Besonders Säuglinge, Kleinkinder und Jugendliche sind von der mit quälendem Juckreiz verbundenen Hautkrankheit betroffen. Bis zum Erwachsenenalter sind bei vielen die Symptome der Neurodermitis verschwunden. Dennoch gibt es in Deutschland mindestens 3,5 Millionen Patienten – Tendenz steigend.
Vor allem in den modernen Industriestaaten ist Neurodermitis, die in der Medizin auch atopische Dermatitis oder atopisches Ekzem genannt wird, auf dem Vormarsch. Sie gehört inzwischen zu den häufigsten Hauterkrankungen, deren äußeres Merkmal meist ein stark juckender Ausschlag (Ekzem) ist. Sie tritt chronisch-schubweise auf und ist nicht ansteckend. Vor allem Kinder und Jugendliche bis zur Pubertät leiden darunter, laut dem Robert Koch-Institut sind in Deutschland 14,3 Prozent der 0- bis 17-Jährigen von Neurodermitis betroffen. Besonders häufig taucht Neurodermitis bereits im Säuglingsalter auf, bei rund 85 Prozent der kleinen Patienten sind bereits im ersten Lebensjahr spezifische Anzeichen zu erkennen. Bis zum Schulalter bildet sich Neurodermitis bei jedem zweiten Kind zurück, bis zum frühen Erwachsenenalter sind etwa 60 Prozent der Kinder symptomfrei. Die Neurodermitis verschwindet jedoch nie ganz, da sie zu den chronischen und nach dem heutigen Wissenstand nicht vollständig heilbaren Krankheiten zählt. Nach dem 30. Lebensjahr leiden nur noch rund drei Prozent der Betroffenen unter akuten Schüben. Insgesamt gehen Schätzungen davon aus, dass in der Bundesrepublik zwischen 3,5 und fünf Millionen Menschen unter den juckenden Hautrötungen leiden, Tendenz steigend.
Störung der Barrierefunktion der Haut
Auch wenn die genauen Ursachen für die Entstehung der Krankheit noch immer nicht eindeutig bekannt sind, so spielt doch die erblich bedingte Veranlagung eine ganz entscheidende Rolle. Wenn ein Elternteil an dem atopischen Ekzem leidet, liegt das Erkrankungsrisiko für das Kind bei 40 Prozent, wenn beide Eltern betroffen sind, steigt das Risiko sogar auf 70 Prozent. Die Veranlagung allein macht aber noch nicht krank, sondern nur anfällig. Die Neurodermitis zählt wie etwa Heuschnupfen zu den atopischen Krankheiten, bei denen das Immunsystem überempfindlich mit allergischen Reaktionen auf den Kontakt mit normalerweise harmlosen Substanzen aus der Umwelt reagiert. Neben der genetischen Veranlagung gilt inzwischen eine erblich bedingte Störung der Barrierefunktion der Haut als wahrscheinlichste Ursache.
Der Schutzwall kann durch verschiedenste Faktoren wie Mangel an bestimmten Eiweißen, verminderter Talgdrüsenfunktion, gestörtem Fettsäure-Stoffwechsel oder sogar bedingt durch Eigenschweißabsonderung undicht werden, weshalb mikroskopisch kleine Allergene, beispielsweise Staub, Pollen oder Tierhaare, in den Organismus eindringen können. Die Allergene werden sogleich von Abwehrzellen der oberen Hautschichten bekämpft. Dadurch wird eine Entzündungskaskade ausgelöst, bei der zunächst übermäßig Immunglobuline als Abwehrstoffe produziert werden, die wiederum eine vermehrte Ausschüttung von Histaminen verursachen, die die Entzündungen weiter befeuern und den charakteristischen Juckreiz auslösen. Durch Kratzen wird die Entzündungsreaktion weiter verstärkt und ein Teufelskreislauf in Gang gesetzt, bei dem die Haut mit allergischen Reaktionen gegen an sich ganz harmlose Substanzen reagiert.
Es steht außer Frage, dass Stress eine Neurodermitis verschlimmern kann und dass die Symptome, vor allem der ständige Juckreiz, seelisch sehr belastend sein können. Manche Forscher erklären den Schub der Neurodermitis-Erkrankungen in den modernen Staaten mit der „Hygiene-Hypothese": Demnach ist das menschliche Immunsystem in der keimarmen Umwelt westlicher Haushalte unterbeschäftigt und hat eigentlich harmlose Reize zu Ersatzzielen erkoren.
Typische Symptome einer Neurodermitis sind eine ganz trockene Haut mit geröteten, entzündeten Stellen, die meist sehr stark jucken, eine flächenhafte Verdickung und Vergröberung der Haut sowie Knötchen und Pusteln. Die Symptome treten in der Regel in Schüben auf, zwischen denen sie oft vollständig abklingen und dann wieder voll aufflammen.
Das Erscheinungsbild der Krankheit ist stark abhängig und ändert sich gravierend mit dem Alter des Patienten. Im Säuglingsalter bis etwa zum zweiten Lebensjahr sind vorzugsweise das Gesicht, die Wangen, die Kopfhaut („Milchschorf") und die Streckseiten der Arme und Beine betroffen. Die Haut ist dabei großflächig gerötet, es kann zu nässenden und verkrustenden Hautpartien kommen. Bis zum zwölften Lebensjahr treten bei einem typischen Verlauf eher schuppige Knötchen und Rötungen auf, vor allem an den Beugen von Armen und Beinen sowie am Hals. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen können grundsätzlich alle Stellen am Körper betroffen sein, neben den Beugestellen zeigt sich der Ausschlag nun besonders im Gesicht sowie an Händen und Füßen. Im Erwachsenenalter kommen oft noch Knötchen auf immer stärker lederartig verdickter Haut hinzu, häufig befallene Stellen sind Stirn, Augenlider, Hals und Beugeflächen.
In jedem Alter tritt bei akuten Krankheitsschüben starker Juckreiz auf, der den ganzen Tag über anhalten kann und sich abends und nachts meist noch verschlimmert. Die häufig nässenden und zerkratzten Ekzeme sind ideale Einfallstore für Keime, Bakterien oder Viren, weshalb zusätzlich Infektionen (Herpes), Fieber oder Lymphknotenschwellungen auftreten können. Einige Neurodermitiker haben eine doppelte Lidfalte namens „Dennie-Morgan-Falte", andere eine Ausdünnung der seitlichen Augenbrauen namens „Hertoghe-Zeichen", wieder andere offenbaren ihre Krankheit durch einen weißen Dermographismus: Beim festen Streichen über die Haut mittels eines Holzspachtels bildet sich bei ihnen statt einer roten Linie eine weiße Linie aus.
Vorbeugend sorgfältige, tägliche Basispflege
Bei der Behandlung geht es darum, die Symptome zum Verschwinden zu bringen oder sie zumindest zu lindern und symptomfreie Phasen möglichst zu verlängern. Eine komplette Heilung kann mit der aus einer ganzen Reihe von Einzelbausteinen zusammengesetzten Therapie leider nicht erzielt werden. In der akuten Phase kommt meist Kortison zum Einsatz. Über diese Standard-Therapie hinaus ist der medizinischen Forschung in den letzten Jahren wenig Neues eingefallen. Die Kortisonpräparate (Glukokortikosteroide) werden üblicherweise als Creme, Salbe oder, bei schweren Schüben oder wenn große Hautflächen betroffen sind, auch in Tablettenform verabreicht. Obwohl sie sehr gut wirken, können sie bei langer Anwendung doch Nebenwirkungen wie Verdünnung der Haut zur Folge haben.
Als Alternative oder Ergänzung zu den Glukokortikosteroiden sind seit einigen Jahren die Calcineurin-Inhibitoren verfügbar, die direkt auf das Immunsystem wirken und die Ausschüttung von entzündungsverursachenden Botenstoffen eindämmen. Sie dünnen zwar die Haut nicht aus, können aber andere Nebenwirkungen wie eine kurzfristige Verstärkung des Juckreizes haben. Die Cremes und Salben mit diesen Wirkstoffen sind besonders für empfindliche Hautareale geeignet, und werden vorwiegend nur dann eingesetzt, wenn Kortison unbedingt vermieden werden soll.
Eine weitere antientzündliche Maßnahme stellt die Bestrahlung mit UV-Licht nach ärztlichen Vorgaben dar. Als Soforthilfe gegen den Juckreiz können feuchte Umschläge oder oral verabreichte Antihistaminika genutzt werden, die verhindern, dass der Botenstoff seine quälenden Wirkungen entfalten kann. Wichtig sind aber auch vorbeugende Maßnahmen wie eine sorgfältige, tägliche Basispflege der Haut mit rückfettenden und feuchtigkeitspendenden Pflegeprodukten oder das ganz gezielte Vermeiden der Substanzen, die als Auslöser des persönlichen Erkrankungsschubs ausgemacht wurden.