Soja ist mittlerweile die Nutzpflanze, deren Anbaumenge weltweit am schnellsten wächst. Und es ist davon auszugehen, dass die Produktion weiter zunehmen wird. Um Platz für den Anbau zu haben, wurden in Südamerika große Teile des Regenwaldes abgeholzt. Dabei gäbe es durchaus Alternativen.
Tofu, Sojamilch und Sojasoße – das sind vermutlich die Produkte, die Verbrauchern beim Stichwort Soja als Erstes in den Sinn kommen. Die Pflanze wird vor allem in der vegetarischen und veganen Ernährung gern als proteinreiches Lebensmittel verwendet. Fleisch wird dagegen wohl nur den wenigsten einfallen, dabei wird ein Großteil des weltweit angebauten Sojas zur Tierfütterung verwendet. Die amerikanische Universität Illinois hat kürzlich in einer Studie für die US-Regierung ausgerechnet, dass lediglich zwei Prozent zu Lebensmitteln verarbeitet werden – 98 Prozent landen als Futtermittel in den Tiertrögen. Um den weltweiten Bedarf zu decken, werden insbesondere in Südamerika weite Teile des Regenwaldes gerodet, um auf den Flächen stattdessen Soja anzubauen.
Die Folgen für die Umwelt sind gravierend. Der Hamburger Diplom-Biologe Tom Deutschle, Gründer der Initiative „Faszination Regenwald", hat es einmal so auf den Punkt gebracht: „Unsere Nutztiere fressen buchstäblich den Regenwald", sagte er.
Nach Angaben der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, wurde 2016 weltweit auf über 121 Millionen Hektar Land Soja angebaut. In Südamerika waren es 58 Millionen Hektar, davon allein in Brasilien 33 Millionen Hektar – eine Fläche fast so groß wie Deutschland. In Brasilien ist die Gesamtanbaufläche für Soja seit 2010 um zehn Millionen Hektar gewachsen, seit 2002 hat sie sich mehr als verdoppelt. Soja ist mittlerweile die Nutzpflanze, deren Anbaumenge weltweit am schnellsten wächst. Und es ist davon auszugehen, dass im Zuge weiterer wirtschaftlicher Entwicklung vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern und dem damit einhergehenden wachsenden Fleischkonsum die Sojaproduktion weiter zunehmen wird.
Eine Fläche fast so groß wie Deutschland
Die Folgen? Große Teile des Regenwaldes wurden abgeholzt und lassen sich in dieser Form auch nicht wiederherstellen. Der Welt geht damit einer der wichtigsten CO₂-Speicher verloren. Das in der Vegetation der Regenwälder gebundene Kohlendioxid wird in großen Mengen freigesetzt, entweicht in die Atmosphäre und treibt die globale Erwärmung weiter voran. Fast noch schlimmer ist aus Sicht von Tanja Dräger de Teran, Referentin für nachhaltige Landnutzung, Klimaschutz und Ernährung bei der Umweltschutzorganisation WWF (World Wide Fund For Nature), dass auch die Böden infolge der Soja-Monokulturen völlig degradiert sind. „Da lebt nicht mehr viel wegen der ganzen Chemikalien", sagt sie mit Blick auf die massenhaft verwendeten Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat. „Bei Böden reden wir allerdings nicht von Jahrzehnten, bis sie sich erholen, sondern von mehreren zehntausend Jahren."
Und es ist nicht nur der Regenwald, der leidet. Betroffen sind auch andere Ökosysteme wie die artenreiche Cerrado-Savanne, ein tropischer Trockenwald und das zweitgrößte Ökosystem Südamerikas. Es handelt sich um eine der artenreichsten Savannen weltweit. Die Region beherbergt etwa fünf Prozent der biologischen Vielfalt der Erde und bietet unter anderem dem Großen Nandu, dem Jaguar und zahlreichen Ara-Arten eine Heimat. Die Cerrado-Region ist derzeit sogar am stärksten betroffen und an einigen Orten schon weitgehend zerstört. Das hat nicht nur Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt, sondern auch für die Menschen, die dort leben.
Ein Grund für den wachsenden Soja-Anbau ist, dass in der EU seit dem BSE-Skandal kein Tiermehl mehr an Tiere verfüttert werden darf und deshalb Soja als Alternative stärker gefragt ist. Der Hauptgrund ist jedoch der stetig steigende Fleischkonsum. Die Deutschen essen heute doppelt so viel Fleisch wie vor 100 Jahren, im Schnitt 83 Kilogramm pro Jahr. Das ist im Übrigen doppelt so viel, wie es aus Sicht vieler Ernährungsexperten vertretbar wäre. Aber je mehr Fleisch gegessen wird, desto mehr Anbaufläche muss für Soja geschaffen und umso mehr Regenwald gerodet werden.
Es sind also mitnichten die Veganer und Vegetarier, die, wenn auch indirekt, für die Abholzung des Regenwalds verantwortlich gemacht werden können. Tatsächlich stammen die Sojabohnen, die hierzulande für die Lebensmittelproduktion verwendet werden, hauptsächlich aus Deutschland, Österreich und Osteuropa, manchmal auch aus China oder Kanada.
Durch heimische Futtermittel ersetzen
Die Sojabohne enthält besonders viel pflanzliches Eiweiß – der Eiweißgehalt beträgt 36 Prozent –, zudem Eisen, Magnesium und andere Mineralstoffe. Deshalb fördert sie das Wachstum im besonderen Maße – und deshalb spielt sie auch in der Massentierhaltung eine so große Rolle. Soja wird vor allem an Schweine und Geflügel, aber auch an Rinder verfüttert. Soja im Futter ermöglicht es den Landwirten, schnell und billig zu produzieren und somit mehr Gewinn einzufahren. Der frühere Bundesumweltminister Sigmar Gabriel meinte bereits 2008: „Die Profiteure der Regenwaldabholzung sind weit mehr die deutschen Bauern als die brasilianischen Landwirte."
Es ist vor allem Deutschland, das vom Soja-Anbau in Südamerika profitiert. Zusammen mit Frankreich gehört die Bundesrepublik zu den Hauptabnehmern von brasilianischen Sojabohnen und argentinischem Sojaschrot. Deutschland ist nicht nur Exportweltmeister für Schweinefleisch, sondern auch Import-weltmeister für Soja. Demzufolge ist es den hiesigen Fleischproduzenten möglich, Fleisch zu einem extrem günstigen Preis anzubieten. Denn nach wie vor sind viele Kunden nicht bereit, für Fleisch, das mit Rücksicht auf die Umwelt produziert wurde, auch entsprechend mehr zu bezahlen. Der Anteil von Biofleisch an der Gesamtnachfrage beträgt hierzulande gerade einmal zwei Prozent.
Der WWF arbeitet deshalb nicht nur auf agrarpolitischer Ebene, um beispielsweise durchzusetzen, dass nur noch nachhaltige Landwirtschaft gefördert wird, sondern versucht ganz besonders, auch den Konsumenten klarzumachen, welche Folgen unsere derzeitigen Ernährungsgewohnheiten für die Umwelt haben. Zudem weist die Organisation auf Alternativen zum massenhaften Import von Soja aus Südamerika hin: Erbsen zum Beispiel, Ackerbohnen und Lupinen, Rapsschrot, Rotklee und Luzerne. Studien haben gezeigt, dass rund 65 Prozent des heute importierten Sojas unter jetzigen Voraussetzungen und Tierbeständen durch heimische Futtermittel ersetzt werden könnten. Beim Milchvieh könnte nach Berechnungen des WWF sogar 100 Prozent des eingesetzten Sojas durch hiesige Futtermittel ersetzt werden.