Dritter tun, sondern gemeinsam mit unseren europäischen Partnern. Das war immer ein Anliegen von mir als saarländischem Ministerpräsident, denn wir im Saarland wissen am besten, was offene und freizügige Grenzen bedeuten.
Aber die jetzige Lösung betrifft ja vor allem die Grenze zwischen Bayern und Österreich. Wie betrifft das das Saarland?
Einwanderungsströme können sich verlagern, wenn nun die Grenze zwischen Österreich und Bayern stärker kontrolliert wird und wir im Transitverfahren auch Menschen zurückweisen. Möglicherweise steigen dann die Ankunftszahlen an anderen Grenzübergängen, auch bei uns im Saarland. Deswegen gilt der Beschluss auch für alle Grenzen Deutschlands. Das heißt aber schlussendlich: Wir müssen unseren Fokus in den nächsten Wochen und Monaten auf den Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union legen. Diese Grenzen müssen wir besser schützen, denn das erwarten auch die Menschen von uns.
Beim jüngsten Streit, den die CSU vom Zaun gebrochen hat, ging es ja laut Bundesinnenminister Seehofer um täglich fünf bis zehn Personen. Ist so ein verschärfter Grenzschutz da nicht etwas überdimensioniert?
Es geht hier um die ganz grundsätzliche Entscheidung, dass sich Flüchtlinge nicht aussuchen können, in welchem Land der Europäischen Union sie Asyl beantragen wollen, denn die Lasten müssen in Europa gleichmäßig verteilt werden. Wir haben uns als Union mit der SPD im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass im Rahmen des Dublin-Verfahrens Ankerzentren eingerichtet werden. Das heißt, wir brauchen überall in Deutschland, in allen Bundesländern, diese Ankerzentren. Dort läuft dann einheitlich das Aufnahme- und Asylverfahren für die Flüchtlinge. Wenn dies erfolgreich abgeschlossen ist, werden die Menschen vorn dort weitergeleitet in die Kommunen. Kommt es nicht zu einem erfolgreichen Abschluss des Verfahrens, dann hat der Bund den Ländern zugesagt, dass er sich um die Rückführung der Menschen kümmert. Ich glaube, das ist eine gute Lösung.
Die Ankerzentren haben also nichts mit den Transitzentren zu tun?
Richtig, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Die Transitzentren werden direkt in Gebäuden der Bundespolizei untergebracht und sind ausschließlich für Migranten gedacht, die bereits in einem anderen europäischen Land einen Asylantrag gestellt haben beziehungsweises deren Antrag dort bereits abgelehnt wurde. Diese werden von dort dann innerhalb von 48 Stunden wieder zurückgewiesen.
Das zweite Thema sind die Ankerzentren. Hier haben sich nun die Bundesregierung und die Länder darauf geeinigt, dass wir schnelle Verfahren wollen und dass die
Personen, die keine Bleibeperspektive haben, dann auch konsequent zurückgeführt werden. Dabei wird der Bund den Ländern helfen, damit das Ganze dann auch tatsächlich bundesweit einheitlich und schnell geschehen kann.
Ist die Landesaufnahmestelle im saarländischen Lebach ein Vorbild?
In Lebach haben wir in der Vergangenheit alles richtig gemacht. Lebach ist mittlerweile bundesweit ein Vorbild für die effektive Aufnahme von Geflüchteten und könnte deshalb auch als Ankerzentrum fungieren. Wir haben dort bereits ein Verfahren, wie es künftig bundesweit kommen soll. Zum Beispiel haben wir in Lebach für die Menschen, deren Verfahren dort läuft, längst eine Wohnsitzauflage. Nur diejenigen mit guter Bleibeperspektive werden in die Kommunen überführt, sodass sie dann vor Ort gut integriert werden können.
Wie kommt es, dass es bei der Bewältigung der Flüchtlingsflut im Saarland längst eine einheitliche Linie gibt, in der restlichen Republik nicht?
Weil wir im Saarland relativ schnell Entscheidungen getroffen haben, denn wir wissen, das erwarten die Bürgerinnen und Bürger im Land von uns. Der Erfolg hat sich ja dann auch im vergangenen Jahr bei der Landtagswahl gezeigt. Die AfD im Saarland hat im Vergleich zu den anderen Bundesländern und zur Bundestagswahl deutlich schlechter abgeschnitten. Das heißt aber auch, wir sollten uns weniger mit uns selbst beschäftigen. Zwischen CDU und CSU muß Einigkeit bestehen, nur so sind wir handlungsfähig und können dann auch die anstehenden Aufgaben meistern. Dies erwarten die Menschen von uns, und nur so können wir verlorengegangenes Vertrauen wieder zurückgewinnen.
Der Streit innerhalb der Union wird also vom Wähler bestraft?
Der Streit hat beiden Unionsschwestern geschadet. Die Menschen haben das Gefühl bekommen, dass sich die Politik nur auf das Flüchtlingsthema konzentriert, statt sich um die sonstigen Probleme im Lande zu kümmern. Jetzt haben wir endlich eine Entscheidung beim Thema Asyl, Flüchtlinge und Zuwanderung. Nun können wir aber nicht die Hände in den Schoß legen, denn da gibt es noch eine ganze Reihe von weiteren wichtigen Aufgaben, die erledigt werden müssen.
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ine wichtige Vereinbarung der Berliner Koalition war die Einsetzung einer hochrangigen Kommission, die sich mit dem Thema „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland" befassen soll. Die Kommission steht jetzt. Wie groß sind die Erwartungen?
Als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz habe ich federführend mit dem Bundesinnenminister verhandelt, und wir haben vereinbart, dass die Kommission länderoffen stattfinden soll. Ich halte es für wichtig, dass wir die gesamte Vielfalt der deutschen Bundesländer in dieser Kommission repräsentieren. Und ich lege größten Wert darauf, dass wir als Saarland an allen Entscheidungen beteiligt werden. Denn Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ist mit das entscheidende innenpolitische Thema unserer Zeit. Viele Menschen haben das Gefühl, dass sie nicht in gleicher Weise am wirtschaftlichen Erfolg und den mittlerweile gut gefüllten Staatskassen partizipieren, dass der Wohlstand in Deutschland nicht in den ländlichen Regionen ankommt. Das ist auch ein saarländisches Problem, und deshalb ist diese Kommission für uns besonders wichtig.