Hitzewellen, sintflutartige Unwetter, Dürre: Das Wetter schlägt Kapriolen. Doch steckt dahinter tatsächlich schon der Klimawandel? Ja, sagen die Fachleute. Und mahnen ein Umdenken an.
Der Regenbogen ist zum Greifen nah. Vom Ende des einen Wasserschlauchs bis zum Ende des anderen spannt er sich am Rand des Kleberweihers in St. Ingbert auf und fängt das Licht im Sprühnebel ein. In hohem Bogen spritzt auch Wasser in den Weiher, das die Feuerwehr mit ihrer mobilen Pumpe zuvor aus dem Gewässer herausholt. „Wenn es nicht so eine ernste Angelegenheit wäre, dann wäre das wirklich schön", bemerkt Florian Jung von der Feuerwehr St. Ingbert. Acht seiner Kollegen haben sich an diesem Abend aufgemacht, um die Fische des Kleberweihers zu retten. „Wenn die Zuläufe versiegen und es keine Quelle gibt, kann man davon ausgehen, dass das Gewässer irgendwann sauerstoffarm ist", sagt Jung. Die Fische bekommen Probleme beim Atmen. Deswegen hat der Angelsportverein um Hilfe gebeten. Zwei Stunden lang pumpen die Feuerwehrleute rund 3.000 Liter pro Minute aus dem Weiher heraus und wieder zurück. In der Luft schnappen sich die Wassertropfen neuen Sauerstoff und nehmen ihn mit ins Gewässer.
Die St. Ingberter Feuerwehr hatte wegen der Extremwetterlagen in diesem Jahr schon rund 400 Einsätze. Ungewöhnlich viele. Schon im Frühling sorgten die großen Unwetter für viele Notrufe. Nun könne man zwar nicht die Aussage treffen, dass es heutzutage generell mehr Einsätze wegen Hitzewellen und Unwettern gebe, sagen die Feuerwehrleute. Dass der Klimawandel im nördlichen Europa etwas mit der Häufigkeit solcher Wetterkapriolen zu tun hat, lässt sich aber nicht wegdiskutieren. So hat sich die Wahrscheinlichkeit für eine Hitzewelle, wie sie derzeit in Teilen Europas stattfindet, mehr als verdoppelt. Das zeigt eine neue Studie des Netzwerks World Weather Attribution, das sich mit dem Zusammenhang von Klima und Wetter beschäftigt. „Was einst als ungewöhnlich warmes Wetter galt, wird ganz normal – in einigen Fällen ist das schon so", heißt es in einer Mitteilung der University of Oxford. An drei Stationen in den Niederlanden, in Dänemark und Irland haben die Forscher bei ihren Aufzeichnungen einen Zusammenhang festgestellt. Allgemein habe der Klimawandel die Chance auf die derzeitige Hitzewelle mehr als verdoppelt. Grundsätzlich sei es zwar kaum möglich, einzelne Wetterereignisse konkret auf den Klimawandel zurückzuführen. Es ließen sich allerdings Trends erkennen. Einig sind sich die Klimaforscher, dass Wetterereignisse extremer und häufiger werden. Das gilt nicht nur für Hitzewellen, sondern etwa auch für Starkregen – eben jene zwei Ereignisse, die in diesem Jahr schon ihre Spuren hinterlassen haben. Die Bilder von den katastrophalen Überflutungen im saarländischen Kleinblittersdorf, einen Steinwurf von St. Ingbert entfernt, gingen vor wenigen Wochen durch die Republik.
Während hierzulande die Gewässer nach Sauerstoff japsen und auszutrocknen beginnen, steigen in den Weltmeeren die Spiegel kontinuierlich an. Schuld daran ist das schmelzende Eis, das Klimaexperten zufolge dafür sorgt, dass es in Mitteleuropa zu Hitzeperioden und Unwetterphasen kommt. Denn durch den stetigen Rückgang der Eisschicht am Nordpol hat sich die nördliche Region des Erdballs erwärmt. Die Temperaturen gleichen sich an – mit dem Ergebnis, dass sich der sogenannte Jetstream, der zwischen der heißen Äquatorgegend und der kalten Polregion Hochs und Tiefs in Winden über die Kontinente schickt, verändert. Die Abstände zwischen Hochs und Tiefs sind deutlich größer geworden, das jeweilige Wetter hält sich. „Ein Unwetter ist heutzutage oft länger an einem Ort, was wir auch schon feststellen konnten", sagt Steffen Potel vom Umweltverband BUND Saar. „Bei uns im Saarland führt das dazu, dass wir im Rahmen der politischen Diskussion zur Hochwasserrisikomanagementrichtlinie Änderungen vornehmen mussten, damit wir hier etwa mit neuen Ablaufsystemen und sonstigen baulichen Maßnahmen Schäden minimieren können."
Lokale Niederschläge seien häufig so stark, dass sie nicht wie früher Auen fluteten, sondern auch gleich die Siedlungen dahinter. Beim BUND verfolgen sie die Entwicklungen mit Sorge: „Diese richtig warmen Sommer haben wir jetzt schon seit 2003", sagt Steffen Potel. „Im Saarland ist klimatisch eine Zweiteilung zu beobachten." Während den Norden im August einen normalen, sommerlichen Charakter auszeichne, werde es im südlichen Saarland zunehmend mediterran. Dort schalte die Natur auch schon eher auf Herbst um: „Man kennt das aus Südeuropa, da ist der Artenreichtum gerade bei Insekten im Juni am höchsten, und im August fliegt nicht mehr viel rum." Vom Klimawandel und der Verschiebung der Temperaturen profitieren auch Insekten, die es wärmer mögen: So kommt der Seidenprozessionsspinner nun nicht mehr nur punktuell, sondern im gesamten Saarland vor.
Auswirkungen gibt es aber auch auf den Wald, wie die saarländische Waldzustandserhebung 2017 zeigt. 1984 waren noch fast 70 Prozent der untersuchten Bäume ohne sichtbare Schäden – heute nur noch 29. Der Klimawandel, heißt es aus dem Saar-Umweltministerium, sei eine der größten Herausforderungen für die Erhaltung unserer Wälder. Außerdem bedrohen die sintflutartigen Unwetter die Grundlage für Wald und Felder, die fruchtbaren Böden. „Es geht ganz viel Ackerboden verloren. Den sieht man dann als braune Brühe die Saar runterfließen, während die Bauern das Nachsehen haben", sagt Steffen Potel.
Olivenbäume in Brandenburg
Dass die Bauern in Deutschland noch mehr Probleme bekommen, glaubt auch der Klimaexperte Ernst Rauch, der für Berlin und Brandenburg ebenfalls mit Sorge auf die Zukunft blickt. Während die Bundeshauptstadt im vergangenen Jahr im Starkregen unterging, macht eine monatelange Trockenheit den Hauptstädtern derzeit zu schaffen. In einem Interview mit dem „Tagesspiegel" sagte Rauch zuletzt den Brandenburgern in 100 Jahren ein Klima voraus wie in Italien. „Wenn die Entwicklung so weitergeht, werden wir in Deutschland eine Vegetation haben wie dort. Die Brandenburger Bauern werden mittelfristig nicht mehr Getreide anbauen können, sondern müssen dann eher Olivenbäume pflanzen."
Dass deutsche Bauern tatsächlich Oliven anbauen werden, glaubt Steffen Potel indes noch nicht. „In unserer Region gibt es im Winter zu viel Frost für solche Pflanzen", sagt er. Das Umweltbundesamt ging schon im Jahr 2007 konkret davon aus, dass es in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Verschiebungen geben wird.
Die Temperatur könnte sich im Vergleich zum Zeitraum zwischen 1961 und 1990 um 1,5 bis 2,5 Grad erhöhen. Die Niederschläge würden im Winter je nach Gegend um 30 bis 70 Prozent steigen, im Sommer hingegen etwas zurückgehen. Noch weiß keiner, ob diese Prognosen in 50 Jahren Wahrheit werden.
Dass der Mensch für die Klimaerwärmung mit verantwortlich ist, sei aber gewiss, so BUND-Experte Potel. „Die Wissenschaftler ziehen drei Dinge ran", erklärt er: Einerseits sei das die konventionelle Energieerzeugung über Steinkohle und Braunkohle. Das zweite sei der Verkehr. Und dann, gravierend, käme der Methanausstoß durch die Landwirtschaft selbst hinzu.
Helfen könnte, so sagen mehrere Umweltverbände, eine Umstellung der Landwirtschaft auf eine naturverträgliche Produktion; ebenso ein bewussterer Fleischkonsum der Verbraucher. Der erste Schritt wäre aber, dass tatsächlich jeder Mensch den Klimawandel als solchen erkennt. Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch twitterte kürzlich: „Auch wenn wir alle zu Fuß gehen, statt Autos zu bauen… der Sonne ist das egal." Steffen Potel wundern solche Aussagen nicht: „Es gibt immer Menschen, die unbelehrbar sind", sagt er. Der Sonne dürfte von Storch vermutlich wirklich egal sein. Der Gesellschaft, die die Folgen zu spüren bekommt, darf es das aber nicht.