Es tut sich was in dem riesigen Flughafengebäude mit Geschichts-Flair: Ausstellungen sollen einziehen, Events, Ateliers und Unternehmen Platz bekommen, das Dach wird begehbar. Ein „Generationenjob" mit viel Bürgerbeteiligung – und strengem Denkmalschutz.
Das Interesse ist ungebrochen: Der Flughafen Tempelhof mit dem Tempelhofer Feld liegt nicht nur den Berlinern am Herzen, auch auswärtige Besucher lässt er nicht kalt. Eng mit der Geschichte der Stadt verknüpft, bringt seine Architektur die Menschen zum Staunen, lässt er Erinnerungen wach werden und weckt Emotionen. Allein an den Führungen „Mythos Tempelhof" oder „Verborgene Orte" nehmen jährlich rund 60.000 Menschen teil. Sie bewundern die Eingangshalle, die Luftschutzräume, den Filmbunker oder die amerikanischen Sportbereiche. Ebenso zeigen diverse Runden der Bürgerbeteiligung, wie groß die Anteilnahme an dem Areal und seiner Zukunft ist. Seit 2011 ist die Tempelhof Projekt GmbH, eine 100-prozentige Tochter des Landes Berlin, von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen damit beauftragt, den Entwicklungsprozess zu managen.
„Ursprünglich bestand der Auftrag der Gesellschaft darin, die Randbebauung des Tempelhofer Feldes umzusetzen. Der Bürgerentscheid von 2015 hat diese Bebauung verhindert, erst seitdem konzentrieren wir uns auf das Gebäude", sagt Jutta Heim-Wenzler, Geschäftsführerin der Tempelhof Projekt GmbH. Und das ist eine gigantische Aufgabe. Mit 300.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche bildet der Komplex quasi eine Stadt in der Stadt.
Der Lichtblick: Während es zuvor keine größeren finanziellen Mittel für den Flughafen gab, hat das Land Berlin im März 2018 dafür aus „Siwana-Mitteln für den Aus- und Umbau der wachsenden Stadt" einen größeren Betrag bewilligt. Mit 132 Millionen Euro können jetzt mehrere Bauteile konzentriert saniert und umgebaut werden.
Emotionen und Erwartungen
Welche Gebäudeteile das sind und was dort passieren soll, ist nicht zuletzt Ergebnis einer Bürgerbefragung, die im November 2017 mit einem ersten Tag der offenen Tür startete. Dabei konnten Interessierte ihre Vorstellungen für die Zukunft des Flughafengebäudes äußern und im Anschluss noch einige Wochen ein Online-Votum abgeben. Rund 600 Ideen kamen zusammen, die die Berliner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) im Mai bei einer Bürgerversammlung vorstellte. „Die Öffnung des Gebäudes und eine Berücksichtigung des Denkmalschutzes bei allen weiteren Entwicklungsschritten standen in der Ideensammlung ganz oben auf der Liste", berichtet Irina Dähne, Sprecherin der Tempelhof Projekt GmbH. Den Bürgern sei sehr an Ausstellungen gelegen, die die Historie des Gebäudes zeigen. Ein weiteres Thema seien experimentelle Zwischennutzungen: „Die Menschen wünschen sich, dass Flächen zur Verfügung gestellt werden, auf denen sie selbst agieren können, auf denen sie unterschiedlichste Ideen und Projekte für bestimmte Zeiten umsetzen können", erklärt Dähne. Bei der Bürgerversammlung rief Katrin Lombscher auch zur Mitarbeit in einem Gremium auf, das über passende Formate, in denen die Ideen aus der Bürgerbeteiligung umgesetzt werden können, beraten soll.
Auch die Berliner Wirtschaft drängt darauf, Nägel mit Köpfen zu machen. „Immer wieder hören wir, dass die Gewerbetreibenden im Bezirk händeringend nach Flächen suchen", sagt Dähne. Zurzeit werden zwar bereits einige Garagenflächen von Musikern als Proberäume genutzt, auch laufen Umbaumaßnahmen für Atelierräume bildender Künstler. Bisher sind das jedoch nur kleine Bestandteile eines großen Konzepts, die erst nach und nach zusammengefügt werden müssen.
„Leider können wir aus dem Stand nicht so schnell auf die Flächennachfrage reagieren – auch weil wir in der Vergangenheit vor allem den Auftrag hatten, das Gebäude so zu hüten und zu pflegen, wie es hier steht", erklärt Dähne. Das Gebäude sei in den 1930er-Jahren ohne Baugenehmigung errichtet worden. Bei einer Sanierung oder einem Flächenausbau beginne man also mit einem ganz normalen Antragsverfahren für eine Baugenehmigung. Gerade so, als würde es um einen Neubau gehen. Hinzu kommen rigide denkmalschutzrechtliche Auflagen. „Ein Denkmalpflegeplan wacht streng über unsere Vorhaben. Er schreibt vor, alles zu erhalten, was geschichtlich bedeutsam ist. Und das betrifft eigentlich den gesamten Gebäudekomplex. Ausnahmen werden allenfalls diskutiert, wenn eine Nutzung ohne Änderungen ausgeschlossen ist", erläutert Geschäftsführerin Heim-Wenzler.
Der alte Flughafen wurde nie fertig
Weil das Gebäude so riesig ist, spreche man von drei Perspektiven der Weiterentwicklung – einer kurzfristigen, einer mittelfristigen und einer langfristigen. „Das ist ein Generationenjob und nicht von heute auf morgen zu realisieren", sagt Dähne. Alles andere sei fern jeder Realität. Allerdings wolle man geeignete Teilflächen für Zwischennutzungen zur Verfügung stellen: vor allem im „H2rund". So soll das ehemalige Offiziershotel der US-Army mittelfristig kreativen Köpfen Arbeitsmöglichkeiten bieten.
Die Hangars und ihre Dächer sollen saniert und teilweise zu Versammlungsstätten umgebaut werden, die aktuellen Sicherheitsstandards genügen. Bisher ist die Nutzung der Hangars für Veranstalter sehr teuer: Weil Sprinkleranlagen fehlen, ist der Brandschutz sehr personalaufwendig. Auch von der heute vorgeschriebenen Barrierefreiheit sind die Gebäude weit entfernt. Als ab Herbst 2015 viele Flüchtlinge in der Ankunftshalle und in den Hangars untergebracht werden mussten, kam das Veranstaltungsgeschäft zum Erliegen. Inzwischen konnten die Menschen größtenteils anderweitig untergebracht werden, fast alle Hangars sind wieder frei. Das Eventgeschäft kann Stück für Stück wieder hochgefahren werden: Die Hangars eignen sich zum Beispiel hervorragend für Messen, von denen 2018 bereits wieder einige stattfanden.
Besonders wichtig ist der Tempelhof Projekt GmbH die touristische Erschließung. „Wir beobachten, dass der Flughafen Tempelhof mehr und mehr zu einem touristischen Ort wird. Vor allem der Tower und das Alliiertenmuseum am westlichen Ende der Anlage sind als Besucherschwerpunkte prädestiniert", ist sich Jutta Heim-Wenzler sicher. Das Problem: Während die touristischen Hotspots im westlichen Teil des Gebäudekomplexes liegen, strömen die Menschen aber meist zum Ehrenhof. „Die Besucher stehen am historischen Haupteingang, sehen den Schriftzug ,Zentralflughafen‘ und wollen da auch rein." Bisher sei das nicht möglich, der Bau eines Besucherzentrums soll das ändern. Künftig sollen die Gäste dort empfangen und zu ihren Zielen gelotst werden. Noch in diesem Jahr wird eine Anlauf- und Informationsstelle als Ausgangspunkt für Führungen hergerichtet. In einem zweiten Schritt werden das Besucherzentrum weiter ausgebaut und eine Verbindung zur Haupthalle hergestellt.
„Das ist ein gigantisches und tolles Projekt"
Auch die Bauarbeiten für die Aussichtsplattform und den Tower West sollen bald beginnen. Sie sind jedoch sehr aufwendig – der Flughafen Tempelhof ist nie fertig geworden und in Teilen noch im Rohbau. „Man hat in der Kriegszeit unter schwierigsten Bedingungen gebaut, für das Gebäude existieren kaum Pläne, auch die Statik bereitet uns immer wieder Probleme. Wir müssen alles von Grund auf untersuchen, neu vermessen und viele Verbindungen des Stahl-Skelettbaus einfügen oder ersetzen", sagt Heim-Wenzler. Aber man komme gut voran, die Altlasten seien saniert, die Bauvorbereitungen auf der oberen Ebene, wo eine große Ausstellungsfläche entstehen soll, machen Fortschritte. „Jetzt können wir die eigentlichen Bauarbeiten ausschreiben. Wir hoffen, dass wir Ende 2020 dort die ersten Besucher begrüßen können", meint Heim-Wenzler. „Wenn alle Bauarbeiten abgeschlossen sind, können die Besucher anderthalb Kilometer auf dem Dach entlangwandern", schwärmt sie. „Die Erschließung des langen Dachs mit Blick zur Stadt und zum Feld ist ein gigantisches und tolles Projekt."
Derzeit verhandelt die Tempelhof Projekt GmbH mit dem Bund über einen Mietvertrag für das Alliiertenmuseum, das von Zehlendorf in den Flughafen Tempelhof umziehen soll. Ein ganzer Hangar wird dafür gebraucht. Auf einer deutlich größeren Fläche werde ein schönes neues Museum entstehen, das mit moderner Didaktik arbeitet, meint die Geschäftsführerin. Damit wäre der Tempelhofer Zentralflughafen um eine weitere Attraktion reicher. Touristen und Einheimische, die das weite Areal lieben, werden sich darüber freuen.