Künstlerische Aus- und Weiterbildung unÂabÂhängig vom Uni-Studium bietet das Berlin Art Institute in Weißensee. Auf einem eheÂmaligen Industriegelände können Künstler aus aller Welt an unterÂschiedÂlichen Programmen teilnehmen – für mehrere Wochen oder Monate.
Crolina Amaya arbeitet an knallbunten Objekten einer Installation für die Ausstellung „Wandalism II". Die Neonfarben sind ein Teil ihrer südamerikanischen Kultur. „Mir geht es um Menschen, nicht um Bürger. Das verstehe ich als einen Unterschied. Mit meiner Kunst möchte ich Brücken bauen, symbolisch. All die kleinen Dinge, die Bögen, Stäbe und Pflöcke in meinem Werk, verhalten sich wie Länder und Städte zueinander. Ich bin gegen Trennung. Hoffnung ist Verbindung. Kunst ist ein Weg, Menschen miteinander zu verbinden."
Der Grafikdesignerin und Künstlerin aus Bogotá in Kolumbien ist die politische Dimension wichtig – auch wenn ihre Werke auf den ersten Blick spielerisch wirken, mit elegant geschwungenen Bögen, orange und gelb gestrichenen Stäben. Die 36-Jährige bearbeitet Fundstücke von den Berliner Straßen mit Farbe aus Spraydosen. Ein weißes Stück Stoff aus Plüsch erinnert an die Werke der Schweizerin Sylvie Fleury. 2016 war Carolina Amaya schon einmal in Berlin. Damals schuf sie das Werk „From the Inside", ein großes Wandbild, bestehend aus vielen kleinen Fragmenten „Alles Dinge, die ich liebe", sagte sie in dem Film zum Kunstwerk. Es sind Fotos ihrer Familie, spontane Zeichnungen und Fundstücke. Carolina Amayas weitläufiges Studio gehört zum Berlin Art Institute (BAI), einer Kunstschule im Bezirk Weißensee. „Die innovative und unabhängige Kunstschule" wie sich das BAI selbst bezeichnet, zieht viele Studenten aus dem Ausland an. Gegründet wurde sie 2015 von Stephanie Jünemann und Ralf Schmitt, den heutigen Direktoren des Instituts.
Teilnehmer aus der Bundesrepublik schätzen das Coaching-Programm, um sich später mit einer Mappe voller eigener Arbeiten an deutschen Kunsthochschulen bewerben zu können. Beim BAI läuft der Eignungstest – wenn man so will – etwas anders. „Neben einem Portfolio mit drei aktuellen Werken erwarten wir von unseren Interessenten ein Schreiben über ihre Motivation", so Ralf Schmitt. Darin sollen die Bewerber begründen, weshalb sie am BAI studieren möchten. Dabei könne man schon sehen, wie ernst die Motivation des Einzelnen sei.
Das BAI ist eine gefragte Anlaufstelle für Teilnehmer aller Altersgruppen. „Der älteste war 70 Jahre alt", erzählt Stephanie Jünemann, die selbst Künstlerin ist. „Die Kurse mit bis zu 18 Teilnehmern besuchen sogar gestandene Künstler gern. Berlin ist ideal, um eingefahrene Gleise zu verlassen und um neue Energien zu tanken."
„Wir sind international, unsere Teilnehmer kommen aus 50 verschiedenen Nationen", ergänzt Ralf Schmitt. Im Durchschnitt sind 15 Studenten im Monat am BAI eingeschrieben. Ein Kurs dauert normalerweise vier Wochen. Viele Studenten bleiben drei Monate, das entspricht der Aufenthaltsdauer eines Touristenvisums.
Teilnehmer aller Altersgruppen
Zum Abschluss gibt es ein Zertifikat. Allerdings ist es nicht staatlich anerkannt. Die beiden Gründer, Stephanie Jünemann und Ralf Schmitt, sind bestens in der internationalen Szene vernetzt, sodass sie Interessierten später auch den Weg in andere Institutionen ebnen können. Einige wechseln nach ihrem Aufenthalt in Berlin an die Gerrit-Rietveld-Akademie in Amsterdam, eine Hochschule für angewandte Künste. Dort kann man das Studium mit dem Bachelor oder Master abschließen.
Der Unterricht des Berlin Art Institute besteht aus mehrtägigen Seminaren und sogenannten Lectures, das sind Vorträge von eingeladenen Künstlern. Während der Seminare stellen sie ihre eigenen Werke vor. In einem zweiten Teil setzen sich die Studenten gemeinsam mit Gastdozenten über die gerade entstehenden Arbeiten auseinander.
Erst kürzlich war Künstler, Kritiker und Kurator Andreas Schlaegel zu Gast, „joggte" in seinem Vortrag durch die Kunstgeschichte, um anschließend mit den Teilnehmern über die veränderte Wahrnehmung von Bildern und die Rolle des Künstlers im 21. Jahrhundert zu diskutieren.
Mit ihren 17 Jahren ist Antonia aus Triest eine der jüngsten am BAI lernenden Kreativen. Nach dem Schulabschluss kam die Deutsch-Italienerin hierher, ohne so recht zu wissen, wohin die Reise gehen sollte. Ein paar Monate später steht fest: Sie interessiert sich in erster Linie für Mode und Fotografie.
„Ich möchte mir vorstellen, Creative Director bei einem Modelabel zu werden", überlegt die junge Künstlerin an ihrem letzten Tag im BAI. Ein halbes Jahr hat sie hier verbracht. Ihr Atelier ist vollgestellt mit kleinformatigen Bildern, sie kombiniert Malerei mit Text. Über ihre Zeit am BAI kann sie nur schwärmen: „Ich habe mich hier wie in einer großen Familie gefühlt." Stephanie Jünemann und Ralf Schmitt konnten sie erfolgreich an eine Akademie in London vermitteln.
Eine andere Gruppe der angehenden Künstler ist in ihren Zwanzigern. Sie haben schon eine Ausbildung oder auch ein Studium hinter sich, möchten jetzt ihre Kenntnisse vertiefen. Das System des BAI fördert die Selbstständigkeit und die eigene Organisation, etwa wenn sich mehrere Künstler ein Atelier teilen. Normalerweise sind die etwa 50 Quadratmeter großen Räume mit einer Deckenhöhe von etwa drei Metern für vier Künstler gedacht – ein wenig Planung ist also erforderlich, damit alle zu ihrem Recht kommen.
Ein Umfeld, das inspiriert
Eine Kunstschule auf einem früheren Industriegelände – hier war einst auch die Ziehl-Abegg Elektrizitätsgesellschaft ansässig – das passe gut, finden Jünemann und Schmitt. Auf dem Gelände an der Industriebahn gibt es auch heute noch neben zahlreichen Ateliers mehrere kleine Gewerbebetriebe –
und Garagen für Auto- und Motorradschrauber. Die über 3.000 Quadratmeter große ehemalige Produktionshalle von 1921 diente nach der Wende als Event-Location „Die Halle". Hier gastierten Kraftwerk, Motörhead, Marianne Rosenberg, die Red Hot Chili Peppers, Zucchero, die Ramones und viele mehr. Unter dem Namen „Motorwerk Berlin" steht die Halle nun wieder als Veranstaltungsort zur Verfügung. Auch das BAI will sie künftig nutzen.
Ein bisschen wirken Stephanie Jünemann und Ralf Schmitt wie Herbergseltern, wenn sie durch die langen Gänge ihres Kunstinstituts gehen. Sie haben offene Ohren für Fragen oder Probleme der internationalen Teilnehmer, die mit ganz unterschiedlichen Vorerfahrungen und Vorstellungen nach Berlin kommen. Umso wichtiger ist der Austausch auch untereinander. Dazu kommt es bei schönem Wetter auf einer improvisierten Terrasse im Hof zwischen den roten Backsteinmauern. Der richtige Ort für einen Kaffee und eine kurze künstlerische Pause. Und mit dem etwas rau wirkenden Ambiente dem Bild der Stadt entsprechend, das wohl viele der hier arbeitenden Künstler haben, wenn sie nach Berlin kommen.