Es war eine Premiere, die für Aufmerksamkeit sorgte: Die erste Städtepartnerschaft zwischen der ehemaligen Sowjetunion und Westdeutschland, besiegelt zwischen Georgiens Hauptstadt Tbilissi und der saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken.
Es klang damals durchaus revolutionär: 1975 schlossen Saarbrücken und Tbilissi – so die georgische Bezeichnung für Tiflis – die erste offizielle Städtepartnerschaft zwischen der damaligen Sowjetunion und Westdeutschland ab. In der Zeit des Kalten Krieges zwischen Ost und West wurde ein Fenster zum Westen aufgestoßen, getragen vom Willen beider Städte sowie von der Euphorie vieler Saarländer und der außergewöhnlichen georgischen Gastfreundschaft.
Die inzwischen über 40-jährige Partnerschaft hat aufgrund der politischen Ereignisse Höhen und Tiefen erlebt. Wenn auch der ganz große Überschwang ein wenig verflogen zu sein scheint und ein Stück weit der Normalität gewichen ist. Geblieben sind viele persönliche Freundschaften und Kontakte zwischen Institutionen und Vereinen beider Länder, die ohne diese Städtepartnerschaft nicht möglich gewesen wären.
„Verwandte Seelen" beim Besuch Tbilissis
Begonnen hatte alles mit der Kultur. Unter dem Motto „Kunst kennt keine Grenzen, Kunst führt die Völker zusammen" hatte bereits in den 60er-Jahren der damalige Intendant des Saarländischen Staatstheaters, Hermann Wedekind, in Saarbrücken Theatertage aus Ländern Osteuropas initiiert. Die Sowjetunion lud ihn daraufhin ein und neben Moskau und dem damaligen Leningrad als Pflicht durfte Wedekind eine weitere Stadt besuchen. In dem georgischen Tiflis mit seinem südländischen Klima stieß er auf „verwandte Seelen", der Beginn einer intensiven Freundschaft zwischen den Tifliser Bühnen und dem Staatstheater. Es folgten gemeinsame Opernprojekte, die „Georgische Woche der Sowjetunion" in Saarbrücken. Beim Besuch der georgischen Delegation unter Leitung des Kultusministers Taktakischwili 1974 in Saarbrücken überraschte dieser die Saarbrücker mit der Ermächtigung zu einer offiziellen Städtepartnerschaft. Der Saarbrücker Stadtrat beschloss im gleichen Jahr einstimmig, das Angebot anzunehmen. 1975 unterzeichnete Oskar Lafontaine in seiner damaligen Funktion als Bürgermeister die Partnerschaftsurkunde. Erst 1986 sollte unter seiner Ägide als Ministerpräsident die Partnerschaft zwischen Georgien und dem Saarland folgen.
Bis zum beginnenden Zerfall der Sowjetunion 1989 gab es einen intensiven Austausch zwischen Bürgern beider Städte. Schauspieler, Musiker, Filmschaffende, Sportler verschiedenster Disziplinen, Wissenschaftler, Politiker, Kammern und Gewerkschaften, sie alle trugen zu dieser intensiven und lebhaften Partnerschaft bei. Bis 1989 fanden allein 24 offizielle Bürgerreisen nach Georgien statt. Der Saarländische Rundfunk, die Hochschulen des Saarlandes, die Architektenkammer, Sportvereine – sie alle schlossen Partnerschaften mit ihrem jeweiligen georgischen Pendant. Bemerkenswert auch die Dreier-Partnerschaft zwischen Saarbrücken, Tiflis und Nantes, die Ende der 70er-Jahre zwischen den drei Städten feierlich besiegelt wurde.
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 und dem georgischen Bürgerkrieg von 1991 bis 1993 wurde die Partnerschaft auf eine besondere Probe gestellt. Offizielle Delegationsreisen und Bürgerreisen fanden ein Ende, doch die Städtepartnerschaft blieb bestehen. Aufgrund des Bürgerkriegs und der Flüchtlingskrise rückten Unterstützungsleistungen in den Vordergrund. Der Arbeiter-Samariter-Bund Landesverband Saarland und die Stadt Saarbrücken organisierten Hilfslieferungen mit Lebensmittel, Kleidung und Medikamente nach Georgien. Mit Unterstützung der Landesregierung wurden vor Ort Volksküchen und Sozialläden gegründet. Die 1990 gegründete Deutsch-Georgische Gesellschaft im Saarland lud georgische Kinder in Gastfamilien ins Saarland ein, um ihnen eine Verschnaufpause von Elend, Hunger und Flucht zu ermöglichen. Nun zeigte sich der wahre Wert der Städtepartnerschaft.
Georgische Gastkinder und Aufbauhilfe
Ab 1995 ging der Kulturaustausch weiter, wenn auch im kleineren Rahmen als vorher. Die Ausstellung „Unterwegs zum Goldenen Vlies" gehörte 1995 zu den Höhepunkten der Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der Partnerschaft. Nach Kriegsende standen andere Aufgaben auf dem Programm. So leistete die Stadt Saarbrücken umfangreiche Hilfe beim Aufbau moderner Kommunalstrukturen in Tiflis, zum Beispiel beim Erstellen eines Katasters, bei der Energie- und Wasserversorgung und der Abfallbeseitigung. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ, damals noch GTZ, finanzierte das Aufbauprogramm, während das Saarbrücker Vermessungsamt die Fachleute nach Tiflis entsandte. Einer der Initiatoren ist der Vermessungsamtsleiter der Stadt Saarbrücken, Gerhard Laux. Er hatte bereits für Portugal die Landreform grundbuchtechnisch mitbegleitet, und so fragte der damalige Oberbürgermeister Hajo Hoffmann Gerhard Laux, ob er auch für Tiflis tätig werden könnte. Das Grundbuchkataster gilt als eines der modernsten auf der Welt. Innerhalb von 24 Stunden bekomme man alle wichtigen Informationen zum Beispiel für den Immobilienerwerb, erklärt stolz Gerhard Laux, der noch heute mindestens einmal im Jahr privat nach Georgien fährt. Der Saarländer wurde dafür 2005 zum Ehrenbürger von Tiflis ernannt.
Eng verbunden mit der Städtepartnerschaft bleibt zudem der Name Gert Hummels. Der inzwischen verstorbene Theologieprofessor reiste mehrfach nach Georgien und hielt dort den ersten evangelischen Gottesdienst nach 60 Jahren ab. Gemeinsam mit seiner Frau siedelte er nach Tiflis um, errichtete dort eine Kirche, ein Gemeindezentrum mit Altenheim und mehrere Sozialstationen.
Die Städtepartnerschaft zwischen Saarbrücken und Tiflis lebt weiter. So hat die Stadtverwaltung Saarbrücken Tiflis immer wieder unterstützt, zum Beispiel bei der Organisation und beim Aufbau des Bürgerservices. Digital, hochmodern und fortschrittlich sei das geworden, so Laux. Aber große Ereignisse in der Förderung der Städtepartnerschaft sind mittlerweile rar geworden. Trotzdem gibt es nach wie vor viele Aktivitäten und Begegnungen persönlicher Art zwischen Institutionen, Gesellschaften, Vereinen, Saarländern und Georgiern. Ohne eine offizielle Städtepartnerschaft wäre das kaum denkbar. Die Stadt Tiflis pflegt heute 16 Partnerschaften mit Städten aus aller Welt.