Mutter, Unternehmerin – an Frauen, die Kinder erziehen und ein eigenes Geschäft aufbauen, zerren die Fliehkräfte von Unternehmertum und Familie. Melanie Lassotta hat einen Vorteil: Sie kann ihre kleine Tochter Luna mit zur Arbeit bringen, denn sie ist Chefin eines Fitness-Centers für Mütter mit Kindern – der zweite Teil unserer FORUM-Reihe „Kind, Kegel, Karriere".
In der „MuKi-Bude" ist es unerwartet still. „Der nächste Kurs beginnt erst wieder um 16 Uhr", sagt Fitnesstrainerin Melanie Lassotta, die von allen nur Mel genannt wird. Die Mittagspause nutzt sie, um hinter der Empfangstheke Papiere abzuheften. Während der Öffnungszeiten hört man Musik, die motivierenden Rufe von Fitnesstrainerinnen und lautes Gebrabbel aus der Kinderbetreuung. Jetzt sind im Hintergrund nur leises Poltern und eine Kinderstimme zu vernehmen. „Das ist Luna", sagt Mel und nickt in Richtung Nebenraum, wo ihre siebenjährige Tochter gerade mit Familien-Dackel Amigo spielt.
Wie kommt man auf die Idee, ein Fitnessstudio mit angeschlossener Hebammenpraxis ausschließlich für Mütter mit Kindern zu eröffnen? „Viele Mütter kümmern sich rund um die Uhr um ihr Kind und vergessen dabei häufig, sich um sich selbst zu kümmern", sagt Mel. Deshalb habe sie mit ihren zwei Geschäftspartnerinnen, beide Hebammen, ein Konzept auf die Beine gestellt, bei dem Mütter Fitnesskurse besuchen können, während ihre Kinder unter demselben Dach fachgerecht betreut werden. „Kein schlechtes Gewissen, kein Grund, nicht körperlich aktiver zu werden", ergänzt sie schmunzelnd. Die „MuKi-Bude" – Zentrum für Mutter und Kind, eröffnete im Mai 2017 in Schwalbach.
Wie schwierig es mitunter ist, Mutterschaft mit den eigenen privaten und beruflichen Bedürfnissen in Einklang zu bringen, weiß Mel aus eigener Erfahrung.
„Kein Grund, nicht aktiv zu werden"
Lunas Geburt im Januar 2011 stellte ihr Leben und das ihres Mannes Uwe auf den Kopf. Der wechselte damals gerade die Arbeitsstelle und hatte als Krankenpfleger häufig Schichtdienst. „Das macht das Familienleben nicht gerade leichter", sagt Mel. Sie selbst war als Trainerin in einem Fitnessstudio fest angestellt. Selbst als sie im achten Monat schwanger war, gab sie dort noch Kurse. „Ich habe einfach keine Ruhe im Hintern." Vielleicht ist es gerade das, was Kundinnen an ihr schätzen. Kursteilnehmerinnen, sagen, dass sie vor allem wegen Mel als Person dranbleiben und wiederkommen.
Als Mutter jahrelang zuhause bleiben? Für eine so hibbelige Persönlichkeit wie Mel Lassotta undenkbar. Sie braucht die Bewegung. Sowohl geistig als auch körperlich. In der Elternzeit stieß sie in einer Fachzeitschrift auf das Programm ,Fit-dank-Baby’, das Sporttraining für Mütter mit Übungen für deren Babys kombiniert. Mel wurde zur ersten Trainerin im Saarland, die das Programm anbot. Damit legte sie den Grundstein für die „MuKi-Bude", obwohl daran noch lange nicht zu denken war. „Als Mutter hat man ständig ein schlechtes Gewissen, sein Kind zu vernachlässigen. Deshalb sind Angebote, die Mütter und Kinder gemeinsam in Anspruch nehmen können, ideal."
Doch erst einmal reichten die gelegentlichen Kurse nicht, um davon zu leben. Als Luna im Januar 2013 kurzfristig einen Kita-Platz bekam, hieß es daher: wieder zurück ins Fitnessstudio. Unter einem neuen Besitzer sollte sie dann sogar die Studioleitung übernehmen. Nun war sie es selbst, die ein schlechtes Gewissen hatte: Sie stand vor der Entscheidung „Beruf oder Kind", denn die Arbeitszeiten im Fitnessstudio sind schon für reguläre Angestellte wenig familienfreundlich. „Ich entschied mich natürlich für Luna." Statt Studioleitung folgte das Kontrastprogramm: Sie kündigte ihre Stelle und arbeitete –
ganz solide, wie sie sagt – in einem Autohaus an der Anmeldung. Nebenher kooperierte sie aber auch mit einem anderen Studio, wo sie nun verstärkt die Fit-dank-Baby-Kurse anbot. „Ich spürte, dass diese Mutter-Kind-Fitness-Sache wichtig und richtig ist. Und ich hatte erst einmal mehr Zeit für mein Kind, gerade nachmittags. Das war gut", sagt Mel. Luna nickt und lacht verschmitzt. Sie hat den Nebenraum, wo Dackel Amigo, in einer leergeräumten Sporttasche zusammengerollt, jetzt ein Nickerchen macht, verlassen und saust in einen anderen Raum. Sie fühlt sich sichtlich wohl und versteht sich auch mit Mels Geschäftspartnerinnen hervorragend.
Abendkurse gingen auf Kosten der Familie
Doch die gewonnene gemeinsame Zeit war nicht von langer Dauer. Auch aus finanziellen Gründen nahm Mel nach und nach immer mehr Abendkurse an. Ihr Mann Uwe brachte Luna dann zu Bett. Gesorgt war also für sie. Doch es gab einen Satz, den Mütter nicht gern hören, und der Mel zeigte, dass sich die Situation verbessern muss. „Eines Tages sagte Luna zu mir: ‚Mama, sei doch mal bitte zuhause‘." Und wieder war das schlechte Gewissen da.
Auch eine erneute Anstellung in einem Fitnessstudio im November 2015 brachte keine spürbare Verbesserung. Wieder war Mel arbeitsbedingt viel von zuhause weg, gab Kurse auch in den Abendstunden. „Das Problem ist: Ich liebe meine Arbeit, aber nicht, wenn meine Tochter darunter leidet", sagt sie. Langsam dämmerte ihr, dass sie grundlegend etwas ändern musste.
Selbständigkeit – natürlich hatte sie daran bereits gedacht. Gerade weil ihre Kurse gern besucht werden und weil sie für Fitness brennt. Schon seit ihrem 18. Lebensjahr arbeitet sie in der Fitnessbranche und kennt die Materie in- und auswendig. Sie weiß, wie Kurse funktionieren und kann Teilnehmerinnen motivieren. Letztlich wagte sie den Schritt. Aus der Idee „MuKi-Bude" wurde ein echtes Unternehmen.
Zu gründen machte es zu Beginn nicht gerade einfacher, Zeit mit der Familie zu verbringen. „Man kümmert sich um fast alles von A bis Z." Der Stress vergrößerte sich zunächst. Doch bei aller Belastung hatte Mel Lassotta erstmals die komplette Freiheit, Ideen selbst umzusetzen. Nach der turbulenten Anfangsphase haben sich ihre Arbeitszeiten auch wieder reguliert, auch wenn sie gedanklich fast 24 Stunden mit dem Unternehmen beschäftigt ist. „Ohne die Unterstützung meines Mannes hätte ich den Schritt in die Selbstständigkeit nicht gewagt." Der hatte sie schon seit mehreren Jahren zur Selbständigkeit ermutigt. Das finanzielle Risiko war den beiden bewusst, aber sie hatten von Anfang an das große Ganze im Blick: mehr Flexibilität und eine bessere Selbstverwirklichung. Die größte Unterstützung erhielt Mel von Tochter Luna. Als sie hörte, dass ihre Mutter plant, bis auf einen Termin in der Woche abends zu Hause zu sein, war sie begeistert.
Freiraum für wichtige gemeinsame Zeiten
Bis auf wenige Ausnahmen hat sich das Familienleben so reguliert. Es gibt die so wichtigen gemeinsamen Zeiten am Nachmittag und in den Abendstunden, und – das ist auch neu – es gibt Wochenenden. Für Entspannung sorgen die gemeinsamen Trips nach Holland, wo Mel Lassotta mit ihrer Familie und Freunden etwa alle vier Wochen hinfährt und campt. „Holland ist mittlerweile unsere zweite Heimat."
Familie und Selbstständigkeit zu vereinbaren, bleibt aber immer ein Prozess. Umstände ändern sich. Kinder werden älter, die Zeiten, wer wann wo abgeholt werden muss, ändern sich, und auch das Unternehmen ist einem ständigen Wandel unterworfen. Neue Angebote werden geschnürt, neue Zielgruppen erschlossen. Mit zu viel Ruhe ist im Hause Lassotta aber sowieso nie zu rechnen. Ständig unter Strom zu stehen, ist für Mel Segen und Fluch zugleich. „Immer, wenn es ein wenig ruhiger ist, denke ich: ‚Ich könnte noch was starten‘, und der Stress beginnt von vorn."
Und so ist es nicht verwunderlich, dass Mel abschließend noch etwas gesteht: „Eine Sache ist da noch. Ich arbeite jetzt zusätzlich als Personal Trainerin. Auch mal abends", meint sie und muss angesichts ihrer Rastlosigkeit selbst ein wenig die Augen verdrehen. Heute aber steht kein Abendtermin auf dem Plan. Heute bringt Mel Luna ins Bett. So wie die beiden es sich wünschen.