Noch denken die wenigsten an Nachhaltigkeit, wenn sie eine Reise buchen. Doch von Veranstaltern und Hoteliers gibt es längst eine Reihe unterschiedlicher Angebote, ressourcenschonend unterwegs zu sein oder entstandene Schäden zu kompensieren.
Es geht um nichts Geringeres als um den Schutz von rund einer Million Meeresschildkröten auf den Kapverden, in Griechenland und in der Türkei. Ihnen droht in freier Wildbahn kurz nach dem Schlüpfen höchste Lebensgefahr auf ihrem Weg über den Strand ins rettende Meer. Das „Turtle Aid"-Projekt der Tui Care Foundation auf den Kapverdischen Inseln Sal und Boa Vista hilft den Baby-Schildkröten. Sie schlüpfen im Schutz von Brutanlagen, sogenannten Hatcheries, werden von Mitarbeitern aufgesammelt und an dunklen Stränden in Richtung Meer geschickt. Rund 80.000 kleine Schildkröten konnten hier bereits aufgezogen und in die Wildnis entlassen werden. Das ist eines von mehreren Naturschutzprojekten des größten deutschen Reiseveranstalters, das durchaus auch touristisches Potenzial hat – schließlich können die Gäste der Hotelanlagen auf Sal Ausflüge zu den Umweltschützern buchen, vor Ort für die Schildkröten spenden oder auch eine Patenschaft übernehmen.
Der Schutz von Elefanten in Tansania, von Berberaffen in Marokko oder Geparden in Kenia, jeweils in Zusammenarbeit mit Experten und Organisationen vor Ort, ist aber nur ein Teil des Tui-Engagements im Bereich Nachhaltigkeit. Eine über fünf Jahre laufende Strategie soll den CO2-Ausstoß des gesamten Unternehmens bis 2020 um zehn Prozent verringern.
Dabei geht es um vier Schwerpunkte. Unter dem Motto „Step lightly" setzt Tui ab 2019 die Boeing 737 MAX ein, die weniger Emissionen verursacht als ihre Vorgänger. Zudem will das Unternehmen bei Tourismuspartnern in den Urlaubsorten selbst ein ökologisches Umdenken anstoßen. Drittens geht es um die Kooperation mit Initiativen und Projekten vor Ort, damit lokal produzierte Lebensmittel einen höheren Stellenwert in den Hotels bekommen. Und schließlich will Tui Hotelfachschulen in afrikanischen, asiatischen oder auch mittelamerikanischen Ländern aufbauen und unterstützen.
Natur- und Umweltschutz, schonender Umgang mit Ressourcen, Stärkung der lokalen Wertschöpfung in den Urlaubsgebieten – das ist auch ein Anliegen von Futouris. Hier haben sich mehr als 20 Unternehmen und Akteure aus dem Bereich Tourismus zusammengeschlossen. Dazu gehören unter anderem Reiseveranstalter wie Öger Tours, die Nordseeinsel Juist, die bis 2030 klimaneutral sein will, oder der Loro Parque, ein Papageienpark auf Teneriffa.
Regionale Initiativen im Urlaubsgebiet bringen Erfolge
Die Schwerpunkte der einzelnen Partner sind recht unterschiedlich – Juist beispielsweise wirbt bei den Besuchern für eine klimaneutrale Anreise, fördert auf der Insel selbst die Gebäudedämmung und lässt Müll per Pferdekutsche abtransportieren. Der Türkei-Reiseveranstalter Öger Tours unterstützt Projekte im Bereich „Soustainable Food" – dabei geht es einerseits darum, die Lebensmittelverschwendung einzudämmen, und andererseits das Bewusstsein für regionale Lebensmittel bei Hoteliers und Gästen zu stärken.
Bei solchen oder ähnlichen lokal angesiedelten Projekten lassen sich für Professor Bernd Stecker von der Hochschule Bremen noch am besten Ergebnisse nachweisen. Natürlich höre sich manche Projektbeschreibung zunächst kurios an, sagt der Experte für nachhaltige Entwicklung in Freizeit und Tourismus. Die Erfahrungen aber zeigten, dass beispielsweise gemeindebasierter Tourismus tatsächlich dazu führe, dass die hier erzielten Einnahmen auch vor Ort blieben und dass sich durch solche Projekte auch Verbesserungen für die einheimische Bevölkerung einstellten. Auch die Zusammenarbeit von großen Playern der Branche mit einheimischen NGOs sei oft sehr erfolgreich. Doch viele der manchmal groß beworbenen Nachhaltigkeitsprojekte dienten eher der Imagepflege, schränkt Stecker ein.
Während regional einiges an Schäden aufgefangen werden kann, sind Fernreisen an sich schon problematisch. Denn Flugzeuge, Pkw und besonders Kreuzfahrtschiffe stoßen CO2, Stickoxide und Rußpartikel aus – und sorgen so für einen erheblichen Anteil bei den Treibhausgasen. Nach letzten Berechnungen ist der Tourismus für zehn bis zwölf Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Als einen der „Hauptübeltäter" macht Stecker, nicht überraschend, den Flugverkehr aus. Der Einsatz modernster emissionsarmer Maschinen bei einigen Veranstaltern werde durch ältere Maschinen, die von anderen Airlines eingesetzt werden, wieder zunichtegemacht.
Aber auch durch das stetige Wachstum des Marktes schädige sich der Tourismus selbst. Denn anstatt bei den Kunden ein Bewusstsein für die „Nebenwirkungen des Reisens" zu wecken, würden nur allzu häufig neue Angebote auf den Markt geworfen, die wiederum eine stärkere Nachfrage erzeugten.
„Overtourism" heißt das Stichwort – und das bezieht sich nicht nur auf die genervten Bewohner Barcelonas, Berlins und Amsterdams, die von Touristenmassen überrannt werden. Auch antike Stätten und malerische Landschaften, die unter dem Ansturm von viel zu vielen mit Flip-Flops oder High Heels beschuhten Besuchern leiden, sind betroffen. Küstenabschnitte werden verbaut, Lebensräume von Tieren und Pflanzen zerstört.
Nach dem neuesten Index sei die Artenvielfalt mittlerweile um 50 Prozent gesunken, sagt Bernd Stecker. Hotelbauten in sensiblen Küstenregionen vernichteten wichtige Lebensräume für bestimmte Arten, Boots- und Tauchtourismus zerstörten Korallenriffe. Und nach wie vor gebe es zu wenige touristische Produkte, die sich eine ökologische und soziale Verantwortung auf die Fahne schrieben.
Onlinemarktplatz für umweltbewusste Touren
An diesem Punkt setzt der französische Anbieter Evaneos an, der vor wenigen Tagen als „Start-up des Jahres 2017 in Frankreich" ausgezeichnet wurde. Firmenmitgründer Eric La Bonnardière, der sich selbst als Weltenbummler bezeichnet, ärgerte es auf seinen Reisen, dass die Menschen vor Ort nur selten vom Tourismus profitierten. Das wollte er ändern und gründete 2009 mit seinem Freund Yvan Wibaux den Online-Marktplatz Evaneos. Herzstück des Konzepts ist die Zusammenarbeit mit rund 1.200 lokalen Experten. Sie bieten Unterkünfte, Tourenvorschläge und Ausflüge abseits der üblichen Touristenpfade und engagieren sich größtenteils selbst in ökologischen oder sozialen Projekten in ihren Heimatländern. So wie Marie-Sophie auf den Philippinen – ihre Agentur arbeitet eng mit der Nichtregierungsorganisation Gawad Kalinga zusammen, die unter anderem eine eigene Farm betreibt. Hier können Touristen übernachten und mitarbeiten. Damit bekommen sie das Leben in einem philippinischen Dorf hautnah mit, helfen bei der Produktion von Erdnussbutter und pflanzlichen Ölen und bringen sich in der Grundschule des Dorfes bei der Nachmittagsbetreuung ein. Was offenbar von Gästen aus Frankreich, Spanien und Deutschland – den Bewertungen auf der Seite der Agentur zufolge – begeistert angenommen wird.
Noch aber sind die Touristen, die in ihrem Urlaub wirklich authentische Erfahrungen machen und einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen möchten, deutlich in der Minderzahl. Ebenso diejenigen, die sich allein aus ökologischen Beweggründen gegen eine Fernreise entscheiden. Da müsste sich in der Tat noch einiges ändern, findet Experte Bernd Stecker – ein Umdenken beispielsweise hin zum Urlaub im eigenen Land.
Wenn mehr Angebote mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln zu Zielen in einer Entfernung von 600 bis 700 Kilometern genützt würden, dann helfe auch das dem Klima, und der Tourismus werde so ein bisschen nachhaltiger.