Die Blockchain-Technologie, die sich hinter Kryptowährungen wie dem Bitcoin verbirgt, hat das Potenzial, die Wirtschaft nachhaltig zum Positiven zu verändern, sagt die Kulturanthropologin Lena Papasabbas vom Zukunftsinstitut – wenn wir es zulassen.
Frau Papasabbas, was ist das Besondere an Kryptowährungen, und welche Vorteile bringen sie unserer Gesellschaft?
Kryptowährungen sind digitale Zahlungsmittel, die im Gegensatz zu herkömmlichen Währungen dezentral gesteuert werden. Es gibt also weder eine Bank, noch einen Vermittler, der einzelne Transaktionen überwacht oder zusätzliche Gebühren für Überweisungen verlangt. Alle Vorgänge werden durch ein Netzwerk von Nutzern kontrolliert, die zwar gleichzeitig agieren, jedoch vollkommen anonym bleiben. Dahinter steckt die sogenannte Blockchain-Technologie: Ein Netz von Computern, das Datensätze mithilfe kryptologischer Verfahren unveränderbar und dadurch besonders fälschungssicher aneinanderkettet. Ist eine Buchung erfolgt, kann diese nicht wieder rückgängig gemacht werden. Man muss sich das wie ein Buchungssystem vorstellen, in dem ein langes Protokoll vor den Augen aller Beteiligten kontinuierlich fortgeschrieben wird. Jeder kann alle Transaktionen, die je getätigt wurden, einsehen. Ausnahmslos. Und niemand steht alleine an der Schnittstelle und kann willkürlich ins Geschehen eingreifen. Und genau das macht zum Beispiel den Bitcoin so attraktiv: Er funktioniert ohne, dass man sein Geld in die Hände einer Bank oder eines Staates legen muss. Einzig der Technologie muss man vertrauen. Und das scheint in Zeiten von Vertrauensbrüchen wie dem Volkswagen-Skandal, der Finanzkrise oder den Panama Papers, für immer mehr Menschen die bessere Alternative zu sein.
Einige wurden mit dieser Haltung sogar schon zu Millionären.
Ja, genau. Ich habe einige Bekannte, die frühzeitig investiert haben und von der Wertexplosion des Bitcoins profitieren konnten. Aber das ist lange nicht alles. Kryptowährungen können die Welt zu einem besseren Ort machen – und nicht nur einige wenige Investoren reich. So arbeiten beispielsweise Experten aus der Musikbranche an einer blockchainbasierten Plattform, die eine gerechtere Verteilung von Künstlertantiemen ermöglicht. Die Idee: Der, der Musik hören will, bezahlt per Click mit einer digitalen Währung. Im gleichen Moment wird den Musikern, die an dem Musikstück beteiligt waren, automatisch ihr individueller Teilbetrag gutgeschrieben. Im Hintergrund agiert dann ein sogenannter Smart Contract. Das ist ein digitaler Vertrag, der ohne das Einwirken einer Steuerungsinstitution abläuft. Ob der vereinbarte Betrag ausgezahlt wird, wird nicht durch eine Institution geprüft, sondern automatisch veranlasst. Auch in Ländern, in denen viele Menschen kein Bankkonto besitzen – aktuell über ein Drittel der Weltbevölkerung – , können digitale Währungen eine echte Alternative zum üblichen Finanzdienstleistungssektor bieten. Dies gilt vor allem für Staaten mit guter Internetabdeckung und relativ hohem Bildungsniveau. In Kenia, Zimbabwe oder Südafrika zum Beispiel ist das Bezahlen mit dem Handy längst gang und gäbe.
Heißt das, dass Kryptowährungen herkömmliche Währungen wie zum Beispiel unser Bargeld in naher Zukunft verdrängen könnten?
Die Bedeutung von Kryptowährungen als Zahlungsmittel nimmt zwar zu, noch ist das Thema Bitcoin für die breite Masse aber schwer zugänglich. Es fehlen Anwendungsbeispiele im Alltag sowie Apps und Programme, die das technologiegetriebene Thema vereinfachen. Es gibt zwar bereits viele Ideen, die meisten befinden sich derzeit aber noch in der Entwicklung. Außerdem ist ungeklärt, wie man mit dem immensen Energieverbrauch der Blockchain-Technologie umgehen soll –
der Betrieb des Bitcoin-Systems wird in 2018 angeblich genauso viel Strom verbrauchen wie ganz Argentinien. Hinzu kommt die geringe Geschwindigkeit der Krypto-Transaktionen. Der Prozess ist zwar schneller als Auslandsüberweisungen zum Beispiel über Western Union. Um eine Zeitung am Kiosk zu bezahlen, sind sie aber noch deutlich zu langsam. An eine völlige Ablösung unserer Zahlungsmittel durch den Bitcoin ist also erst einmal nicht zu denken – das gilt besonders für unser Bargeld. Hinsichtlich Transparenz und Anonymität hat das dem Bitcoin doch noch einiges voraus.
Wie muss sich die Gesellschaft verändern, um Kryptowährungen effektiv nutzen zu können?
Wie bereits gesagt ist eine der wichtigsten Eigenschaften von digitalen Währungen deren dezentrale Verwaltung. Sie bedarf einer ganz neuen Art zwischenmenschlicher Kooperation, die nur dann möglich ist, wenn sie von Menschen akzeptiert und gelebt wird. Damit die Blockchain-Technologie ihr gesamtes Potenzial entfalten kann, ist also jeder Einzelne gefragt. Dinge nutzen und teilen, anstelle sie zu besitzen, ist hier ein wichtiger Erfolgsfaktor. Und wenn man genau hinschaut, sind wir hier bereits auf einem guten Weg. Sichtbar wird das bereits bei ganz einfachen Dingen: Menschen stellen ihr Werkzeug innerhalb der Nachbarschaft zur Verfügung, sodass es auch von anderen genutzt werden kann, bilden Fahrgemeinschaften oder teilen Grünflächen zur Bepflanzung oder Naherholung. Aber auch die zunehmende Nutzung von Portalen wie Airbnb, Uber, Blablacar oder Tinder zeigt, dass wir uns bereits mitten im Umdenkprozess befinden. Menschen vertrauen nicht mehr einer Person im Speziellen sondern einer Gemeinschaft, die sich über digitale Strukturen organisiert, und ebnen dadurch den Weg für nachhaltige Blockchain-Anwendungen, die unsere Wirtschaft zum Positiven verändern könnten.