Einen erstaunlichen Aufstieg vom Sofa auf die Laufstege gelingt aktuell der „Kuscheldecke". Dafür wurde sie von Designern in Riesen-Schals, Kleider, Röcke oder Mäntel umfunktioniert und wird meist Blanket oder Security Blanket genannt.
Es ist der Wintertrend mit dem größten Kuschelfaktor. Denn schließlich gibt es kaum etwas Schöneres, als sich an kalten Tagen unter einer flauschigen Decke auf dem Sofa zu verstecken. Aber auch auf den Außenplätzen der Cafés ist sie in der dunklen Jahreszeit sehr beliebt, wenn sich ewig Sonnenhungrige damit gegen das Frösteln wappnen möchten. Dass die Blankets oder Security Blankets, wie sie im Englischen genannt werden, seit einigen Jahren auch in der Fashion-Welt Einzug gehalten haben und auf allen vier wichtigen Modewochen für diese Saison zu sehen waren, ist allerdings einigermaßen überraschend. Die einfachste Erklärung dafür ist sicherlich das unglaubliche Volumenwachstum des Schals, der inzwischen in Dimensionen vorgedrungen ist, die nicht mehr von der ursprünglichen Funktion, den Hals einzuhüllen, abgeleitet werden können. Auf der Suche nach XXXL-Alternativen könnten die Designer durchaus auf die Wolldecke gestoßen sein, die sich längst speziell bei Katastrophen aller Art als eine Art Schutz-Überkleidung bewährt hat.
Die Liaison von Decke und High-Fashion geht weit zurück
Die Liaison der Decke mit der High-Fashion ist nicht neu. Schließlich hat der 1949 in Casablanca geborene französische Modezar Jean-Charles de Castelbajac schon vor Jahrzehnten mit seinem legendären Blanket Coat ein ikonografisches Kleidungsstück entworfen und damit bei seiner ersten Kollektion im Jahr 1970 international für Furore gesorgt. Ein Vorgängermodell hatte er bereits im jugendlichen Alter während seiner Internatszeit geschaffen, als er einen Mantel aus Wolldecken seiner Schule schneiderte.
Zu den Vorläufern muss auch der Sleeping Bag Coat der 1945 in New York geborenen Designerin Norma Kamali gezählt werden. Der Schlafsack-Mantel war in den 1970er-Jahren dank seiner Verbindung von Funktionalität und Design geradezu revolutionär. Auf die Idee mit dem daunengefüllten Mantel, der zu den Glanzstücken der Modeabteilung des New Yorker Metropolitan Museum of Art zählt, war Kamali bei einem Campingausflug gekommen. US-Star Solange Knowles war im März 2017 in einer roten Version des Wollmantels auf dem Cover des „Elle"-Magazins zu bestaunen. Natürlich weisen auch Ponchos, Capes oder vergleichbare Überwürfe eine enge Verwandtschaft zu den Blankets auf.
Über die Jahre haben immer wieder renommierte Labels mit den Wolldecken experimentiert, so beispielsweise 2010 Hermès mit einem Mohair-Mantel in Form einer Wolldecke. Doch erst über die Herrenmode wurden Blankets nach und nach salonfähig. Auslöser war die Modemesse Pitti Uomo in Florenz Anfang 2013, denn dort tauchte plötzlich eine ganze Reihe an Pfauen auf, die sich in Decken statt Mänteln gehüllt hatten. Das Louis-Vuitton-Logo wurde unübersehbar zur Schau gestellt. Nach der Kenzo-Show gesellten sich auch noch Blankets dieses Luxuslabels hinzu. Die Marke hatte ihren illustren Gästen die Decken, natürlich mit riesigem Namenszug versehen, als besonderes Giveaway offeriert. Drei Monate später hatten besagte Kenzo-Blankets dann den Sprung über den großen Teich geschafft und tauchten auch im Umfeld der New Yorker Fashion Week auf.
Locker um die Schulter geworfen ist auch eine Trage-Variante
In Wolldecken gehüllte Damen wurden damals nur selten gesichtet. Das sollte sich ab 2014 nach und nach ändern. Burberry ließ seine Models, mit Cara Delevingne an der Spitze, auf dem Laufsteg in Cape-ähnlichen Blankets flanieren, die auffällig mit dem Monogramm der jeweiligen Dame verziert waren. 2015 zeigten Billy Reid, Ralph Lauren oder Walter Van Beirendonck Blankets in ihren Winterkollektionen. 2016 waren sie Eyecatcher der Londoner Menswear-Show bei Craig Green oder Sibling. In der Wintersaison 2017/2018 waren Wolldecken dann ausgefallene Highlights bei Damenmode-Brands wie Céline, Balenciaga, Chanel, Totême oder Calvin Klein. Natürlich waren die Teile keine herkömmlichen Kuscheldecken, sondern aus edelsten, mollig-warmen Stoffen wie Kaschmir, Mohair, Babyalpaka-Wolle oder Seide hergestellt. Klar, dass Streetstyle- und Instagram-Ikonen wie Candela Novembre auf die Blankets sofort voll abfuhren. Der englische Fachausdruck „Security Blanket" stammt übrigens vom US-Comic-Zeichner Charles M. Schulz, der seine Figur Linus aus der Serie „Die Peanuts", nach Hündchen Snoopy zweitliebster Freund von Hauptfigur Charlie Brown, mit einer so benannten Kuscheldecke ausstaffiert hatte.
Für den Damenmode-Winter 2018/2019 waren Blankets auf allen vier wichtigen Fashion Weeks überaus repräsentativ vertreten. In Paris wurden die Decken bei Alexander McQueen, Junko Shimada oder Lemaire wie Capes über die Schulter geworfen. Off-White-Chef Virgil Abloh bewies an der Seine ebenso wie das Label Poiret, dass sich mit Decken auch Kleider kreieren lassen. Stella McCartney präsentierte mit ihren den Körper umschlingenden Blankets eine neue Form des Layerings. John Galliano knüpfte für das Label Maison Margiela an den Schlafsack-Style à la Norma Kamali an. Bei Hermès und Beautiful People war die Decke rockähnlich um die Taille arrangiert. Bei Isabel Marant glichen die Blankets Ponchos. In London waren Blankets bei Delpozo, Roksanda oder Ports 1961 zu sehen, bei Roksanda in der Art eines Capes oder eines Riesenschals.