Vegane und vegetarische Ernährung wird hierzulande immer beliebter. Dennoch fühlen sich viele Köche damit überfordert. Denn während die Zubereitung von Tierprodukten in der Ausbildung ausführlich behandelt wird, werden die Basics der fleischlosen Küche nur kurz abgehandelt. Weiterbildungsangebote sollen helfen, die Wissenslücken zu schließen.
Attila Hildmann, Björn Moschinski, Nicole Just oder auch Jérôme Eckmeier: Sie alle sind längst zu Stars der veganen und vegetarischen Küche geworden. Ihre Kochbücher verkaufen sich bestens. Das allein überrascht noch nicht. Denn egal, welche Statistik man bemüht, das Ergebnis ist immer dasselbe: Fleischlose Ernährung ist in Deutschland weiter auf dem Vormarsch. Es gibt immer mehr vegane oder vegetarische Produkte im Handel und eine ständig steigende Zahl von Menschen, die sich gesundheitsbewusst und ethisch korrekt ernähren wollen. Ständig eröffnen neue Restaurants mit veganem oder vegetarischem Angebot. Obwohl sich die Ernährung hierzulande wandelt, ist die Kochausbildung weitgehend unverändert geblieben. Das heißt: Selbst wer später ein vegan-vegetarisches Restaurant eröffnen will, muss sich in der Kochausbildung mit Fleisch beschäftigen. Eine rein vegetarische oder vegane Kochausbildung existiert hierzulande bislang nicht – deshalb sind viele Gastronomen in diesem Bereich Quereinsteiger. Auch von den vier Promi-Autoren hat nur einer eine klassische Kochausbildung durchlaufen: Jérôme Eckmeier.
„Die vegan-vegetarische Küche ist in der Kochausbildung bislang nicht ausreichend berücksichtigt", meint Florian Pröbsting von der Bildungs-GmbH des DIHK in Bonn, dem Dachverband der Industrie- und Handelskammern (IHK) in Deutschland. Seine Organisation hat deshalb kürzlich einen bundeseinheitlichen IHK-Zertifikatslehrgang erstellt – die Blaupause für einen 106-stündigen Weiterbildungskurs aus Theorie und Praxis, der nun von den einzelnen IHKs einheitlich umgesetzt werden kann. „Jede der 79 Industrie- und Handelskammern in Deutschland entscheidet selbst, ob sie einen solchen Kurs anbieten möchte. Ich gehe aber davon aus, dass dieses Angebot stark nachgefragt werden wird", sagt Pröbsting. Es bestehe vielerorts großer Bedarf, das immer wichtiger werdende Thema der veganen und vegetarischen Küche professionell anzugehen.
Anrichten und Präsentieren der Speisen
Die Industrie- und Handelskammer in Erfurt war schon vor vier Jahren ein Vorreiter auf diesem Gebiet. Schon 2014 wurde dort erstmals ein solcher Zertifikatslehrgang angeboten, den es bald auch bundesweit geben soll. „Ausgerechnet in Thüringen", meint IHK-Weiterbildungsberaterin Kristin Gräfin von Faber-Castell, die das Angebot von Anfang an betreut. Dem Bundesland also, in dem mit am meisten Fleisch verzehrt wird. „Dass gerade wir auf diese Idee gekommen sind, ist schon ziemlich skurril", sagt Faber-Castell. Bei der Premiere 2014 meldeten sich acht Kursteilnehmer an, ein Jahr später waren es bereits doppelt so viele. Einige reisten sogar extra aus Ulm und Frankfurt am Main zum Lehrgang an.
Kristin Gräfin von Faber-Castell betont, dass es sich um eine Fortbildung handelt, die keine klassische Kochausbildung ersetzt. Um ein Restaurant zu eröffnen, brauche es noch weitere Qualifikationen, insbesondere auch im betriebswirtschaftlichen Bereich, der bei diesem Weiterbildungskurs bewusst ausgespart wird, um mehr Zeit für die einzelnen Produkte und deren Zubereitung zu haben. „Es ist ein schlankes Konzept, das in kurzer Zeit viel Fachwissen vermittelt", sagt Faber-Castell.
Das ist auch nötig, denn was die vegan-vegetarische Küche angeht, fühlen sich viele Köche trotz Ausbildung ziemlich allein gelassen. Während die Zubereitung von Tierprodukten dort ausführlich gelehrt wird, bleiben für die Grundlagen der pflanzlichen Küche nur wenige Unterrichtsstunden. Dabei gehe es dort eben nicht nur darum, eine Salatplatte hinzustellen oder einfach das Fleisch wegzulassen. „Die vegane und vegetarische Küche ist sehr komplex und gerade deshalb auch sehr interessant", meint Sascha Hölzle, Studientutor bei der Deutschen Hotelakademie (DHA), die Weiterbildungen in den Bereichen Hotellerie und Gastronomie als berufsbegleitendes Fernstudium anbietet.
Auch dort gibt es seit 2015 ein Fernstudium zum vegetarisch-vegan geschulten Koch, zweimal im Jahr startet ein neuer Kurs. „Die Resonanz ist sehr gut, wir haben pro Jahr zwischen 30 und 40 Teilnehmer", berichtet Hölzle. Auch er meint: „In der normalen Kochausbildung wird die pflanzliche Küche momentan nicht ausreichend behandelt." Die DHA-Kurse bieten hierfür eine Ergänzung zur Berufsausbildung. Mittelfristig müsste das Ziel sein, die fleischlose Küche noch stärker in die Kochausbildung zu integrieren. „Der Trend zur veganen Ernährung kam recht schnell, da ist es ganz normal, dass es etwas länger dauert, bis diese Inhalte auch in die Ausbildung mit einfließen. Das muss erst nachwachsen", meint Hölzle.
Sowohl bei der DHA als auch bei den Kursen der IHK wird viel Wert darauf gelegt, dass neben theoretischen Grundlagen auch Praxis gelehrt wird. Bei der Industrie- und Handelskammer stehen dabei neben der Zubereitung eines Frühstücksbuffets und einem vegetarischen Grillabend auch das gekonnte Anrichten und Präsentieren der Speisen auf dem Programm. Seit diesem Jahr besteht eine Kooperation mit Europas ältester Kakteenzucht: Der Inhaber Ulrich Haage stellt essbare Kakteen für die Weiterbildung zur Verfügung. Unter den Teilnehmern der Erfurter Kurse sind immer wieder auch passionierte Fleischesser, die von ihrem Chef zu dieser Fortbildung geschickt wurden, erzählt Kristin Gräfin von Faber-Castell. „Das sind anfangs die kritischsten Teilnehmer. Aber umso größer ist dann später der Aha-Effekt."