Neue Künstler für neue Hörer mit neuem Organisationsteam – die Internationalen Musikfestspiele Saar starten diesen Herbst mit frischen Ideen und einem ganz dicken Ausrufezeichen: Das Friedenskonzert in Verdun sorgt bereits weltweit für Aufsehen. Ein Gespräch mit dem Management-Trio um Bernhard Leonardy.
New Generation heißt das Motto der internationalen Musikfestspiele Saar 2019. Wohin geht die Reise?
Behr: Es geht sowohl darum, junge Hörer zu gewinnen als auch Nachwuchskünstler zu fördern.
Piening: Wir laden die Leute ein: Kommt rein, hört zu, das ist tolle Musik!
Leonardy: Vielleicht ist Musik zur Zeit der einzige Garant dafür, dass die Gesellschaft zusammengehalten wird.
Piening: Hier im Saarland sind wir im Herzen Europas. Deshalb wollen wir Europa als Schwerpunkt setzen.
Behr: Auch der Zeitpunkt ist interessant: Wir kommen zwischen Brexit und Europawahl. Und wir eröffnen mit den 120 besten jungen Musikern aus Europa.
Leonardy: Wir müssen nicht nur die Musikfestspiele in die Zukunft führen, sondern auch die Musik. Wir sind ungebunden, können spielen und experimentieren. Toll finde ich zum Beispiel den Bezug von Frau Behr zur schulischen Ausbildung. Das sehen wir etwa an unserem aktuellen Kinderbuchprojekt.
Das Kinderkonzert am 3. November mit der Geschichte von Peer Gynt?
Behr: Ja, da bekommen die Besucher ein neues, speziell produziertes Buch als Souvenir, inklusive Begleit-CD, sodass man das Konzerterlebnis zu Hause nachvollziehen kann.
Leonardy: Wir planen schon ein Folgeprojekt, die Crowdfunding-Kampagne ist bereits gestartet.
Apropos Crowdfunding: Die Musikfestspiele leiden unter Geldnot, vor allem, seit das Land die Gelder gekürzt hat. Wie sieht’s aktuell mit Landesfördermitteln aus?
Leonardy: Wir hatten sehr viele Gespräche mit dem Kultusministerium und der Staatskanzlei. Wir sind auf einem sehr guten Weg, sind aufgefordert worden, Projektanträge zu stellen. Nun wollen wir erst mal liefern und einlösen, was wir versprechen.
Es ist ein Neustart. Ich bin optimistisch, dass wir in Zukunft Fördermittel erhalten werden. Wir greifen auch gerne Themen auf, die der Landesregierung am Herzen liegen, zum Beispiel die deutsch-französische Freundschaft, das junge Publikum. Wir haben ja auch keine Berührungsängste mit Pop.
Behr: Wir haben nun einen neuen Rhythmus: In einem Jahr ein kleines, im folgenden Jahr ein größeres Festival, jeweils im Frühjahr vor dem „Perspectives"-Festival. Dass wir nun mit „Classic for Neophytes" im Herbst starten, ist eine Ausnahme.
Ist es im Frühjahr nicht schwieriger, große Ensembles zu bekommen? Im Sommer haben die meisten Künstler Spielzeitpause, haben Zeit für Festivals.
Leonardy: Nein, es sind ja viele Orchester im Frühjahr auf Tournee. Und dann kann man auch die Erstbesetzung kriegen – im Sommer machen ja viele Urlaub. So freuen wir uns jetzt schon auf drei herausragende Orchester unseres Festivals 2019: Die Berliner Barocksolisten, die Academy of St. Martin in the Fields und das Europäische Jugendsinfonieorchester.
Die zukünftigen Musikfestspiele werden also öfter stattfinden, aber sie sind auch viel kürzer.
Piening: Ja, ein Monat Zeitfenster ist sehr ambitioniert. Da wäre es auf Dauer schon gut, auch eine strukturelle Förderung zu erhalten, nicht nur projektbezogen. Denn große Stars und Orchester muss man Jahre im Voraus buchen.
Behr: So aber ist es schwierig, eine thematische Ausrichtung durchzuziehen.
Leonardy: Gerade ein neues Publikum wollen wir mit guten Leuten begeistern, mit Qualität.
„Classic for Neophytes" heißt es im Herbst, „New Generation" im Frühjahr. War die Ausrichtung auf junge Nachwuchshörer eine Idee oder ein Wunsch des Kultusministers?
Leonardy: Nein, das Konzept war ein eigener Vorschlag. Wir sind jetzt fokussierter und thematisch kürzer gefasst. Das hat auch bei Sponsoren ein sehr positives Echo hervorgerufen. Mit unserem Förderverein wollen wir möglichst bald die 1.000-Mitglieder-Marke knacken. Eine weitere Daseinsberechtigung des Festivals: Man braucht zu einer internationalen Schule auch ein internationales Kulturangebot. Ich mag ja unsere beiden saarländischen Orchester sehr, aber wir brauchen auch Frischluft von außen. Und: Es ist wichtig für unsere Wirtschaft. Kitaplätze und kulturelles Angebot sind wichtig für die Auswahl eines Standorts.
Welche Rolle spielt nun der Festivalgründer Robert Leonardy?
Leonardy: Mein Vater tritt nun verstärkt als Künstler auf. Er pflegt auch weiterhin seine Sponsorenkontakte. Ich selbst kann ja nicht samstags auf den Fußballplatz (lacht), da ich meist am Wochenende selbst Tastensport in meinen Konzerten betreibe.
Piening: Aber er ist kein Gesellschafter mehr, hat nichts mehr mit dem operativen Geschäft zu tun. Und er hat auch die Größe, sich nicht einzumischen.
Im Hinblick aufs nächste Frühjahr: Da sind doch bestimmt noch ein paar Sachen in der Schwebe, oder? Können wir noch ein paar Überraschungen erwarten, zusätzliche Termine?
Piening: Ja, in der Tat. Wir hätten da noch zwei Sachen … Das können wir aber jetzt leider noch nicht verraten.
Dann mal ganz allgemein: Was haben Sie noch so für Ideen für die Zukunft?
Leonardy: Zum Beispiel Musik und Kulinarik verbinden. Wir setzten diese Idee bereits im kommenden Jahr um mit einem Konzert am 3. und 5. Mai auf der von Leonardo da Vinci erfundenen Viola Organista. Dieses Instrument wird zum ersten Mal im Saarland zu hören sein. Nach dem Konzert gibt es ein Menü aus einem von Leonardo da Vinci verfassten vegetarischen Kochbuch. Anlass ist sein 500. Todestag am 2. Mai 2019.
Auch die Verbindung von Sport und Musik ist in der Mache. Wir sind im Gespräch mit Verantwortlichen des Saarsports, wollen die beiden Lager zusammenbringen.
Als Festival-Veranstalter im Saarland hat man ja immer mit der Suche nach geeigneten Konzertsälen zu kämpfen. Was machen die Pläne zur Saar-Philharmonie?
Leonardy: Die Pläne werden noch betrieben, den Verein gibt es noch. Ich habe da aber eine andere Idee. Gustave Eiffel, Erbauer des Eiffelturms, entwickelte seinerzeit ein Baukastenprinzip für Hallen. Die erste steht in Peru. Meine Idee: Eine Eiffel-Philharmonie als Symbol der deutsch-französischen Freundschaft, von Saarstahl gebaut, am Saarufer zwischen Musikhochschule und Staatstheater. Dann hätten wir dort eine richtige Kulturmeile allererster Güte. Darin steckt ein großes Identifikationspotenzial für die Saarländer, und man könnte leicht Sponsoren finden.
Kommen wir zum Höhepunkt des Herbstprogramms, dem Friedenskonzert am 11. November in Verdun. Wie entstand die Idee zu dieser Veranstaltung?
Leonardy: Seit Jahren pflegen wir ein gutes Verhältnis mit Verdun, oft finden dort Zweitveranstaltungen der Musikfestspiele statt. Da sind Freundschaften entstanden. Vor 20 Jahren war ich der erste Deutsche, der auf der Orgel der Kathetrale von Verdun gespielt hat. Aus dieser Verbindung entstand die Idee zum Friedenskonzert. Auf der Suche nach Förderern entwickelte es sich immer weiter. Arte wird live übertragen. Dann, auf der Suche nach Schirmherren, ging’s Schlag auf Schlag. Zuerst meldete sich Macron, dann Hans, Juncker, Altmaier … Jetzt wollen immer mehr kommen.
Putin ist im Gespräch, und es heißt, dass sogar Trump auftaucht.
Piening: Es gibt wilde Gerüchte, wer noch alles kommen will. Zum Glück ist die Kathedrale riesig. Es gibt jeweils 1.000 Karten für Deutschland und Frankreich. Es gibt bisher noch kein Plakat, aber wir brauchen wegen der Nachfrage auch keine Werbung mehr zu machen. wir sind längst vollkommen ausgebucht, fast wie in Bayreuth.
Leonardy: Dass es so eingeschlagen hat, war selbst für uns überraschend. Wir wollen unser Konzert jetzt aber nicht als politische Bühne missbrauchen lassen, sondern wir machen es für die Menschen. Wann war das Saarland je europäischer? Die Chöre kommen aus Deutschland und Frankreich, übrigens viele junge Sänger darunter. Das ist die Geburtsstunde unseres Festivalchores. Und der Dirigent ist Generalmusikdirektor des Colmarer Musikfestivals.
Das kleine Herbstfestival und die Musikfestspiele im kommenden Frühjahr ähneln sich thematisch. Immer dreht es sich um junge Leute. Was sind die Unterschiede?
Piening: Classic for Neophytes ist eine Art Prolog, spricht Kinder und Jugendliche an, ist ein sogenanntes niedrigschwelliges Angebot.
„New Generation" bezieht sich auf junge Künstler. Leute, die auf dem Sprung zum Star sind.
Wenn Sie nur etwas abseits der großen Publikumsmagnete empfehlen dürften, was wäre Ihr persönlicher Geheimtipp?
Piening: Bin in jedes Konzert verliebt. Dixit Dominus vielleicht? Nein: Orgel und Hiphop.
Leonardy: Die Limburger Domsingknaben, eine sehr traditionsreiche Institution mit wunderbaren Stimmen.
Behr: Hmm, schwierig. Das Eröffnungskonzert im Herbst. Der Inklusions-Song-Contest. Denn für Inklusion gibt es in der Kunst noch eine große Hemmschwelle, hier herrscht noch der Perfektionismus-Gedanke.