Die deutschen Volleyballerinnen wollen bei der WM in Japan einen Top-Ten-Platz erreichen. Auch für den Bundestrainer persönlich wäre dieser Erfolg wichtig.
Felix Koslowski ist keiner, der schnell aufgibt. Als ihm mit 18 Jahren klar wurde, dass er es als Volleyballspieler zu keiner großen Karriere schaffen würde, war er schnell von dem Gedanken angetrieben, es als Trainer zu versuchen. In seiner Heimatstadt fing Koslowski in ganzen jungen Jahren als Co-Trainer des Schweriner SC an – heute ist er der Cheftrainer des zwölfmaligen deutschen Meisters. 2006 holte ihn Giovanni Guidetti in den Betreuerstab der Frauen-Nationalmannschaft – heute ist er der verantwortliche Bundestrainer der „Schmetterlinge".
Mit gerade einmal 34 Jahren hat Koslowski die zwei begehrtesten Trainerposten im deutschen Frauen-Volleyball inne. Und am 30. September feiert er in Japan seine WM-Premiere, an der Seitenlinie dürfte kaum jemand jünger sein als der Chefcoach der deutschen Nationalmannschaft. Koslowski strotzt nur so vor Elan und Energie, doch auch der Ehrgeizling weiß, dass die erste deutsche WM-Medaille unrealistisch ist. Noch.
„Ein Platz unter den Top Ten wäre ein großer Erfolg für uns", sagt Koslowski, der seit seinem Amtsantritt 2015 einen Umbruch im Team vollzogen hat: „Wir haben eine tolle Generation beisammen, viele Spielerinnen kommen erst in sechs, sieben Jahren in ihr bestes Volleyball-Alter. Da ist vieles möglich, diese Weltmeisterschaft ist ein Anfang, die erste Etappe."
Die Mannschaft um Top-Spielerin Louisa Lippmann trifft bei der Weltmeisterschaft, die in sechs japanischen Städten ausgetragen wird, in Gruppe A auf Vize-Europameister Niederlande, Japan, Argentinien, Kamerun und Mexiko. Alle Spiele sind live auf Sportdeutschland.TV zu sehen.
Für Koslowski ist die WM eine Bewährungsprobe, nachdem das Team unter seiner Regie die Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro verpasst hatte. Doch keiner machte damals den Trainer dafür verantwortlich, an der Qualität seiner (Aufbau-)Arbeit gibt es kaum Zweifel. „Er ist für den Umbruch genau der richtige Mann", sagt Louisa Lippmann.
Unbehagen bereitet aber vielen seine Doppelrolle als Trainer von Schwerin und der Nationalmannschaft. Vor allem der geräuschvolle Wechsel von Diagonalangreiferin Kimberly Drewniok vom VC Wiesbaden nach Schwerin sorgte für viel Wirbel. Der Vorwurf lautet: Als Bundestrainer hat es Koslowski leichter, die besten deutschen Spielerinnen zu seinem Club zu locken. „Ich muss doch als Bundestrainer über jeden Verdacht der Klüngelei erhaben sein", meint Alexander Waibl, Trainer des Bundesligisten Dresdner SC.
Trainer von Schwerin und des Nationalteams
Kim Renkema, Sportchefin von MTV Stuttgart, erklärt veranschaulichend: „Wer eine deutsche Spielerin holen will, liegt im Duell mit Schwerin von Beginn an 0:2 hinten." Auch Sandra Zimmermann, Geschäftsführerin beim Dresdner SC, verriet, sie habe den „Faktor Koslowski" in Verhandlungsgesprächen mit potenziellen Neuzugängen „bereits zu spüren bekommen".
Die Vollversammlung der Frauen-Bundesligisten forderte jüngst den Deutschen Volleyball-Verband (DVV) auf, die Doppelfunktion abzuschaffen. Der DVV aber ist finanziell angeschlagen und kann sich zurzeit keinen hauptamtlichen Bundestrainer bei den Frauen leisten. Das können international ohnehin nur wenige Nationen. „Unser Ziel ist es natürlich, dass wir in Zukunft einen Bundestrainer das ganze Jahr beschäftigen können", sagte DVV-Sportdirektor Christian Dünnes der „Sächsischen Zeitung". Zurzeit sei das aber nicht möglich.
In Schwerin reagiert man allergisch auf diese Vorwürfe. „Die Wahrheit ist", sagt Michael Evers, Mitglied der Teamleitung und des Wirtschaftsrates beim SSC, „dass der Bundestrainer keinerlei Einfluss auf den Wechsel einer Spielerin hat." Koslowskis Doppelrolle sei sogar „eher ein Nachteil", weil der Trainer von Mai bis Oktober mit dem Nationalteam unterwegs sei. In dieser Zeit könne er sich nur wenig um die Belange des Vereins kümmern.
Koslowski, der auf Honorarbasis für den DVV arbeitet, hält die Kritik an seiner Doppelrolle für „sehr engstirnig". Über die Vorwürfe, er würde seine Position als Bundestrainer bei Transfers missbrauchen, kann er „nur müde lächeln". Koslowski betont, er würde sich gegenüber allen Vereinen „absolut loyal" verhalten. Auch Starspielerin Louisa Lippmann sieht „keinen Grund, warum er sich für diese Doppelrolle ständig rechtfertigen muss".
Koslowski hat ohnehin andere Dinge zu tun, denn noch lässt der erhoffte Aufschwung im Frauen-Volleyball auf sich warten. In den zwei Testspielen gegen WM-Gruppengegner Niederlande setzte es in Münster (2:3) und zwei Tage später in Bremen (0:3) zwei Niederlagen. Vor allem die zweite Pleite brachte Koslowski mächtig ins Grübeln, so schwach hatte er sein Team nicht erwartet. Die Vorstellung sei „enttäuschend" gewesen, urteilte der Bundestrainer, der vor allem mit der Einstellung seiner Spielerinnen haderte: „Wenn wir emotional nicht auf das Niveau kommen, dann brauchen wir über Technik und Taktik gar nicht zu sprechen. Das tut mir für alle Zuschauer leid, die in die Halle gekommen sind."
Die Niederländerinnen bewiesen dagegen, warum Koslowski sie als Vorbild für seinen Aufbauplan im deutschen Team sieht. Unter Ex-Bundestrainer Guidetti erlebte Oranje in den vergangenen Jahren einen enormen Aufschwung, zwei zweite Plätze bei Europameisterschaften und Rang vier bei Olympia sprechen für sich. „Mittlerweile gehören sie ganz klar zu den Top five der Welt", sagt Koslowski. Da will er irgendwann auch mit den deutschen Schmetterlingen hin. „Ich bin mit meinem Zug jetzt schon sehr weit gekommen", sagt er, „aber die Endstation ist noch lange nicht erreicht." Aber der Bundestrainer bittet um Zeit – und mit Blick auf die Diskussionen um seine Person auch um Vertrauen. „Wenn wir den eingeschlagenen Weg mit der nötigen Geduld und Akribie angehen", sagt er, „dann können wir sehr positiv in die Zukunft schauen."
„In der Crunch-Time waren wir da"
Die Weltmeisterschaft in Japan ist auch deshalb von enormer Bedeutung, weil vielen Talenten im Kader noch die ganz große internationale Erfahrung fehlt. Bei der WM-Qualifikation im Juni 2017 bewies das junge Team aber mit fünf Siegen in fünf Spielen, dass es über viel Talent verfügt. Und über große Nervenstärke. Gerade in der „Crunch-Time", wie Koslowski die entscheidenden Momente in einem Spiel nennt, „waren wir da und haben diese zwei, drei Punkte mehr gemacht." Diese Qualität ist auch bei der WM gefragt, denn das Niveau ist deutlich höher.
Die jungen Wilden um Kimberly Drewniok sollen deshalb unter anderem von Louisa Lippmann, die mittlerweile in Florenz aufschlägt, angeführt werden. Die 1,91 Meter große Angriffsspielerin, die einen Ball mal mit 90 Stundenkilometern über das Netz jagt und mal den Gegner mit viel Gefühl in den Fingern narrt, ist für Koslowski nicht zu ersetzen. In ihrer letzten Saison in Schwerin erzielte sie 479 Punkte – Topwert der Liga. Plötzlich flatterten viele lukrative Angebote aus dem Ausland auf den Tisch.
Louisa Lippmann entschied sich für Florenz – und dankte Koslowski, der sie nach ihrem fast schon verzweifelten Wechsel aus Dresden 2016 aufgebaut und zur Weltklassespielerin geformt hatte: „Riesenkompliment an Felix, weil er mir so viel Vertrauen gegeben hat." Nationalmannschaftskollegin Maren Fromm kann Lippmanns Leistungsexplosion kaum glauben: „Athletisch war sie ja schon immer ganz vorne dabei, aber technisch hat Felix viel mit ihr gearbeitet, und das hat Selbstbewusstsein gegeben."
Koslowski ist schon in großen Jahren ein riesiges Trainertalent, er macht junge Spielerinnen nachweislich besser. Kein Wunder, dass manche in ihm den „Julian Nagelsmann des deutschen Frauen-Volleyballs" sehen. Doch anders als der Hoffenheimer Fußballtrainer besetzt Koslowski als Coach des Schweriner SC und der Nationalmannschaft mit 34 Jahren bereits die zwei begehrtesten Trainerplätze.
„Mein Alter war immer ein Thema", sagt Koslowski. Bei seiner ersten Cheftrainerstation beim VfB 91 Suhl habe es deswegen „einen Riesenrummel" gegeben, erinnert er sich. Viele seiner Spielerinnen waren damals fünf, sechs oder sieben Jahre älter als der Trainer. „Das habe ich natürlich auch in der Mannschaft gemerkt. Da musste ich mich erst durchsetzen und mit Qualität überzeugen."
Das tat Koslowski. Seine Akribie, sein taktisches Verständnis und sein Umgang mit den Spielerinnen beeindruckten den ehemaligen Bundestrainer Guidetti so sehr, dass er ihn ins Boot des Nationalteams holte und ihn dort zu seinem Nachfolger aufbaute. „Er hat mich geprägt, wir hatten fast ein Vater-Sohn-Verhältnis und sind heute noch Freunde", sagt Koslowski.
Neun Jahre arbeitete er als Guidettis Co-Trainer, jetzt steht Koslowski hauptverantwortlich an der Seitenlinie. Ein Erfolg bei seiner WM-Premiere wäre auch für ihn persönlich wichtig.