Als Monika Pfister vor neun Jahren zum ersten Mal ein Eichhörnchenbaby fand, wusste sie gar nicht, welches Tier sie in Händen hielt. Heute ist die Saarländerin eine Expertin für die putzigen Nager und betreibt in Heusweiler eine Aufnahmestelle, die zu ihrer Berufung geworden ist.
Daisy ist an allem Schuld. Die kleine Malteser-Hündin ist ein gerade mal zwölf Wochen alter neugieriger Welpe, als sie im Gebüsch ein kleines nacktes Tierbaby entdeckt. Zum Glück bemerkt Daisys Frauchen Monika Pfister sofort, was ihr Hund da anschleppt und bringt das zarte Wesen erst mal in Sicherheit. Doch was für ein Tierkind ist das eigentlich? Monika Pfister forscht im Internet und findet heraus, dass sie ein Eichhörnchenbaby in Händen hält. „Es hatte 29 Gramm und war etwa 14 Tage alt", erzählt Monika Pfister. Für die Tierfreundin ist sofort klar, dass sie dem Kerlchen helfen will. Doch wie? Nach Anrufen bei Tierärzten, Förstern und Wildtieraufnahmestellen wird klar: im Saarland gibt es keine Aufnahmestelle, die sich mit Eichhörnchen auskennt. Zum Glück macht Monika Pfister eine Frau ausfindig, die sich 30 Jahre lang um die kleinen Nager gekümmert hat. Die gibt ihr viele wertvolle Tipps, und Monika Pfister macht sich daran, das winzige Hörnchen von Hand großzuziehen.
„Alle zwei Stunden wird gefüttert"
Das war vor neun Jahren. Mittlerweile ist aus Monika Pfister eine Eichhörnchen-Expertin geworden. Mit dem ersten Baby habe eine totale Veränderung ihres Lebens angefangen, erzählt die 45-Jährige. „Es sprach sich damals schnell herum, dass ich ein gefundenes Eichhörnchen aufgenommen hatte. Mein Telefon stand nicht mehr still. Das Jahr darauf hatte ich 13 Babys." Dann war es nicht mehr aufzuhalten. „Das Jahr darauf hatte ich 30 Eichhörnchen." Monika Pfister lacht oft, wenn sie von ihren Hörnchen erzählt. Die Arbeit mit den Tieren, sie zu retten, aufzuziehen und am Ende in die freie Wildbahn zu entlassen, erfüllt sie. Es ist so etwas wie eine Berufung. Und dafür opfert die Heusweilerin sehr viel. „Wenn Babys da sind, bedeutet das, dass alle zwei Stunden gefüttert wird, Tag und Nacht. Der Schlafrhythmus und der Biorhythmus ändern sich." Die „Baby-Zeit" geht von Februar bis September, denn Eichhörnchen bekommen zweimal im Jahr Nachwuchs. In dieser Phase zieht Monika Pfister aus dem Schlafzimmer aus, um die Nachtruhe ihres Mannes nicht zu stören. Der habe vollstes Verständnis für die Leidenschaft seiner Frau, betont sie. Und er unterstützt sie, baut und repariert zum Beispiel die Volieren im Garten, in die die älteren Eichhörnchen kurz vor der Auswilderung einziehen. Auch ihre Söhne, 19 und 23 Jahre alt, und ihre 15-jährige Tochter stehen hinter ihrer Mutter, packen auch mal an, wenn es nötig ist.
Es würde wohl auch nicht anders funktionieren. Der komplette Außenbereich hinter dem Haus von Familie Pfister wird von putzigen Nagern dominiert. Überall stehen kleine und große Käfige und Volieren, in denen die vielen Ziehkinder so lange wohnen, bis sie für das Leben in Freiheit wieder stark und fit genug sind. Alle „Wohnungen" sind liebevoll mit kleinen Häuschen, Kletter- und Spielmöglichkeiten eingerichtet. Monika Pfister geht zu einem der Käfige, in der Hand einen frischen Pfirsich. Große Aufregung im Inneren. „Bruno, komm!", ruft sie und hält ein Stück Pfirsich in den Käfig. Neugierige Knopfaugen lugen in Richtung des leckeren Obstes. Sieben Wochen sind die fünf kleinen Eichhörnchen alt, sie werden noch etwas bleiben, ausgewildert wird im Alter von 18 bis 20 Wochen.
Anfassen lassen sich diese jungen Hörnchen mittlerweile nicht mehr, obwohl sie als kleine Babys von Hand gefüttert wurden. „Mit 16 bis 18 Wochen entwickeln sie eine natürlich angeborene Scheu", erklärt Pfister. „Die kennen mich dann auch nicht mehr und meckern mich an, wenn ich komme", sagt sie und lacht. Und das will die Eichhörnchen-Mama natürlich unterstützen, denn Eichhörnchen sind eben Wildtiere und sollen es auch bleiben.
„Renn nicht vor den nächsten Fuchs"
Den Weg in die Freiheit finden Pfisters Ziehkinder dann auf eine sehr milde Art, „warmes Auswildern" nennt sie das. „Ich habe Auswilderungsstellen im Wald, da stehen kleine Volieren, an denen sich eine Katzenklappe befindet." In kleinen Gruppen werden die Eichhörnchen, die bereit für die Freiheit sind, dort reingesetzt. Sie können die Voliere verlassen und den Wald erkunden und erst mal immer wieder in den Schutz des Käfigs zurückkehren und finden dort auch noch Futter. Doch irgendwann ist Schluss. „Dann ist die Klappe zu. Die kommen dann aber weiter alleine klar." Das macht Monika Pfister stolz. Aber auch ein bisschen traurig. „Ich denke dann: Pass auf! Renn nicht gerade vor den nächsten Fuchs und pass auf die Autos auf!" Viel Zeit für Abschiedsschmerz bleibt aber nicht, denn die nächsten hilfebedürftigen Nager müssen betreut werden. Und da sind dann auch noch die beiden Hunde und die vier Katzen, die zur Familie gehören. In Pfisters Aufnahmestation leben neben den Eichhörnchen auch ein paar Siebenschläfer, Baumschläfer und Haselmäuse. Die kleinen grauen Tiere mit den großen Kulleraugen gehören zur Familie der Eichhörnchen. Ganz wichtig ist der engagierten Tierfreundin auch die Aufklärungsarbeit. Dafür hat sie extra eine Seite bei Facebook aufgemacht, auf der sie wichtige Tipps gibt. Zum Beispiel, dass man einen Stock in ein Regenfass stellen soll. „Damit das Eichhörnchen rausklettern kann, wenn es reinfällt." Oder dass man kein Schneckenkorn im Garten streut. „Eichhörnchen fressen das zwar nicht. Aber da die Tiere in den frühen Morgenstunden durch die nassen Wiesen laufen, bleibt das Blaukorn am feuchten Fell hängen." Die reinlichen Tiere lecken sich dann später das Fell sauber und nehmen somit das Schneckenkorn auf. Viele Hörnchen sterben dann daran. Auch die Dürre dieses Sommers hat den putzigen Nagern schwer zugesetzt. „Stellt Wasser raus!", bittet Monika Pfister. „Eichhörnchen bewegen sich, wenn sie Junge haben, bei der Wassersuche nur in einem kleinen Radius."
Doch wann darf man denn überhaupt ein Eichhornbaby mitnehmen? „Das Eichhörnchen ist das einzige Wildtier, das Hilfe beim Menschen sucht", erklärt Monika Pfister. „Geht man also spazieren und ein kleines Eichhörnchen rennt auf einen zu und krabbelt am Bein hoch, hält sich fest, dann unbedingt mitnehmen!" Dann ist das kleine Tier in höchster Not. Findet man noch jüngere Eichhörnchen, die noch nackt und komplett hilflos sind, ist die erste Maßnahme: warmhalten! „Die Eichhörnchenmama nimmt nur warme Babys zurück", sagt Monika Pfister. Einfach das Kleine in die Hände nehmen und wärmen. Dann wieder hinlegen, außer Sichtweite gehen und warten, ob die Mama zurückkommt. Entdeckt man den Kobel, das kugelförmige Nest, in der Nähe, kann man das Baby dort wieder reinlegen. Aber Vorsicht: Verletzte Babys, und sei es auch nur eine kleine Schramme, nimmt die Mama nicht wieder an. Die bringt man am besten dann zu Monika Pfister. Diese Regel gilt auch für abgestürzte Kobel, in denen mehrere Babys liegen. Sollten tote oder verletzte Babys darunter sein, müssen diese weggenommen werden, damit die anderen Hörnchenkinder von der Mutter weiter versorgt werden. „Rückführungen" nennt Monika Pfister das und solche Einsätze macht sie auch gerne selbst, weil „das eigentlich kein Laie machen sollte. Einfach mich anrufen." Manchmal entdecken Tierfreunde ausgewachsene Eichhörnchen, die Hilfe brauchen, zum Beispiel, weil sie angefahren wurden. „Nicht mit bloßen Händen anfassen", warnt Pfister. Die Tiere übertragen zwar keine Krankheiten, können jedoch in Angst geraten und in Panik kräftig zubeißen. „Eine Jacke oder Decke nehmen und dann in einen Behälter legen, den man verschließen kann." Es kann vorkommen, dass der Nager benommen ist und während des Transports wieder munter wird. „Dann machen die Rambazamba", sagt Monika Pfister und lacht.
Auf Spenden angewiesen
Rambazamba herrscht auch in der großen Voliere, als die Eichhörnchen-Fachfrau sie durch eine Schleuse betritt. Mehrere ausgewachsene Hörnchen flitzen durch das Gehege, hangeln sich an der Decke entlang, springen zwischen den Ästen, und haben dabei die Besucher immer im Blick. Noch ein paar Tage, dann kommen diese Tiere in den Wald in eine Auswilderungs-Voliere. Wo die sind, hält Monika Pfister geheim. „Einmal habe ich so eine Stelle preisgegeben", sagt sie. „Die haben dann ein paar Leute gefunden und mir dort einiges kaputtgemacht." Dann muss wieder repariert werden. Überhaupt sind die Instandhaltungskosten ein großer Posten, denn die temperamentvollen Nager fressen so ziemlich alles an. Um ihre Arbeit finanziell zu stemmen, ist Monika Pfister auf Spenden und Patenschaften angewiesen. Zudem geht sie noch auf Weihnachtsmärkte und verkauft selbstgemachte Produkte. „Alles für die Hörnchen", sagt sie und lächelt, während ihre Rasselbande in der Voliere um sie herumtobt. Keine Sekunde hat sie diese Arbeit bisher bereut, betont sie. „Ich zähle nur Plus", sagt sie und für einen Moment wird die fröhliche Frau nachdenklich: „Jedes Tier, das in die Freiheit geht, ist ein Plus!"