The Black Crowes um die Brüder Rich und Chris Robinson gehörten zu den großen Rockbands der 90er-Jahre. Inzwischen gehen die Brüder getrennte Wege. Vor zwei Jahren gründete Rich Robinson (49) mit ehemaligen Mitgliedern der Black Crowes die Band The Magpie Salute. Im Interview spricht er unter anderem über das erste Studioalbum der Band.
Herr Robinson, in wie vielen Bands haben Sie im Lauf Ihres Lebens gespielt?
Es waren genau zwei. The Black Crowes und The Magpie Salute. Als ich mit meinem Bruder die Crowes gründete, war ich 15. Anfangs nannten wir uns noch Mr. Crowes Garden, aber es war dieselbe Band.
Wie fühlt es sich an, mit Sven Pipien (Bass) und Marc Ford (Lead-Guitar) von The Black Crowes wieder Musik zu machen?
Sven war schon an meiner Solo-Tour beteiligt. Es ist immer großartig, mit ihm zusammen zu spielen, das gleiche gilt für Marc. Wir haben eine ganz besondere Verbindung. Wenn wir Musik machen, müssen wir nicht miteinander reden. Die Kommunikation läuft über die Musik. Wir funktionieren als Einheit und können musikalisch überallhin gehen.
Wollen Sie mit The Magpie Salute Neuland betreten?
Das tun wir immer. Aber ich muss gestehen, dass ich die meiste neue Musik von heute beschissen finde. Ich kann elektronische Musik nicht ertragen. Für mich sind das bloß Leute, die an Computern herumspielen und nicht wissen, wie man richtige Musik macht. Ich mag Gruppen, die verschiedene Instrumente repräsentieren. Eine Band ist wie eine Maschine, die alles kann. Ich verspüre ein Verlangen, meine Musik immer weiterzuentwickeln.
Wie gehen Sie dabei vor?
Ich filtere meine Lebenserfahrungen, um daraus Songs zu generieren. Led Zeppelin haben Musik gespielt, die von Lightnin’ Hopkins und Muddy Waters inspiriert war, aber sie haben den Blues nicht einfach kopiert, sondern auf eine neue Ebene gehoben. Auch The Edge hat aus bekannten Klängen etwas völlig Neues kreiert. Das hatte nichts mit Computern und Marktanalysen zu tun. Kunst muss sich ganz natürlich entwickeln. Für jedes Genre gilt, dass der größte Teil Mist ist. Es sind bloß Produkte. Nur wenige Künstler erschaffen wirklich Bedeutendes. Chris Stapleton zum Beispiel spielt sehr authentischen modernen Country. Man spürt, dass seine Musik ihm etwas bedeutet.
Sind Sie ehrgeizig?
Ich denke, ich habe meinen besten Song noch nicht geschrieben. Man kann aber nichts erzwingen, die Musik muss ganz natürlich zu einem kommen. Man kann sich nicht hinsetzen und einen Hit schreiben, das Resultat wäre formelhaft. Als ich 19 war, haben wir mit den Black Crowes das Album „Shake Your Money Maker" herausgebracht, das sich dann sieben Millionen Mal verkauft hat. Das waren die besten Songs, die wir zu der Zeit schreiben konnten, aber niemand hätte solch einen Erfolg erwartet. Heutzutage sind wir technisch dazu in der Lage, jeden neuen Sänger so klingen zu lassen wie einen der Superstars. Deshalb klingen alle Popsänger gleich. Die Akkorde und sogar die Texte sind zum Teil identisch. Es gibt ein Video, das 20 Clips versammelt, in denen allesamt über Chevys, Shorts und Bier gesungen wird. Das ist zynisch. Ich finde, ein Künstler sollte höhere Ziele haben als das.
Was war Ihnen wichtig, als Sie das Album „High Water I" schrieben?
Für mich sind Musik, Text und Gesang gleich wichtig. Ich möchte interessante Musik machen, und deshalb achte ich darauf, ob ein Intro oder ein Chorus zu einem bestimmten Song passen und wie dieser sich zu den anderen Titeln des Albums verhält. In den vergangenen 20 Jahren habe ich einen Trend beobachtet: Die Musik rückt immer mehr in den Hintergrund. Heutzutage dreht sich ein Song hauptsächlich um den Gesang. Diese Entwicklung gefällt mir nicht. Hören Sie sich einmal „Tumblin’ Dice" von den Rolling Stones an: Diese Riffs sind fucking beautiful und dann setzt dieser Frauenchor ein. Einfach brillant!
Ist es heutzutage schwer, eine Plattenfirma zu finden, von der man sich als Künstler wirklich verstanden fühlt?
Es gibt da draußen auf jeden Fall Plattenfirmenleute, die sich wirklich Gedanken über Künstler machen. Das war einer der Gründe, weshalb ich mit Mascot in Europa zusammenarbeite. Die haben gesagt: „Die Platte ist toll." Mehr nicht. Sie haben nicht vorgeschlagen, uns mit einem externen Hitschreiber zusammenzubringen, sondern sie wollen uns wirklich unterstützen. Es geht doch darum, einen Künstler so sein zu lassen, wie er wirklich ist. Aber das ist nicht die Regel. In Hollywood müssen viele tolle Schauspieler jeden Tag spazieren gehen, weil nicht jeder einen Superhelden spielen kann. Und die wenigen Leute, die ein albernes Cape tragen dürfen, müssen vor einem Greenscreen gegen virtuelle Drachen kämpfen. Das Problem sind die Produzenten und Regisseure, die die Branche kontrollieren.
Welche Rolle spielt Freundschaft in einer Band?
Eine große. Es gibt viele erfolgreiche Bands, deren Mitglieder sich nicht mögen. Aber sie haben so viel Respekt voreinander, dass sie zu Großem fähig sind, wenn sie zusammen auf eine Bühne gehen. Für mich zum Beispiel war es kein Vergnügen, bei den Black Crowes zu spielen. Mein Bruder und ich sind nicht miteinander klargekommen, und ich hatte nie wirklich eine Beziehung zu dieser Band. Aber immer wenn wir auf eine Bühne gingen, waren jegliche Misstöne verschwunden. Ich würde nicht sagen, dass Freundschaft für eine Band unerlässlich ist, aber sehr nützlich.
Wieso?
Bei The Magpie Salute kann ich ganz anders mit Marc Ford umgehen, weil mein Bruder nicht mit im Raum ist. Als wir diese Band gründeten, schworen wir uns: „Wir machen diesmal keinen Bullshit!" Wir werden nicht rummeckern oder uns anschweigen. Wenn jemand ein Problem hat, dann wird das ausdiskutiert. Ich glaube, dass viele erfolgreiche Bands sehr giftig miteinander umgehen. Das wollen wir bei The Magpie Salute bewusst vermeiden, indem wir zusammen Spaß haben. Wir lieben es, in dieser Band zu spielen.
Welches Verhältnis haben Sie zu Ihrem älteren Bruder Chris?
Ich habe seit vier Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen. Es ist besser, wenn wir uns nicht sehen. Anfangs hat mich das sehr traurig gemacht, aber es ist nun mal, wie es ist. The Black Crowes sind Geschichte.
Ist The Magpie Salute eine Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte?
Nun, ich habe sämtliche Musik für die Black Crowes geschrieben. Das ist einfach meine Art, Songs zu machen. Von „Shake Your Money Maker" bis „Southern Harmony" haben die Black Crowes einen gewaltigen Sprung gemacht. Und bis „Amorica" war es noch einmal ein ziemlicher Entwicklungsschritt. Später haben wir versucht, eine eher straighte Rockscheibe zu machen, aber bei „Lions" und „Warpaint" gingen wir wieder auf Erkundung. Meiner Ansicht nach beeinflussen einen Songschreiber nicht nur andere Musik, sondern auch das Herumreisen und die menschlichen Begegnungen. Todesfälle, Hochzeiten, Scheidungen, Bücher, Filme. All diese Dinge bilden so etwas wie einen Filter, durch den ständig Ideen hindurchlaufen.
Wie ist es erklärbar, dass ein Bob Dylan so viele bedeutende Songs geschrieben hat?
Mir gefällt die Vorstellung, dass jeder Künstler seinen eigenen natürlichen Filter hat. Manche legen ihn beiseite und versuchen, mithilfe eines digitalen Filters wie jemand anders zu klingen. Andere verstehen ihn perfekt zu benutzen. Neil Young zum Beispiel; niemand klingt wie er. Und Bob Dylan war nie ein verdammter Crooner. Seine Stimme klingt für mich wunderschön. Und ein großartiger Songschreiber ist er sowieso. Wenn Jimmy Page sich meine Gitarre schnappt, wird er immer wie Jimmy Page klingen. Mich fasziniert das Unperfekte, weil es die Magie ausmacht. Manche Leute quantisieren Musik, damit sie perfekt klingt. Das schmerzt in meinen Ohren, weil Musik genau wie das Leben auf- und
absteigen sollte.
Was haben Sie aus der Arbeit mit Jimmy Page gelernt?
Dass er eine jugendliche Leidenschaft für Musik hat. Ihn dabei beobachten zu dürfen, wie er diese Rock’n’Roll-Songs spielt, war eine tolle Erfahrung. Es hat ihn glücklich gemacht. Nur darum geht es beim Musikmachen.