Wird ein Mensch pflegebedürftig oder ändert sich seine Pflegebedürftigkeit, wird er vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherer (MDK) begutachtet. Der festgestellte Pflegegrad entscheidet schließlich über die Unterstützung vonseiten der Pflegekasse. Doch viele Menschen werden zu niedrig eingestuft. Was Sie dagegen tun können.
Wer Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen möchte, muss einen Antrag bei der Pflegekasse stellen. Erkennt sie die Pflegebedürftigkeit an, gewährt sie Geld-, Sach- und Dienstleistungen. Zunächst überprüft die Pflegekasse, welcher Pflegegrad vorliegt. Je höher der Pflegegrad, desto umfangreicher die Leistungen. Das bedeutet: Stellt der MDK-Gutachter einen zu niedrigen Pflegegrad fest als es den tatsächlichen Bedürfnissen des Antragstellers entspricht, muss sich dieser mit unzureichender Pflege begnügen – oder einen größeren Teil der Kosten selbst tragen, als nötig. Dann hilft nur noch Widerspruch einlegen. Damit es aber gar nicht erst so weit kommt, sollten Betroffene die folgenden Punkte beachten.
Erste Schritte
Rufen Sie Ihre Pflegekasse an oder schreiben Sie eine E-Mail (die Kontaktdaten kennt Ihre Krankenversicherung) und erklären Sie, dass Sie einen Antrag auf Pflegebedürftigkeit stellen möchten, für sich selbst oder für einen Angehörigen. Die Pflegekasse wird Ihnen ein Antragsformular per Post zusenden. Ist der ausgefüllte Antrag bei der Pflegekasse eingetroffen, beauftragt die Kasse den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), um zu prüfen, ob überhaupt eine Pflegebedürftigkeit vorliegt und falls ja, welcher Pflegegrad zutrifft. Dazu vereinbart der MDK einen Termin bei Ihnen zu Hause.
Frühzeitig Experten ansprechen
Diesen Besuch sollten Sie vorbereiten. Pflegebedürftige oder Angehörige finden Hilfe beim nächstgelegenen Pflegestützpunkt. Diese Einrichtungen werden von den Kranken- und Pflegekassen, den Ländern und Landkreisen betrieben. „Wir gehen gerne schon früh in den Haushalt und schauen uns den Bedarf an", sagt Silke Kotterbach, Beraterin und Case Managerin vom Pflegestützpunkt Saarbrücken. Vieles lässt sich im Vorfeld klären. Wer etwa Hilfe im Haushalt benötige, sei nicht automatisch pflegebedürftig, so Kotterbach. Als Beraterin kann sie in mehreren Phasen helfen: Beim Vorbereiten der Begutachtung, beim MDK-Besuch selbst und danach, etwa durch die Vermittlung der benötigten Pflegedienstleistungen. „Oft werden bestimmte Details über- oder unterschätzt", weiß Armin Lang, Landesvorsitzender des Sozialverbandes VdK Saarland e. V. Er kennt die Problematik aus eigener Erfahrung. Als sein Vater, der kaum mehr alleine aufstehen konnte, am Ende der MDK-Begutachtung vom Arzt die Hand zum Abschied gereicht bekam, stand er plötzlich aufrecht vor ihm. Man ist ja gut erzogen. „Das führte natürlich zu einem falschen Eindruck", erinnert sich Lang. „Ein Pflegeberater aber, der den Menschen über Monate hinweg kennt, kann einen besseren Eindruck gewinnen."
Gut vorbereitet sein
Die Begutachtung durch den MDK kann schneller vorbei sein, als Sie erwarten. Deshalb sollten Sie imstande sein, in einem kurzen Zeitraum alles Wichtige zu vermitteln. Pflegebedürftige sollten sich Beistand holen, etwa Angehörige oder auch einen Berater vom Pflegestützpunkt. Oft ist man als Antragsteller nämlich aufgeregt und vergisst, auf wichtige Punkte hinzuweisen. Am besten, Sie notieren sich, wo genau es im Tagesablauf hapert, wo Hilfe benötigt wird. Angehörige sollten auch notieren, in welchen Punkten sie zwar nicht anpacken, aber doch aufpassen und anleiten müssen.
Der MDK-Gutachter sollte eine ganz normale Alltagssituation vorfinden. Also bitte nicht extra die Fenster putzen und das Sonntagskleid anziehen. Vor dem Besuchstermin legen Sie griffbereit zurecht:
• Medikamente und Medikamentenplan
• Kopien der letzten Krankenhaus- und Arztberichte
• Bescheide und Gutachten
• Liste aller Hilfsmittel, die benötigt werden (wie Gehstock, Hörgerät) und Pflegehilfsmittel (Pflegebett, Schutzeinlagen)
• Liste der regelmäßigen Behandlungen (etwa Krankengymnastik)
• Falls Sie bereits Pflegedienstleistungen erhalten: die aktuelle Pflegedokumentation
Wie der MDK-Besuch abläuft
Im persönlichen Gespräch will der Gutachter erfahren, inwieweit der Betroffene in seiner Selbstständigkeit beeinträchtigt ist. Dazu geht er sechs Begutachtungsbereiche durch (siehe Kasten).
Diese Bereiche werden unterschiedlich stark gewichtet. Am wichtigsten wird die Fähigkeit zur Selbstversorgung gewertet (40 Prozent), am geringsten die Mobilität (10 Prozent).
Schildern Sie die Einschränkungen im Alltagsleben wahrheitsgemäß, ohne zu übertreiben – verschweigen Sie andererseits auch nichts aus Scham oder Stolz. Manche Dinge sind einem unangenehm, wie etwa Bettnässen, doch so etwas muss der Gutachter natürlich auch erfahren.
Andere Dinge lassen sich besser demonstrieren als mit Worten erklären. Zeigen Sie zum Beispiel, welche Bewegung Ihnen schwerfällt.
Rechtsberatung beim VdK
Dann heißt es: abwarten. Ist der Bescheid der Pflegekasse ergangen, können Sie sich das MDK-Gutachten zusenden lassen. Auch bei dessen Beurteilung kann Ihnen ein Pflegeberater helfen. Sollten Sie die Bewertung des MDK nicht teilen, können Sie gegen den Bescheid Widerspruch einlegen. Wird der Einwand angenommen, erhalten Sie eine sogenannte Abhilfe. Bringt der Widerspruch aber nicht das gewünschte Ergebnis, steht Betroffenen noch der Gang zum Sozialgericht offen.
Beratung in solchen Problemfällen bietet unter anderem der Sozialverband VdK Deutschland e. V. Eine Erstberatung erhält jeder Bürger. VdK-Mitglieder jedoch können zusätzliche individuelle Leistungen in Anspruch nehmen. Der VdK hilft seinen Mitgliedern bereits im Vorfeld bei der Antragstellung auf Pflegebedürftigkeit. Und, im Fall des Falles, bei der Formulierung eines Widerspruchs oder einer Klage. Je nach Landesverband fallen Mitgliedsbeitrag und Leistungskatalog etwas unterschiedlich aus.
Pflegestützpunkt-Suchmaschine des BKK-Bundesverbandes: www.bkk-pflegefinder.de
Beratung für Privatversicherte:
Sozialverband VdK Deutschland: www.vdk.de