Kranken Kindern ein Lachen ins Gesicht zaubern – Klinikclowns können sowas. Es gibt sogar hauptberufliche Spaßmacher. Ärzte sind von der positiven Wirkung ihrer Auftritte überzeugt. Doch die gibt’s nicht auf Rezept. Sie werden durch Spenden ermöglicht. Wir haben zwei professionelle Klinikclowns bei ihrer Arbeit begleitet.
Tilotamma singt und spielt Gitarre, Lemonella pupst dazu einen Hai. Zu viel für die kleine Zoe. Sie kann sich nicht mehr beherrschen und prustet vor Lachen. Das Eis ist gebrochen. Gepupst – so was aber auch! Zoe ist vier Jahre alt und sitzt gerade hellwach und aufrecht auf ihrem Krankenbett in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums Saarbrücken. Links ihre Puppe, rechts ihr Plüschfrosch, neben dem Bett Ihre Mutter, Sabrina Panzel. Und vor dem Bett zwei Clowns, Tilotamma und Lemonella. Genauer gesagt: Klinikclowninnen. Tilotamma und Lemonella haben sich darauf spezialisiert, Patienten aufzuheitern. Jeden Dienstag kommen sie oder Kollegen aus ihrem vierköpfigen Team ins Klinikum Saarbrücken auf dem Winterberg. Zoe ist die dritte Patientin, die sie heute besuchen.
Vor wenigen Minuten noch klopften die beiden Quatschmacherinnen ganz dezent an ihre Zimmertür und baten höflich um Einlass. „Wir fragen natürlich immer zuerst, ob wir reinkommen dürfen", sagt Lemonella. Schließlich passt es nicht immer jedem. Und die Clowns kommen unangemeldet, als Überraschung. Doch diese Überraschung ist fast immer willkommen. So wie in den Zimmern von Khira Allessia und Sabrina, wo sie heute bereits zu Besuch waren. Lauter Mädels heute morgen. Aber schön der Reihe nach.
Kein Quatsch ohne Vorbereitung
Heute früh sah man noch zwei ganz normale junge Frauen in Alltagskleidung die Kinderklinik betreten. Marie-Gabriele Massa und Sarah Steffen. „Morgens geht es zuerst zur Übergabe, da sind wir noch in Zivil", erklärt Marie-Gabriele Massa. Von den Mitarbeitern der Kinderklinik bekommen Sie Informationen zu den Patienten, ihren Leiden, ihren Geschichten. Wer ist gerade erst angekommen? Wer wird demnächst nach Hause entlassen? Wurde vielleicht gerade jemand am Bauch operiert, dem das Lachen wehtut? Auch weitere medizinische Aspekte spielen eine Rolle wie etwa die Infektionsgefahr. „Hat jemand eine ansteckende Krankheit, entsorgen wir anschließend die Kittel, beachten besondere Hygienemaßnahmen", so Massa. Bei ihrem heutigen Besuch auf dem Winterberg wollen sie 22 bis 24 Zimmer besuchen und dort zwischen 3 und 20 Minuten auftreten, je nach Zimmer.
Nach der Übergabe endet der zivile Teil. Marie-Gabriele Massa und Sarah Steffen ziehen sich um, stimmen ihre Musikinstrumente, werden zu Tilotamma und Lemonella.
Noch nicht ganz: Die roten Nasen fehlen noch. Dazu später. Die Anwesenden, so ist zu erfahren, haben eine spezielle Ausbildung hinter sich. „Ich selbst bin auch ausgebildete Musik- und Tanzpädagogin", erläutert Massa und schwenkt dabei ihre kleine Kindergitarre. Marie-Gabriele Massa und Sarah Steffen arbeiten freiberuflich in einem vierköpfigen Team mit ihren Kollegen Henning Leidinger („Clown „Lolek") und Simone Lorentz (Clownin „Finou la Brioche") zusammen. Echte Profi-Clowns also, und sie sind schon seit Anfang der 2000er Jahre unterwegs. „Wir haben bei den Kindern gestartet", so Massa. Mittlerweile haben sich die Clowns auch für die Arbeit mit Demenzkranken weitergebildet, machen ihre Späße in einem Pflegeheim, besuchen Erwachsene mit Behinderung, trösten Sterbende. „Wir arbeiten vom ersten Lebensjahr bis zum Lebensende", fasst es die Clownin zusammen.
Mit einem Satz zum Clown
Doch jetzt wird es ernst. Besser: spaßig. Denn jetzt werden die Nasen aufgesetzt. Ein wichtiger Schritt. Ihr Clown-Ritual, erklärt Marie-Gabriele Massa. „Wir zählen gemeinsam bis drei und hüpfen dann in die Nase." Und sobald die Clownsnase an die Menschennase schnatzt, vollzieht sich im Bruchteil der Hälfte einer Zehntelsekunde die wundersame Metamorphose zum Clown, wird aus ihr die Clownin Tilotamma und aus Sarah Steffen wird Lemonella. Deshalb hat Marie – Entschuldigung – Tilotamma auch gleich einen guten Rat parat: „Mit Clownsnase niemals Auto fahren!"
Auf geht’s! Klopfklopf. Patient Nummero eins ist erst ein Jahr alt. Die kleine Leoni macht ganz schön große Augen, als die zwei bunten Rotnasen ins Zimmer kommen. Wie gut, dass ihre Mama und die große Schwester Paula da sind. Der richtige Zeitpunkt für das Hühnerhof-Lied, den Klassiker von Frederik Vahle. „Und der Hahn auf dem Mist der singt: Kokidudeldu", geben Limonella und Tilotamma zum Besten. Leonis Schwester freut sich jetzt besonders über ihren Besuch im Krankenhaus: Die Überraschung mit den Clowns sorgt bei ihr für spontane Begeisterung. Sie drückt ihr Schwesterchen ganz fest und lacht sie an. Und das wirkt, denn aus nächster Nähe, in direktem Körperkontakt ist Lachen bekanntlich besonders ansteckend.
Die zweite Patientin ist schon ein Teenager. Khira Alessia ist 13 und sitzt ganz ruhig auf ihrem Bett. Auch sie hat Besuch: Ihr Papa ist bei ihr. Als Inder spricht er noch nicht so perfekt Deutsch – willkommener Anlass für die beiden Clowns, alle möglichen Sprachen auszuprobieren, einschließlich Clownssprache. „Unser Anspruch ist es, jedes Zimmer frisch zu bespielen", erklärt Tilotamma. Jeder Patient reagiert anders, spricht auf andere Dinge an. „Wir haben ein Repertoire an einstudierten Nummern, die wir einbauen können." Dazwischen wird improvisiert. Khira bleibt still und zurückhaltend. Danach aber gibt sie zu, dass sie den Besuch der Clowns sehr genossen hat. „Ich fand’s sehr schön. Das war eine richtige Überraschung", kommentiert sie.
Profi-Arbeit dank Spenden
Der wöchentliche Besuch der Klinikclowns geht auf eine Initiative der Kinderhilfe e.V. Saar zurück. Der Verein fördert unter anderem gesunde Ernährung und gerechtere Bildungschancen für Kinder. Er wurde 1999 von Margarita von Boch gegründet, die ihn bis heute leitet. Wie sie auf die Idee mit den Clowns kam? „Ein Mitarbeiter des Malteser Hilfsdienstes erzählte mir von Klinikclowns", erzählt Margarita von Boch. Sie erkannte das Potenzial für Ihre Kinderhilfe. Daraufhin engagierte sie nun ebenfalls therapeutisch geschulte Clowns, schickte sie in die damalige Merziger Kinderklinik. „Es war ein Riesenerfolg", erinnert sie sich. 2001 klopften die lustigen Leute mit den roten Nasen das erste Mal an die Zimmertüren des Klinikums Saarbrücken.
Seit ein paar Jahren sammelt das Krankenhaus selbst Spenden und beteiligt sich am Honorar der Clowns. „Wir teilen uns die Kosten mit der Kinderhilfe Saar", bestätigt Dr. Susann Breßlein, Geschäftsführerin des Klinikums Saarbrücken. Sehr zur Freude von Margarita von Boch. „Es ist ein Segen, dass sich das Klinikum da mit eingebracht hat", lobt sie. Dadurch wird ihr gemeinnütziger Verein entlastet und kann noch weitere Einrichtungen unterstützen. Er übernimmt bereits die vollen Kosten für die regelmäßigen Auftritte der Klinikclowns in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Homburg, in der Tagesklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie Merzig und in der Kinderklinik des Marienkrankenhauses in Saarlouis (dort allerdings nur 14-tägig).
Medizinisch betrachtet
Lachen ist gesund, Lachen ist die beste Medizin, so heißt es. Doch was ist dran an dieser Redewendung? Offenbar ziemlich viel. „Auch bei Kindern ist eine optimistische Lebenseinstellung, auch Lachen an sich, krankheitsverkürzend. Die Krankheit wird besser bewältigt und ertragen", sagt Prof. Dr. Jens Möller, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums Saarbrücken. Er weiß den wöchentlichen Besuch der Spaßmacher sehr zu schätzen. „Eigentlich brauchen wir das öfter. Die Clowns sind Professionelle, die nie stören oder negative Auswirkungen haben." Und nicht nur die Patienten, auch Ärzte und Pflegekräfte profitieren: „Mit den Kindern kommt man danach auch besser zugange."
Die positive Wirkung des Lachens ist wissenschaftlich belegt. Im limbischen System, einer evolutionsgeschichtlich alten Region im Gehirn, liegt das Zentrum für Gefühle.
Hier werden während des Lachens Glückshormone produziert, die Stimmung steigt. Gleichzeitig wird die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin unterdrückt. Das hilft, Schmerzen zu lindern. Sogar das Immunsystem wird durch das Lachen angeregt.
Die Clowninnen wiederum weisen auf die soziale Komponente des Spaßmachens hin. Bei ihren Besuchen beziehen sie die Patienten in ihr Spiel mit ein, interagieren mit ihnen, stärken ihr Selbstwertgefühl.
Dass die Vorsitzende der Kinderhilfe Saar von der positiven Wirkung der Clowns überzeugt ist, versteht sich von selbst. „In Jerusalem werden die Clowns von den Kliniken bezahlt, weil die Ärzte von der positiven Wirkung überzeugt sind", sagt Margarita von Boch, um dann gleich wieder ins eigene Land, zur eigenen Arbeit zurückzukehren: „Den größten Erfolg haben wir in der Kinder- und Jugendpsychiatrie", schwärmt sie. „Dort werden die Patienten meist stationär für einen längeren Zeitraum aufgenommen und können so eine persönliche Beziehung zu den Clowns aufbauen." In diesen Einrichtungen würden sogar richtige Workshops von und mit den Clowns veranstaltet. Und was denken die Clowns selbst über die These vom Lachen als Medizin? Nun, sie nehmen das Thema so ernst, dass Tilotamma sogar einen Beipackzettel für das Lachen verfasst hat, wie er halt zu jeder anständigen Medizin gehört. „Arzneimittel zugänglich für Kinder aufbewahren!" ist da zu lesen. „Nicht über 45 Grad lagern." Und natürlich Warnhinweise zu Nebenwirkungen wie Tränenfluss, Gesichtsrötung und leichter Atemnot. Echte Arznei eben.
Zauberei!
Zurück auf den Winterberg, zurück zu Zoe. Jetzt wird gezaubert. Die kleine Patientin darf ab sofort nicht mehr nur zuschauen, sondern mithelfen. Sie soll eine Halskette festhalten, Tilotamma pustet gegen ihre Faust. Es wirkt: Hand auf, Kette verschwunden. Zauberpuste. Die Kette taucht auf wundersame Weise wieder auf. Jetzt schaltet Zoe selbst einen Gang höher und ändert das Programm: „Kannst Du auch etwas von mir wegzaubern?" Die Clowninnen grinsen. Improvisieren gehört dazu. Zoe zieht ihrer Puppe die Halskette aus, reicht sie der Zauberin Tilotamma. Glück gehabt – der Gegenstand passt gut in die hohle Hand, ist klein genug für den Trick. Wieder pusten und Hokuspokusverschwindibus. Jetzt muss Zoe aus dem Bett raus, an Lemonellas Ohr blasen. Tataaa! Ist die Kette doch tatsächlich durch Lemonellas Kopf gewandert und hinter dem anderen Ohr wieder aufgetaucht. Das war das Finale. Bravo, Applaus, Dankeschön, auf Wiedersehen.
Die Clowns sind weg, auf dem Weg zum nächsten Zimmer. Sie hinterlassen eine vergnügte Patientin, die schelmisch grinsend auf ihrem Bett sitzt. „Ich finde das Angebot echt gut", kommentiert Sabrina Panzel, ihre gut gelaunte Mutter. Da macht es „Pfffff!" im Zimmer – was war denn das für ein Geräusch? „Mein Frosch Quaka hat gepupst", antwortet eine verschmitzte Zoe. So was aber auch. Ob da wohl jemand auch selber gerne Clown werden möchte, vielleicht später, wenn sie groß ist? „Au ja", antwortet Zoe, „aber so wie die hier, die eben da waren!"