Start-ups, die für deutsche und französische Kunden Ideen entwickeln, werden von Eurodev gefördert. Das Forbacher Gründerzentrum wird dieser Tage zehn Jahre alt.
Seine eigene Idee entwickeln und umsetzen, den Sprung in die Selbstständigkeit wagen, ein Unternehmen aufbauen und leiten – hört sich gut an, aber dazu gehört jede Menge Mut und die Bereitschaft, viel Zeit für die Arbeit zu opfern. Potenzielle Kandidaten mit geeigneten Projektideen gibt es durchaus sowohl im Saarland als auch in Lothringen. Aber sie brauchen vielfältige Unterstützung: Geeignete Räume, Büro-Infrastruktur, Beratung bei Steuern, Finanzen und Marketing, Anschubfinanzierung, Marktforschung, Kontakte in die Wirtschaft, am besten grenzüberschreitend ... Die Liste ist lang.
Damit dem durchaus vorhandenen Potenzial ein wenig auf die Sprünge geholfen wird, hat sich im Norden Forbachs nahe dem französischen Schoeneck und dem deutschen Gersweiler das Gründerzentrum Eurodev etabliert. Seit zehn Jahren ist die zur Pariser Beratungsgesellschaft Interfaces gehörende Niederlassung im Grenzraum aktiv und hat 40 Start-up-Unternehmen mit rund 200 Arbeitsplätzen geschaffen. Beauftragt wurde Eurodev vom Communauté d’Agglomération de Forbach, dem Regionalverband auf französischer Seite. Das Besondere an Eurodev sei die grenzüberschreitende Ausrichtung, betont Interfaces-Chef Gilles Pedini. Interfaces mit 24 Standorten in Frankreich gehört zu den wenigen privat organisierten Beratungsgesellschaften für Unternehmensgründungen in unserem Nachbarland. Die meisten der rund 300 Starterzentren sind staatlich organisiert wie auch die anderen zwölf Gründerzentren in Lothringen. „Viele der potenziellen Newcomer haben von Vornherein nicht nur den französischen Markt im Visier. Sie nutzen die Vorteile wie etwa binationale Ausbildungsmöglichkeiten in der Großregion, Zweisprachigkeit, deutsch-französische Netzwerke, die ihnen die Grenzregion zwischen Frankreich und Deutschland bietet", so Pedini weiter. Obwohl Interfaces inzwischen mit drei Standorten in Straßburg vertreten sei, bleibe die grenzüberschreitende Ausrichtung in Forbach im Vergleich dazu deutlich stärker ausgeprägt.
Grenzüberschreitende Ausrichtung
Ein Lob, das Laurent Damiani als Leiter von Eurodev gern hört und es als Motivation versteht, neue grenzüberschreitende Projekte in Angriff zu nehmen und den 2022 auslaufenden Vertrag mit dem französischen Regionalverband darüber hinaus zu verlängern. „Im September dürfte ein neues grenzüberschreitendes Projekt spruchreif sein", zeigt sich Damiani optimistisch. „Ob mit Charles Stirnweiss oder Paul Fellinger und jetzt mit Laurent Kalinowski, wir haben mit allen drei Leitern der Communauté immer gut zusammengearbeitet", beteuert Damiani, der gemeinsam mit seiner Assistentin Jessica Paczesny das Eurodev Center aufgebaut hat.
Weit über 600 Projektanträge wurden in den vergangenen zehn Jahren eingereicht, mussten bearbeitet und beschieden werden. Von Hochschulabsolventen über Handwerker bis hin zu Fach- und Führungskräften aus der Industrie gleich welchen Alters sei fast alles dabei. Eine Kommission entscheidet, ob ein Projekt angenommen wird und ob der Einreicher im Zentrum an den Start gehen darf. Die Erfolgsquote von 80 Prozent sei überdurchschnittlich gut, wenn man bedenke, dass in Frankreich jede zweite Existenzgründung rein statistisch gesehen die ersten fünf Jahre nicht überlebe", so Laurent Damiani. Rund 14.000 Franzosen unternehmen pro Jahr den Start in die Selbstständigkeit.
Kommt ein Start-up-Unternehmen erfolgreich über die Runden, muss es nach vier Jahren spätestens auf eigenen Füßen stehen. Sie ziehen entweder in nahe gelegene Gewerbegebiete oder vergrößern sich auf dem Gelände. „Das ist ganz in unserem Sinne", betont Laurent Kalinowski, „denn dem Gemeindeverband geht es schließlich um die Vermarktung und Nutzung der ehemaligen Industrieflächen des Bergbaus und natürlich um die Schaffung von Arbeitsplätzen." Denn die Arbeitslosigkeit ist trotz wirtschaftlichen Aufschwungs auf französischer Seite in Lothringen mit rund zehn Prozent immer noch sehr hoch, insbesondere bei den Jüngeren. Außerdem verlassen gut ausgebildete Absolventen die Region, wenn sie keine qualifizierten Arbeitsplätze vor Ort finden. Ein Dilemma, das an die Situation im Saarland erinnert.
„Gezielt deutschen Markt angehen"
Einer, der den Sprung in die Selbstständigkeit geschafft hat, ist Jean Bertolotti. Der 27-Jährige aus St. Avold ging 2015 an den Start und beschäftigt heute im gegenüberliegenden Werk mit einer 2.200 Quadratmeter großen Halle zwölf Mitarbeiter. Sein Unternehmen Partnair Industries ist im Bereich Lüftungsanlagen, wie sie früher im Bergbau verwendet wurden, vor allem in Russland und im asiatischen Raum unterwegs. „Im kommenden Jahr wollen wir gezielt den deutschen Markt angehen", verspricht Bertolotti, dessen Vater Bergmann in den lothringischen Gruben war.
Dominique Wendels, der über ein lokales Blatt für Ausschreiben rein zufällig von Eurodev erfuhr, ist aus dem Stuttgarter Raum zurück in seine Heimatregion gekommen, auch wegen seiner Familie, wie er sagt. Sein Unternehmen BTC-PE ist heute im Gewerbegebiet-West in Forbach angesiedelt und stellt elektrotechnische Produkte her. Die Unterstützung seitens Eurodev in der Startphase seines Betriebs sei für ihn sehr wichtig gewesen, vor allem der Aufbau eines Netzwerks und das Gefühl, am Anfang unter Gleichgesinnten zu sein. Unternehmer Damien Marcel zeigt sich mit den Leistungen von Eurodev ebenfalls zufrieden. Seine noch junge Firma Ampair ist im Bereich der Heizungs- und Klimatechnik tätig. Gleiches gilt für Geschäftsführer Romain Poirson mit seinem Start-up Pandalab im Bereich der Telemedizin in Nancy.
95 Prozent der Start-ups, die von Eurodev betreut wurden, seien mit den Leistungen zufrieden, freut sich Laurent Damiani und betont die vielen Partnerschaften und Kontakte zu den deutschen Nachbarn. Ein Ergebnis ganz im Sinne der Wirtschaftsförderung und Ansiedlungsstrategie der Megaregion Grand-Est, bringt es Alexandre Cassaro als Conseiller Régional auf den Punkt.