Dreimal Herzstillstand. Ein halbes Jahr an Maschinen. Herztransplantation. Sechs Jahre später absolviert Elmar Sprink einen Ironman nach dem anderen. Nun will der Leistungssportler anderen Mut machen.
Seine Frau hat Elmar Sprink mit zwei verschiedenen Herzen geheiratet. Kirchlich 2011 mit seinem eigenen – und standesamtlich Ende 2012 mit einem Spenderherz nach seiner Transplantation.
Die kirchliche Hochzeit, sagt er, sei keineswegs der schönste Tag seines Lebens gewesen. Denn zu dem Zeitpunkt konnte der IT-Manager schon kaum mehr gehen. Sein eigenes Herz wurde aus unerfindlichen Gründen immer schlechter. „Ich war mehr tot als lebendig." Nach drei Herzstillständen und Monaten an Maschinen bekam der heute 46-jährige Wahl-Kölner und Extremsportler 2012 ein Spenderherz.
Seitdem hat er vier seiner elf Ironman-Rennen absolviert. 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und ein Marathon – für die meisten Gesunden kaum vorstellbar. Mit elf Stunden war er nach eigener Angabe Schnellster von weltweit einem halben Dutzend Athleten mit Spenderherz. An die 30 Marathons hat er gemacht, etwa die Hälfte mit dem einen und die Hälfte mit dem anderen Herzen. Kürzlich lief er 257 Kilometer und 15.700 Höhenmeter von Garmisch-Partenkirchen nach Brixen: fast sieben Marathons in sieben Tagen.
Für Ärzte ist er ein Ausnahmepatient – aber keineswegs ein besonders unvernünftiger. „Es spricht grundsätzlich nichts dagegen. Es wird ja ein gesundes Herz transplantiert, das in der Lage ist, den Belastungen standzuhalten", sagt der Herzchirurg und stellvertretende Ärztliche Leiter am Universitären Herzzentrum Hamburg, Hermann Reichenspurner, über den Sport. Die meisten Transplantationspatienten seien lange herzkrank gewesen, Sport nicht gewöhnt und bewegten sich zu wenig. Dabei könne Sport auch ein Spenderherz gesund erhalten.
Für mehr Bewegung und Optimismus warb Sprink auch beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) in München. Ein Thema bei dem fünftägigen Treffen, zu dem 31.000 Teilnehmer kamen, war auch die Betreuung von Menschen vor und nach einer Transplantation.
„Ich musste wieder sitzen lernen"
Er habe sich nach dem Eingriff immer wieder erreichbare Ziele gesetzt, berichtet Sprink. Anfangs waren das 500-Meter-Läufe. „Jetzt mache ich gerade die Ironman-Kämpfen, die ich mit meinem alten Herz gemacht habe." In Klagenfurt, wo er vor acht Jahren aufgeben musste, war er im Juli. In Arizona lief er vor zehn Jahren seine Bestzeit von zehn Stunden 15 Minuten. Im November will er dort antreten, wenn er einen Startplatz bekommt. „Das würde mich reizen." Beim Marathon sei er besser als früher. Knapp über drei Stunden braucht er für die gut 42 Kilometer.
Mit 30 Jahren hatte Sprink zu laufen begonnen. Bald startete er zu Ironman-Rennen, in Frankfurt, in Kanada, in den USA – bis er in Klagenfurt 2010 plötzlich nicht mehr konnte. Zehn Tage später blieb sein Herz stehen. 39 Jahre alt war er und scheinbar topfit – doch eine Reha nutzte nichts, niemand konnte ihm helfen. Am Ende war er für sieben Monate an künstliche Herzpumpen und ans Bett gebunden. „Ich musste danach wieder sitzen lernen, gehen, stehen." Ein Jahr dauerte der Weg zurück ins Leben. Aber: „Die fünf Jahre, die ich seitdem gelebt habe, waren intensiver als die davor."
Nun wolle er anderen Mut machen, sie motivieren – und sich einsetzen für eine Gesetzesänderung bei Organspenden, sagt Sprink, der seine Geschichte in dem Buch „Herzrasen 2.0." veröffentlicht hat. Denn weiterhin gibt es in Deutschland viel zu wenig Spenderorgane.
Rund 260 Menschen bekommen laut Reichenspurner in Deutschland jährlich ein Spenderherz. Aber: „Wir haben dreimal so viele Leute auf der Warteliste." Jeder fünfte stirbt, bevor ein Spender gefunden ist. In Deutschland gebe es so wenige Spender wie sonst nirgends in Europa. „In Deutschland muss sich politisch etwas ändern. Wir sind das Schlusslicht", sagt Reichenspurner.
Er, Sprink und viele Experten setzen sich für die Widerspruchsregel ein, die schon in vielen Ländern gilt: Jeder ist potenzieller Spender, wenn er nicht ausdrücklich widerspricht. Reichenspurner kritisiert auch, dass oft wegen des hohen Aufwands ein Organ nicht entnommen werde. „Es muss professionelle Transplantationsbeauftragte geben, die sich in den Kliniken darum kümmern."
Bei rohen Speisen drohen Keime
Vor 50 Jahren setzte der Chirurg Christiaan Barnard in Kapstadt mit der weltweit ersten Herztransplantation einen Meilenstein in der Medizingeschichte. Doch der Patient starb nach 18 Tagen an einer Lungenentzündung. Viele der ersten Patienten überlebten nur Tage oder Wochen. Erst als neue Therapien die Abstoßreaktionen minderten, wurde der Eingriff in den 80er-Jahren zur Standardoperation. Empfänger müssen lebenslang Medikamente nehmen, sich vor Infektionen hüten und beim Essen aufpassen – in rohen Speisen drohen Keime. Er müsse eben „essen wie eine Schwangere", sagt Sprink. Der Kampf um sein Leben ist nicht ganz spurlos an ihm vorübergegangen. Bis heute wacht er nachts manchmal auf, gerät unter Stress. Sport helfe ihm, das zu überwinden.
Fünf Jahre nach der OP leben laut Deutscher Stiftung Organtransplantation noch etwa zwei Drittel der Empfänger. Reichenspurner spricht sogar von 75 Prozent. Nach zehn Jahren lebe noch gut die Hälfte. „Wer es so lange schafft, hat eine gute Prognose", sagt Reichenspurner. Der erste in Deutschland am Klinikum Großhadern erfolgreich transplantierte Patient hatte sein Herz 1981 bekommen – und 34 Jahre damit gelebt. Bei etwa der Hälfte der Patienten gibt es aber eine chronische Abstoßungsreaktion. Im Schnitt gehen Experten von einer Lebenserwartung von 15 Jahren aus.
„Ja, daran denke ich schon", sagt Sprink. „Aber dann denke ich, dass ich der fitteste Mensch der Welt mit einem Spenderherz bin." Vor allem: „Ich genieß die Zeit. Weil ich weiß, dass sie nicht ewig ist."