Ob bei Magazinen wie „Vogue", „Elle", „GQ", Stars wie Sophia Thiel oder Brands wie Christ und Universal Music – Dan Carabas ist gefragt, wenn es um atemberaubende, ästhetische Beauty- und Fashion-Aufnahmen geht. Im Interview plaudert der Fotograf aus Berlin aus dem Nähkästchen und spricht über seinen Beruf, Fotos und Projekte.
Herr Carabas, wie sind Sie zur Fotografie gekommen?
Mit ungefähr 14 Jahren habe ich eine alte analoge Kamera meines Vaters gefunden. Es war eine russische Zenit, mit der er in Rumänien in seinen Zwanzigern semi-professionell fotografierte. Sie hatte nur ganz wenige Einstellräder für Zeit, ISO und die Blende, die man am Objektiv regeln konnte. Ich verstand damals nichts davon, aber wusste irgendwie, dass man mit den richtigen Einstellungen ein gut belichtetes Foto hinbekommt. Ich kaufte mir einen Schwarz-Weiß-Film, legte ihn ein und probierte bei jedem Foto eine andere Kombination. Nach dem Entwickeln konnte man auf ein paar Bildern etwas erkennen, das war für mich damals unglaublich faszinierend. Natürlich gab es schon Kameras, die alles automatisch regelten, aber das interessierte mich alles nicht, ich wollte unbedingt wissen, was da genau passiert, wenn ich an dem einen oder anderen Rad drehte. Der nächste Schritt war dann, ein interessantes Motiv zu finden. Anfangs ging ich raus und fotografierte Blumen oder kleine Statuen auf einem Friedhof. Als ich dann aber meine Kamera mit zu einer guten Freundin nahm und spontan Porträtfotos von ihr machte, hatte mich die Faszination gepackt. Ich wusste in dem Moment, das ich hauptsächlich Menschen fotografieren möchte. Es war und ist für mich nach wie vor ein magischer Moment, wenn ich meine Kamera auf ein Gesicht richte und das Bild langsam scharf stelle. Später fiel mir ein Buch von Helmut Newton in die Hand – seine Autobiografie. Danach wusste ich, was ich in meinem Leben machen wollte.
Ihre Fotos sind höchst professionell. Wie haben Sie das fotografische Know-how erlernt?
Ich habe mir schon sehr früh alles selbst beigebracht, meine Neugier kannte da keine Grenzen. Eine Kamera folgte der anderen, die Technik wurde komplizierter und ich fing sogar an, in einer Dunkelkammer Filme zu entwickeln und meine eigenen Abzüge zu erstellen. Das alles noch während der Schule, für die ich mir nicht so viel Zeit nahm. Nach dem Abitur kam ein Fotografie-Studium nicht wirklich infrage. Ich kannte die Technik, wusste genau, welcher Bereich der Fotografie mich interessierte – Mode und Beauty – und konnte mir nicht vorstellen, was man vier bis sechs Jahre an einer Universität lernen sollte. Mein Ziel war es, den richtigen Fotografen zu finden, für ihn zu assistieren und all das zu lernen, was ich noch brauchte, um meine eigenen Aufträge zu bekommen. Dies gelang mir dann auch nach kurzen Aufenthalten in Hamburg, Berlin und München und letztlich in Wien. Dort lernte ich eine italienische Modefotografin kennen, die bereit war, mich als ahnungslosen Assistenten unter ihre Fittiche zu nehmen. Wir fotografierten Editorials und Kampagnen in ganz Europa, und ich lernte zum ersten Mal das Modebusiness samt seinen Komplikationen kennen. Sie half mir auch schon sehr früh, mein eigenes Portfolio zu entwickeln, mit dem ich dann auf eigene Kundensuche ging. Während meiner drei Jahre in Wien verbrachte ich auch einmal sechs Monate in New York und hatte das Glück, bei „artpartner", einer der renommiertesten Agenturen für Fotografen, als Büropraktikant zu jobben. Dort begriff ich, dass Wien nicht der richtige Startpunkt für eine internationale Fotografenkarriere war. Als ich später dann nach Paris zog, arbeitete ich ein paar Monate im berühmten Le Studio Rouchon. Obwohl ich schon ein gutes Portfolio und einige Kunden hatte, gab ich mich als Assistent aus und bekam dort einen Platz als unbezahlter Praktikant. Ich war quasi der Assistent des Studioassistenten – das ist in der Nahrungskette am Set das letzte Lichtlein. Ich durfte die Kühlschänke füllen, Kaffee und Tee kochen, mittags für das ganze Team den Tisch decken und natürlich ganz viel Equipment aus dem Lager zum Set bringen. Das Licht am Set mitaufzubauen war nicht mal immer erlaubt, jeder Star-Fotograf hatte ja sein eigenes Team an festen Assistenten dabei. Wir vom Studio waren da nur die Gehilfen. Ich arbeitete dort jeden Tag zirka zehn Stunden, war morgens der Erste, der am Set sein musste und abends der Letzte, der noch den Müll rausbrachte. Wenn eine Produktion mehrere Tage und über das Wochenende ging, musste ich da auch dabei sein und am nächsten Montag dann wieder im Studio antreten, auch wenn ich gar keiner neuen Produktion zugeordnet war. Trotz der harten Arbeit, den langen Wochenenden ohne Pause und der Tatsache, dass ich nichts verdiente, keine Aufträge annehmen konnte und ein teures Leben in Paris finanzieren musste, verlängerte ich mein Praktikum nach drei Monaten noch mal um weitere drei unbezahlte Monate. Rückblickend betrachtet waren das wohl die härtesten sechs Monate in meiner Laufbahn, aber sicher auch die wichtigsten. Mit den größten Star-Fotografen der Welt am Set zu sein, zu beobachten, wie sie mit Kunden wie der „US Vogue" und Model-Superstars wie Laetitia Casta umgehen, wie sie ihr Licht aufbauen und ein 20-köpfiges Team so dirigieren, das am Ende unglaubliche Bilder entstehen, war für mich einfach eine unbezahlbare Erfahrung. Danach wusste ich eine Sache ganz genau: Auch die größten Stars der Fotografie arbeiten einfach nur mit Licht und Schatten. Damit war für mich mental der Weg frei, meine eigene Karriere zu starten.
Was waren Ihre ersten Aufträge?
Anfangs in Wien fotografierte ich alles, was Geld oder Erfahrung brachte – von Glühbirnen für einen Onlineshop bis zu Pressefotos, die der Agentur aber immer zu dunkel und zu körnig waren. Mein analoger Look kam da einfach nicht so gut an. Ich besuchte mit meinem Portfolio jedes Magazin und jeden kommerziellen Kunden, der mir einen Termin gab. Mit der Zeit wurden mehr Magazine auf mich aufmerksam, aber richtig große Aufträge bekam ich erst nach meinem Umzug nach Paris.
Sie fotografieren unter anderem Strecken für internationale Modemagazine wie „Vogue", „Elle" oder „Harper’s Bazaar" und Kampagnen für renommierte Firmen wie Christ oder Universal Music. Wie gestaltete sich Ihr Weg dorthin, wie kamen die Kontakte zustande?
Eins führte immer zum anderen. Mit jedem Job stiegen die Anforderungen und die Zahl der Kontakte, die wiederum zu neuen Jobs führten. Ich kann mich noch erinnern wie mich eines Tages ein Verlag anrief, um eine große Kampagne für ein riesiges Möbelhaus zu shooten. Ein Editorial hatte ihnen so gut gefallen, dass sie mich für die Kampagne wollten. Ich hatte bis dahin nur kleine Shootings umgesetzt mit maximal einem Shooting-Tag und kleinen Budgets. Jetzt ging es um eine einwöchige Produktion mit riesigem Set und mehreren Models. Bis dahin hatte ich keine Ahnung was es bedeutet, eine Kampagne zu shooten. Man könnte sagen, dass eine Zeit lang jeder Job weit außerhalb meiner Komfortzone war und ich sehr schnell hineinwachsen musste, um den Anforderungen gerecht zu werden.
Wie viel Zeit nimmt die Bearbeitung eines Beauty-Fotos ungefähr in Anspruch? Was verändern Sie alles an Fotos?
Das kommt ganz auf die Verwendung und den Kunden an. Ein Bild einer Schmuckkampagne zu retuschieren, kann gerne mal mit Korrekturen einen halben Tag dauern. Dabei geht es nicht darum, das man viel verändert, sondern dass man so gekonnt arbeitet, dass man die Retusche gar nicht sieht. Keiner will heute tot retuschierte Bilder sehen. Trotzdem ist mir die Retusche sehr wichtig, es geht aber mehr um den finalen Look eines Bildes. Sättigung, Kontrast und Farbstimmung sind sehr empfindliche Komponenten bei der Postproduktion.
Wie muss ein Bild sein, damit Sie zufrieden sind?
Es muss eine gewisse Harmonie haben. Ich bin nicht sehr musikalisch, aber mir gefällt hier der Vergleich zur klassischen Musik. Man kann ein Stück auf viele verschiedene Arten spielen, jedoch wird es nur dann ein wahres Meisterwerk, wenn man die richtigen Noten trifft. So ist das für mich auch mit der Fotografie. Ich mache manchmal 100 Bilder von einem Look, aber nur eines davon trifft die richtige Balance zwischen der Emotion, der Pose und dem richtigen Licht im richtigen Augenblick.
Haben Sie ein Faible für spezielle Model-Typen, Farben oder Details?
Eigentlich nicht, aber ich stelle manchmal fest, dass ich über längere Zeit zu einem gewissen Look neige. Meine Models sind dabei sehr unterschiedlich, aber die Art, wie ich das Licht setze, ähnelt sich oft in gewissen Phasen. Es gibt auch Farben, die in solchen Phasen dominieren, bei meinen älteren Tageslichtaufnahmen kannte ich eine Zeit lang nur Schwarz-Weiß-Bilder. Langsam kamen auch Farbbilder dazu, allerdings hatten sie alle einen leichten Magenta-/Blaustich. Heute tendiere ich zu einem leichten Blaustich in den dunklen Tönen eines Bildes.
Welche waren Ihre außergewöhnlichsten und verrücktesten Shootings?
Das ist nicht so leicht, jedes Shooting ist immer einmalig und damit auch etwas ganz Besonderes. In der intensiven Zusammenarbeit mit Menschen vor und hinter der Kamera entstehen immer Prozesse, die so nicht wiederholbar sind. Manchmal läuft es leichter von der Hand und die Bilder sehen sofort richtig gut aus. Da weiß man nach dem ersten Look, dass einfach alles passt, das richtige Model zum richtigen Thema, der oder die richtige Make-up-Artist oder -Artistin, und dann sitzt auch noch das Licht. Vor Kurzem habe ich zum Beispiel eine Beauty Story geshootet, bei der wir mit Porzellanmasken gearbeitet haben. Die Masken ließ ich extra von einem Porzellan-Künstler in Berlin anfertigen. Als Vorlage dafür brachte ich ihm einfach einen Styroporkopf, den Frisöre für Perücken benutzen. Da wir die Masken nur in Stücken zersprungen nutzen wollten, war das völlig ausreichend. Ich hatte ein asiatisches Model gebucht, da ich die Story für den asiatischen Markt produzieren wollte. Als wir dann die Porzellanmasken in Stücke schlugen, um mit den Teilen ihr Gesicht abzudecken, stellten wir fest, dass sie perfekt in die Masken passte, so als hätten wir extra einen Abdruck von ihrem Gesicht gemacht. Ein Foto aus der Serie, bei dem sich die halbe Maske wie angegossen an ihr Gesicht anschmiegt, ging dann auf Social Media um die Welt. Da entstehen manchmal ganz magische Momente, und das Ergebnis ist dann entsprechend beeindruckend. Ich glaube selbst wenn wir die Masken geplant nach ihrem Abdruck angefertigt hätten, wäre es nicht so perfekt geworden. Der Zufall spielt manchmal einfach eine große Rolle.
Haben Sie Lieblingsfotos von sich? Welche sind es und warum?
Auch wieder nicht so einfach, ich fotografiere seit circa 20 Jahren, da kommen natürlich einige Bilder zusammen. Ich kann mich noch gut an mein allererstes Porträt erinnern. Ich habe es damals auch selbst entwickelt, das macht emotional schon noch mal einen Unterschied. Aber ein richtiges Lieblingsfoto gibt es nicht, es ist eher eine Reihe von Bildern, die über die Zeit herausstechen. Vielleicht mache ich ja mal eine Ausstellung damit.
Welche Projekte und Shootings stehen bei Ihnen an?
Ich plane gerade wieder einen längeren Aufenthalt in New York, die Stadt ist einfach extrem inspirierend, aber auch sehr fordernd. Es ist an der Zeit, stiltechnisch wieder einen neuen Sprung zu machen. Vom Gefühl her tendiere ich gerade zum Bewegt-Bild, vielleicht eine Mischung aus Fotografie und Film. Mal sehen, was sich da so entwickelt.
Weitere Infos: www.dancarabas.com oder www.instagram.com/shot_by_dan_carabas