Das neue Konzept des „The Wilson’s" im „Crowne Plaza Hotel" gefällt. Nicht nur optisch ist das Hotel-Restaurant in unterschiedlich gestaltete Bereiche mit individuellem Charakter aufgeteilt worden. Auch die Speisenauswahl ist vielfältig.
Kurz bevor der große Wetter-Schalter von Hochsommer auf Herbststurm umgelegt wurde, startete das „The Wilson’s" im Crowne Plaza Hotel in der Nürnberger Straße in neuer Gestaltung so richtig durch. Gut so, denn wir suchten uns an einem ersten kühlen Abend einen Platz nahe der Feuerstelle in der offenen Küche.
Ist das ein Blumenkohl aus dem Fegefeuer? Die aus einem Drahtkorb an der Rückwand züngelnden Flammen lassen die Silhouette jedenfalls sehr dramatisch wirken. Aus dem Lavastein-Ofen herausgezogen präsentiert sich der Blumenkohl-Kopf nur zart angeröstet und mit „Weihnachten" überbröselt, wie es die Begleiterin formuliert. Orientalische Gewürze mit Zimt, Anis und einer vernünftigen Dosis Schärfe verleihen dem sonst so sanften Gemüse Entschiedenheit und leichten Knusper. Zwischen die Röschen geschobene Karottenscheiben und ein Kranz von hellgrünem Radieschen-Pesto bringen leuchtende Farben ins Spiel. Das aus Radieschen-Blättern gemachte und mit Säure versehene Pesto pimpt den Kohl hervorragend. Könnten wir das bitte in Gläschen abgefüllt für zu Hause bekommen? Oder das Rezept? Vielleicht ist so ein nicht gerade klein dimensionierter ganzer Blumenkohl doch etwas zu viel für eine Person, wie er als Hauptgericht auf der Karte ausgewiesen ist. Für uns drei zum Teilen und als Veggie-Hauptbestandteil unseres Mahls ist er aber perfekt.
Wir machen also genau das, was das neue Konzept vom „The Wilson’s" vorsieht. Wir teilen, oder – auf Neudeutsch – „sharen" unser Essen. Zuerst drei kleine Vorspeisen: gegrillte Wassermelone mit Burrata und Maiscreme, die sich insbesondere durch gepoppten, leicht gesalzenen Mais hervortut. Ein fast schon zu harmonisches Tatar vom Islynt-Lachs mit Avocado, zu dem ich mir mehr Gemüsechips als kontrastreichen Knack gewünscht hätte. Und ein Carpaccio vom Simmenthaler Rind, das zart rot-weiß marmoriert und zur Blume arrangiert hübsch anzusehen ist. Es ist mit Chilicreme, Grapefruit und knusprigem Ingwer in modulierter Begleitschärfe akzentuiert und entlockt der Begleiterin sofort ein „Großartig!"
Das Fleisch ist überragend gut und jeden Cent wert
Insbesondere bei den Hauptgerichten bietet sich das Teilen an: „Das ist doch das Männersteak, oder?", ruft die Begleiterin angesichts eines formatfüllenden Steaks aus. Wir waren uns sicher, das Modell „Large" mit 350 Gramm bestellt zu haben. Doch das, was da vom US Prime Rib Beef unter geschrotetem Pfeffer, Meersalzflocken und frisch übergeriebenem Meerrettich vor uns steht, verdient zweifellos die Bezeichnung „holzfällertauglich". Aber es bleibt dabei – wir haben tatsächlich die „Large"-Version mit „nur" 350 Gramm und nicht die ein-Pfund-schwere „For the Man"-Ausgabe erhalten, verrät Linda Petrović vom Service.
Das Fleisch ist in seiner Saftigkeit und Qualität über jeden Zweifel erhaben. Wir verstehen, weshalb das „The Wilson’s" in den vergangenen zehn Jahren als „das" Prime-Rib-Restaurant in der City West galt. Wir kombinieren das Fleisch mit einer Sauce béarnaise, hausgemachten Pommes frites und geschmorten Kräutersaitlingen. Geben dem Blumenkohl als gleichwertige Beilage viel Raum und sind danach zu dritt gut und glücklich gesättigt.
Die Preise sind fair kalkuliert: Hauptgerichte wie Pasta, Blumenkohl oder Bratwurst kosten zwischen 15 und 19 Euro, die Vorspeisen fünf bis acht Euro. Das „Very Best of US Beef" schlägt seiner Qualität entsprechend nach Gewicht mit 34 Euro für 280 Gramm und mit bis zu 54 Euro für 500 Gramm zu Buche. Steaks vom Simmenthaler Rind liegen je nach Stück und Schnitt bei 20 bis 29 Euro.
Während unseres Essens sprintet der Fotograf zum Küchentresen, wenn die beiden Köche Sebastian Tanyel und Nenad Stanojević besonders fotogene Teller anrichten. Wir stellen fest: Die „Wilson’s Bratwurst" ist sehr beliebt. Mehrere Male erblicken wir zwei, drei, vier Teller davon, die auf Vollendung warten. Die von der Fleischerei Bünger bezogene Wurst wird mit Rotkohl-Salat, geschmortem Spitzkohl und Püree von der Lilly-Kartoffel gereicht. Obwohl der Fokus seit der Neuausrichtung auf dem östlichen Mittelmeer und der orientalisch-mediterranen Küche liegt, bietet das „Wilson’s" qualifiziertes Wohlfühlessen für alle Arten von Gästen an. „Leute mit Kopfhörern und Laptops sitzen ebenso bei uns wie Anzugträger", sagt Gregor Linhart, Director Business Development, der vorbeischaut, um uns mehr über das neue Konzept zu erzählen, das die 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Küche und Service umsetzen.
Heute heißt es „Zoning", wenn ein doch recht großes Hotel-Restaurant in unterschiedlich gestaltete Bereiche mit unterschiedlichem Charakter aufgeteilt wird. Wir sehen, nicht nur an unserer unwillkürlichen Marschrichtung hin zum Feuer: Es funktioniert. Ein älteres Paar, vielleicht zwei der vielen Stammgäste aus der „Prime-Rib-unter-Cloche-auf-Servierwagen"-Ära, nimmt an einem Zweiertisch im mit sesseligen Stühlen und warmtonigem Wohlfühlfaktor gestalteten mittleren Bereich Platz. Zwei Frauen, um 18.30 Uhr noch in Tagesaktivität und lebhafter Gesprächslaune, zieht es dagegen in den „kalifornischen" Wintergarten mit schwarz-weißen Bodenfliesen und farbenfroher, leichterer, heller Anmutung hinten.
Vor zwei Jahren habe man mit den Überlegungen begonnen, was man tun könne, um mit dem „The Wilson’s" modern zu bleiben, erzählt Linhart. Teile der Küchenmannschaft und des Managements reisten durch die Welt, sammelten Inspirationen, und stemmten den Umbau in nur wenigen Wochen in diesem Sommer. Das Team fand zu einer noch internationaleren als der bislang US-amerikanischen Ausrichtung. „Wir wollen vernünftiges Essen zu vernünftigen Preisen anbieten", sagt Linhart. Fine Dining sei nicht das Ziel. „Unsere Gäste sollen sich nicht anstrengen müssen, um bei uns Gast zu sein." Alles solle nahbar, locker und kommunikativ sein. Deshalb wurden auch – zumindest mit den attraktiveren Teilen des Küchengeschehens jenseits von Gemüseputzen, Zwiebelschneiden und Saucen-Einreduzieren – die Köche nach vorn geholt. Der Dialog ist Teil des Konzepts. Nicht zuletzt mit den Kindern, denen die Köche im „The Wilson’s" Spannenderes als Fischstäbchen oder Chicken Nuggets im Gespräch nahebringen wollen.
In der Tat schaut immer wieder ein Gast am Küchentresen vorbei und sieht seinem Steak beim Fertigwerden zu. Auch wir fragen Koch Nenad Stanojević, wie sich das mit
dem Prime Rib, dem Feuer und der Zubereitung verhält. Zunächst wird das Fleisch zehn Stunden bei konstant 54 Grad Celsius sous vide gegart, dann abtropfen gelassen und die Sehnen entfernt. Salz, eine – natürlich geheime –
Würzmischung und geschrotete Kakaobohnen werden für die Kruste aufgebracht. Ordert der Gast sein Fleisch – wie fürs Prime Rib Beef empfohlen – medium rare, bekommt es neun Minuten lang 250 Grad Hitze. „Will man es medium oder medium well done haben, kommt es noch mal in den Ofen", erklärt Stanojević. Klarer Fall von Fleisch-Auskennertum: „Nach zehn Stunden sous vide im Ofen entspannen sich die Fleischfasern. So kriegt man die beste Qualität heraus."
Ein klarer Fall von Auskennertum auch an den Weinflaschen: Linda Petrović empfiehlt uns als Weiß-Liebhabern Wein von Markus Schneider. Nicht nur wegen des schönen Namens „Kaitui" – Schneider übersetzt in die Maori-Sprache – wähle ich den 2017er Sauvignon Blanc. Hellgelb und mit Ananas, Limette und Zitronengras spielt die Pfalz Neuseeland, und mir gefällt’s.
Bread Pudding mit Tonkabohnen-Eis als Herbstdessert
Die Begleiterin und der Fotograf nehmen von Schneiders grünsilbrigem 2017er Grauburgunder, der mit Granny-Smith-Noten, Kiwi und Ananas etwas mineralischer daherkommt. Große Trinkfreude allerorten; wir bleiben dabei. Als wir schon denken, dass nun gar nichts mehr geht, haben wir uns noch der Herausforderung Dessert zu stellen. Das ist auch gut so, denn ein Bread Pudding mit Tonkabohnen-Eis ist so richtig heimelig – ein prima Herbstdessert, wenn’s schon wohlfühlig-gehaltvoller zugehen darf. Ein Lemon Pie mit Blaubeer-Sorbet klingt auf der Karte harmlos, erweist sich aber mit weich aufgehäufelter und angebräunter Meringue über Limettencreme und angenehm unsüßem Blaubeer-Sorbet als Überraschungssieger. Der Pie versucht als außerirdisches Objekt mit seinen roten Hippen-Stacheln vergeblich, sich unseren dreiseitigen Löffel-Attacken entgegenzustellen. Wir sind einfach zu neugierig auf die Mischung aus Baiser-Süße, herber Beere und tiefer Zitronigkeit.
Der Fotograf möchte anschließend seine Lebensgeister mit einem Espresso wiedererwecken. Er lässt sich einen „Caffè Corretto" mit Sambuca empfehlen. „Der Kaffee musste unbedingt damit korrigiert werden", stellt der italienische Feinschmecker an der Kamera fest. Wir halten fest: Wir mussten uns überhaupt nicht anstrengen, um spontan und unkompliziert im „The Wilson’s" glückliche Gäste zu sein. Das rundum erneuerte Lokal kann mehr als „nur" Hotel-Restaurant sein. Es bekommt deshalb von uns eine klare „Wiederkommen!"-Empfehlung für die City West.