Birga Dexel aus Berlin ist eine international anerkannte Katzentherapeutin. Sie berät Katzenhalter bei Verhaltensproblemen ihrer Tiere. Genau wie beim Menschen ist eine der wichtigsten Ursachen auch bei den Tieren Stress.
Das Wort Katze konnte Birga Dexel schon aussprechen, noch bevor sie Mama und Papa sagen konnte. Tiere und ganz besonders Katzen fand die Berlinerin schon immer großartig. „Es sind einfach faszinierende Wesen. Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie jemand keine Katzen mögen kann", sagt sie. Mittlerweile ist sie eine international anerkannte Katzenexpertin und Deutschlands bekannteste Verhaltenstherapeutin für Katzen. Sie ist regelmäßig im Fernsehen zu sehen, unter anderem in den Vox-Sendungen „Hundkatzemaus", „3 Engel für Tiere" und „Katzenjammer". Dexel leitet das „Cat Institute Birga Dexel" (erreichbar unter www.tierberatungspraxis.de) und berät Katzenhalter bei Verhaltensproblemen ihrer Tiere und allen weiteren Fragen rund um die Katzenhaltung.
Verhalten von Raubkatzen
Für den Naturschutzbund Deutschland (NABU) hatte Birga Dexel zuvor ein Projekt zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Schneeleoparden in Kirgisistan initiiert und neun Jahre lang als Hauptverantwortliche geleitet, wofür sie 2004 mit dem „Trophée de Femmes"-Preis der Yves-Rocher-Stiftung in Paris ausgezeichnet wurde. Sie stellte fest, dass vieles von dem Verhalten, das sie bei den Raubkatzen beobachten konnte, auch bei Hauskatzen auftritt. Gleichzeitig war sie erstaunt und auch erschrocken zugleich, wie wenig gerade hierzulande für die seelische Gesundheit von Katzen angeboten wurde. „700 Millionen Katzen leben weltweit mit Menschen zusammen, 12,3 Millionen allein in Deutschland. Katzen haben damit den Hund als beliebtestes Heimtier abgelöst. Und trotzdem gab es früher keine auf Katzenverhalten spezialisierten Therapeuten", sagt Dexel. Während das Thema in Großbritannien und in den USA schon länger bekannt gewesen sei, habe man in Deutschland lange Zeit im Vergleich zum Hund nur sehr wenig über die Verhaltensbiologie von Katzen und damit über ihre artgerechten Bedürfnisse gewusst.
Der Hund gilt seit Jahrtausenden als treuer Begleiter des Menschen. Dagegen gilt die Katze zwar als verschmust, aber eben auch als eigensinnig. Eine Katze hat immer auch ihren eigenen Kopf, weshalb der Schriftsteller Kurt Tucholsky einmal gesagt haben soll, Hunde hätten Herrchen, Katzen hätten Personal. „Es sind sehr komplexe und anspruchsvolle Persönlichkeiten. In dieser Hinsicht kommen sie uns Menschen ziemlich nah", sagt Birga Dexel. Deswegen sei es auch nicht verwunderlich, dass Verhaltensprobleme bei Katzen oft dieselben Ursachen haben wie bei Menschen: allen voran Stress.
„Vielen Katzenfreunden mag es fast schon absurd erscheinen, dass ihre Katze gestresst sein könnte. Katzen sieht man ihren Stress oft nicht an, sondern merkt als Halter oft erst, dass etwas nicht stimmt, wenn die Katze Verhaltensprobleme zeigt", erklärt Dexel. Dazu zählt zum Beispiel, dass die Katze unsauber wird und das Katzenklo nicht mehr benutzt; dass sie die ganze Wohnung mit Urin oder Kratzspuren markiert; oder dass zwischen mehreren Katzen in einem Haushalt regelrecht Krieg ausbricht. Der Auslöser ist dann häufig eine Stresssituation, die wiederum oft durch Veränderungen in den Lebensbedingungen hervorgerufen werden, mit denen das Tier überfordert ist.
Dazu zählen Umzug, Urlaub, der Verlust der Bezugsperson, ein neues tierisches oder menschliches Familienmitglied, ein anderes Katzenklo oder Katzenstreu, neue Möbel im Haus oder auch Renovierungsarbeiten in der Wohnung oder in der Umgebung, von denen eine starke Lärmbelastung ausgeht. „Es gibt nicht immer Anzeichen, dass eine Katze besonders anfällig ist. Es kann also auch Katzen treffen, die vorher völlig gesund waren", sagt Birga Dexel. Allergien und Futterunverträglichkeiten können ebenfalls zu Unwohlsein führen und damit verschiedene Verhaltensprobleme begünstigen. „Gerade diese Probleme haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen", berichtet Dexel.
Stress durch Überforderung
Jede Therapie ist so individuell wie die Katze selbst. Es kommen unterschiedliche Methoden zur Anwendung, wobei Birga Dexel sehr gern mit dem sogenannten Clickertraining arbeitet. Damit ist das Antrainieren von Aufgaben oder von Bewegungsabläufen mithilfe eines kleinen Clickers gemeint. Dieser gibt ein charakteristisches Geräusch von sich, welches für das Tier ein Zeichen ist, dass es gerade etwas richtig gemacht hat. Nach dem „Click" bekommt es anschließend auch noch eine Belohnung. Dank ihrer schnellen Auffassungsgabe lernen Katzen so relativ zügig das gewünschte Verhalten.
Manchmal dauert die Therapie nur wenige Tage, doch besonders hartnäckige Fälle können sich auch schon einmal über anderthalb Jahre hinziehen. „Die Dauer der Therapie hängt zum einen davon ab, wie lang das Problem bereits existiert hat. Je länger es schon aufgetreten ist, desto langwieriger wird auch die Therapie", sagt Dexel. „Der Erfolg hängt außerdem in großem Maße davon ab, wie gut der Halter mitarbeitet." Einige hätten die Vorstellung, dass sie ihre Katze einfach zwei Wochen lang bei Birga Dexel abgeben und anschließend perfekt gesittet zurückbekommen können, doch so etwas würde bei Katzen nicht funktionieren. Die Halter sind aber oft nicht nur Teil der Lösung, sondern auch ein Teil des Problems, wenngleich manchmal unbewusst. Birga Dexel erzählt von einem Kater, der auf einmal eine starke Angststörung sowie aggressives Verhalten entwickelte, obwohl er von seinem Besitzer gut behandelt wurde. Es stellte sich heraus, dass die Probleme genau in dem Moment angefangen hatten, als auch die Tochter des Halters starke Depressionen bekommen hatte. „Solche Fälle sind fast schon ein wenig unheimlich und zeigen mir, dass man mit normalen wissenschaftlichen Erklärungen manchmal nicht weit kommt", sagt die Therapeutin.
Eines ist ihr ganz wichtig: Boshaftes Verhalten gebe es bei Katzen nicht. „Katzen wollen ihre Halter nicht ärgern oder zeigen Protestverhalten, wenn sie außerhalb ihrer Katzentoilette urinieren oder koten, sondern machen uns damit auf ein vorhandenes Problem aufmerksam", sagt Birga Dexel. Bestrafungen würden deshalb bei unerwünschtem Verhalten nichts bringen und die Sache im Gegenteil nur noch schlimmer machen. Häufig würden auch körperliche Gründe eine Rolle spielen, weshalb sie bei der Therapie eng mit dem Tierarzt zusammenarbeitet.
Mittlerweile berät Birga Dexel Katzenhalter weltweit. Gelegentlich wird sie sogar extra eingeflogen, wenn es sich die Kunden leisten können – ansonsten erfolgt die Therapie als Hausbesuch, über Telefon und Skype. „Die modernen technischen Möglichkeiten haben vieles erleichtert", sagt sie. Seit einigen Jahren gibt sie ihr Wissen auch an Interessierte weiter und bildet selbst neue Katzentherapeuten aus. Die Ausbildung dauert drei Jahre und erfolgt nach wissenschaftlichen Standards. „Wir wollen, dass die Absolventen anschließend professionell therapieren können", sagt Birga Dexel.