Schuldiger im Zollstreit zwischen den USA und China ist nicht klar auszumachen
Die US-amerikanische Regierung scheint sich derzeit in vielen wirtschaftspolitischen Fragen im Clinch mit der Welt zu befinden. Den drohenden Streit mit Mexiko hat man durch die Neuverhandlung des Freihandelsabkommens vorerst entschärft, eine entsprechende Einigung mit Kanada steht noch aus. Der Zwist mit der EU konnte durch die Intervention des scheidenden Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker noch einmal zumindest verschoben werden, ausgestanden ist er sicher noch nicht.
Das Hauptärgernis aber ist, wenn man US-Präsident Donald Trump sowie vielen seiner wichtigsten Berater glaubt, das Verhältnis zu China. Die jüngst erhobenen Strafzölle lassen erahnen, dass Druck auf die fortdauernden Verhandlungen ausgeübt werden soll – ein Druck, dem sich die chinesische Führung erst einmal dadurch entzog, dass sie die nächste Verhandlungsrunde verschoben hat.
Freihandel war und ist immer das Markenzeichen US-amerikanischer Außenwirtschaftspolitik gewesen, und zwar völlig unabhängig davon, ob ein Demokrat oder ein Republikaner regierte. Tatsächlich haben in der Vergangenheit die Republikaner die Fahne des Freihandels immer besonders heftig geschwenkt. Die Reaktion vieler Abgeordneter im Kongress fiel daher auch immer durchmischt aus, wenn Trump den Zollhammer in die Hand nahm. Dort, wo ökonomische Partikular-Interessen überwogen, wurden sie begrüßt. Dort, wo man den Blick auf das Ganze warf, eher kritisiert. Zölle zu heben oder zu senken ist eine zentrale Kompetenz des Präsidenten. Versuche des Kongresses, dem durch gesetzliche Richtlinien Einhalt zu gebieten, sind bisher weitgehend gescheitert.
Obgleich der Reflex naheliegt, die Strafzölle der USA aufgrund der allgemeinen – und durchweg berechtigten – Antipathie gegen den aktuellen Präsidenten rundweg zu kritisieren, bedarf die Situation einer ausgewogenen Bewertung. Die chinesische Außenhandelspolitik ist, trotz aller graduellen Lockerungen der vergangenen Jahrzehnte, immer noch um einiges restriktiver als die europäische oder US-amerikanische. Im chinesischen Markt zu investieren, erfordert nicht nur hohe Sachkenntnis der lokalen Gegebenheiten, es gibt auch umfassende bürokratische Hürden, die man überwinden muss. Es ist nicht einfach, Firmenanteile zu kaufen, Mehrheiten zu übernehmen oder ganz ohne Joint Ventures mit chinesischen Betrieben zu arbeiten.
Urheberrechts- und Patentfragen sind weiterhin hoch auf der Agenda, das Vertrauen in das chinesische Rechtssystem ist immer noch begrenzt. Viele Firmen scheuen daher vor Direktinvestitionen zurück. Die Klage über die Zugangsprobleme zum großen chinesischen Markt kommen nicht nur aus den USA, sondern auch immer wieder aus Europa. Das Verhältnis ist und bleibt schief. Es ist leichter für ein chinesisches Unternehmen, etwas nach Europa zu exportieren, als für ein europäisches oder amerikanisches in die umgekehrte Richtung.
Mit der Art und Weise, wie die US-amerikanische Regierung derzeit ihre Interessen durchzusetzen versucht, tut sie sich allerdings keinen Gefallen. Vor allem Hightech-Firmen wie Dell, Cisco, HP und andere sind auf funktio-nierende Warenketten mit Lieferherkunft China angewiesen. Die Annahme, in den USA würden nun plötzlich wieder alle Komponenten von Computern und Smartphones selbst hergestellt, ist relativ absurd. Die Tarife werden nachher vom Verbraucher bezahlt, denn die Technik wird durch Zölle unweigerlich teurer. Wie lange die amerikanischen Bürger diesen sich stets verstärkenden Zyklus mitmachen, wird sich zeigen.
Abgesehen davon aber dürfen sich im Streit um faire Handelsbedingungen, die auf gleichwertigem Zugang zu den jeweiligen Märkten beruhen, aktuell China und die USA gleichermaßen an die Nase fassen. Möglicherweise wird nur ein Gipfeltreffen das Problem lösen. Da Präsident Trump immer die große Bühne sucht und Autokraten mag, ist das sogar keinesfalls unwahrscheinlich.