Der Kunstpreis des Saarlandes 2018 wird am 28. Oktober an den Schriftsteller Christopher Ecker verliehen. Der Autor schreibt Lyrik, Kurzgeschichten, Romane und Kinderbücher – ein Theaterstück steht noch aus.
Herr Ecker, Sie sind in Saarbrücken geboren und in Neuweiler aufgewachsen. Sie haben in Saarbrücken Germanistik und Philosophie studiert und unterrichten Deutsch und Philosophie an einem Gymnasium bei Kiel. Wie kam es, dass Sie den Südwesten Richtung Norden verlassen haben?
Wegen einer finanziellen Zwangslage. Ich habe mehrere Jahre für einen großen Verlag einen sehr dicken Roman geschrieben. In dem Verlag wechselte die Führungsspitze, und diese wollte das Buch nicht machen, obwohl sie vertraglich verpflichtet gewesen wäre. Plötzlich war ich ohne Veröffentlichungsmöglichkeit und habe gemerkt, dass ich mich als Autor absichern muss durch eine Berufstätigkeit. In Kiel hatte ich zum Glück die Möglichkeit, innerhalb von einem Jahr Nachstudium mein Magisterexamen in ein Staatsexamen umzuwandeln, sodass ich danach in das Referendariat gehen konnte. Diese Möglichkeit hatte ich weder im Saarland noch anderswo.
Also hatten Sie, bevor Sie in den Schuldienst eingetreten sind, die Überlegung, das Schreiben zum Brotberuf zu machen?
Ja, davon bin ich immer ausgegangen. Das sah anfangs auch so aus, als ob das sehr gut klappen könnte, weil ich sehr früh diesen großen Verlag hatte. Mit dem damaligen Verlagsleiter waren auch Folgeromane verbunden. Aber mittlerweile halte ich es für besser nicht das Schreiben zum Brotberuf gemacht zu haben, weil ich dadurch in meinem Schreiben frei geworden bin.
Ihre Bücher lassen sich nicht als marktgängig bezeichnen. Ist das für ihr Schreiben nicht von Bedeutung, oder würden Sie schon gerne einen Bestseller schreiben?
Der Markt ist letztendlich ein Phantom. Ernsthafte Kunst richtet sich nicht nach kommerziellen Erwägungen, sondern entsteht aus innerer Notwendigkeit. In dem Moment, in dem ein Künstler anfängt, für Geld zu schreiben, kann ich ihn ästhetisch nicht mehr ernst nehmen, weil er Zugeständnisse machen muss. Ich bin völlig frei. Die anvisierte Leserschicht, die Leute, die überhaupt noch in Deutschland lesen und Bücher kaufen, sind eigentlich ein festumrissenes, von Marktstrategen analysiertes Publikum und für die wird ein Buch gängig gemacht. Das finde ich, ist der Niedergang der Kunst und ich bin froh, dass ich damit nichts zu tun habe.
Über ihr Lehrer- und Schriftstellerdasein haben Sie gesagt, dass Sie beide Seiten gleichermaßen wichtig finden und sie sich auch gegenseitig guttun. Inwiefern?
Das Schreiben ist ein Prozess in Isolation. Es tut nicht gut, wenn man das durchgehend macht. Die Lehrtätigkeit ist dagegen eine Tätigkeit, bei der man das Gefühl bekommt, dass sich das lohnt. Und: Man befindet sich im Austausch mit anderen Menschen – das ist ganz wichtig.
Sie haben den Deutschen Lehrerpreis 2015 der Kategorie „Schüler zeichnen Lehrer aus" erhalten. Welche Eigenschaft benötigt ein innovativer Lehrer heute?
Das ist eine schwierige Frage. Das gesamte Bildungssystem wird politisch mit gewaltigen Lügen aufgeladen, sodass es schwer ist, da noch klar zu sehen. So wird verkauft, dass große Klassen kein Problem seien. Natürlich sind große Klassen ein Problem. Der Lehrerberuf hat einen schlechten Ruf, zieht auch teilweise Leute an, die nicht wissen, was sie sonst machen sollen. Dass ein Lehrer sich für das, was er selbst unterrichtet, interessiert, ist ja auch keine Selbstverständlichkeit mehr. Das Interesse an der Sache, an der Vermittlung und an Menschen ist, denke ich, für einen Lehrer, ganz wichtig!
Denis Scheck hat ihren 1.000-Seiten-Roman „Fahlmann" 2012 als Entdeckung und „eines der großen Leseabenteuer der deutschen Gegenwartsliteratur" bezeichnet. Wie wichtig war diese Adelung für ihre schriftstellerische Karriere?
Unglaublich wichtig. Wenn ein einflussreicher Kritiker sich äußert, hat das eine große Relevanz, weil das das Werk für das Publikum und andere Kritiker etwas heraushebt.
Skurrile Eigenbrötler haben Sie zur Hauptfigur Ihrer Romane („Fahlmann", „Die letzte Kränkung", „Der Bahnhof von Plön") erkoren. Geben Männer besser seltsame Figuren ab?
Das weiß ich nicht.
Dann frage ich so: Fällt es Ihnen leichter, sich dem eigenen Geschlecht literarisch anzunähern?
Ja, eindeutig. Es fällt mir leichter, mit männlichen Protagonisten zu arbeiten als mit weiblichen. Vor allem, weil ich da das Gefühl habe, dass ich doch auf Beobachtungen und Erfahrungen zurückgreifen kann, die ich sonst vielleicht nicht so hätte. Aber vielleicht ist das ein Trugschluss. Ich glaube in meinen Texten geht es sehr viel um Macht und Hierarchien. Das sind doch männliche Phänomene in unserer Gesellschaft. Natürlich möchte ich Frauen nicht davon ausschließen, auch machthungrig sein zu können, aber das führt jetzt wohl zu weit.
Ihre 87 Erzählungen im Band „Andere Häfen" sind von der Lust am Absurden, am Fantastischen, am Rätselhaften gekennzeichnet. Sind Sie Kafka-Freund?
Ja, das ist ein Autor, den ich sehr schätze.
In ihrem Gedichtband „’schach’dem vollmond" nennen Sie die Namen der Lyriker Benjamin, Morgenstern, Rilke, Baudelaire, Erhardt, Ehrenstein. Welchen nehmen Sie mit auf die einsame Insel?
Wahrscheinlich entscheide ich mich für Rilke. Auf gar keinen Fall würde ich Heinz Erhardt mitnehmen, für den ich nur eine milde Verachtung übrig habe.
Wie das?
Ich finde seine Witzeleien widerwärtig. Das ist diese piefige Fünfzigerjahre-Komik, die in einer Verlogenheit und anbiedernden Art daherkommt, die mich immer sehr unangenehm berührt.
Was zeichnet Rilke für Sie aus?
Das ist wahrscheinlich der Lyriker unter den genannten, mit dem man sich am längsten und intensivsten auseinandersetzen kann. Ich denke hier vor allem an die „Duineser Elegien" und an die „Sonette an Orpheus".
Wie geht es bei ihrem Schreiben zu? Diszipliniert oder improvisiert?
Das hängt von den Projekten ab. Lyrik ist eher entspannend, weil der Prozess des Entstehens etwas Schnelles und Gedankensprühendes in sich hat. Kurze Prosatexte zu
schreiben, macht auch manchmal Spaß, weil ein Ende abzusehen ist. Aber die Romane, das ist harte Arbeit, die können erst geschrieben werden, wenn ein Konzept steht. Ich bin kein Autor, der ins Blaue hineinschreibt. Das Buch muss schon in Grundzügen überlegt sein, bevor ich mich an die Arbeit machen kann, weil alles, was in einem Buch passiert, oder was ich schildere, Funktion haben muss – und das kann es nur haben, wenn ich genau weiß, was ich tue.
Haben Sie nicht auch ein Kinderbuch veröffentlicht?
Ja, eines ist veröffentlicht. Die anderen gelten als unveröffentlichbar.
Den Friedrich-Hebbel-Preis haben Sie 2015 erhalten. Hebbel war Dramatiker und Lyriker. Können Sie sich vorstellen, auch für die Bühne zu schreiben?
Das kann ich mir vorstellen, wenn jemand etwas haben wollte und mich fragen würde. Das Problem ist, dass man in dem Moment, wenn man etwas für eine Aufführung schriebe, Zugeständnisse machen müsste, und das würde ich nicht tun, und deshalb weiß ich nicht, wer mich fragen würde.
Warten Sie mal ab, auch am Theater liest man FORUM…
Ich weiß nicht, ob ich’s mache (lacht). Ich halte mir immer alles offen.
Sie haben alle literarischen Auszeichnungen, die das Saarland zu vergeben hat, erhalten: den Förderpreis für Literatur der Stadt Saarbrücken 1993, den Gustav-Regler-Förderpreis des Saarländischen Rundfunks 2005, den Sonderpreis der Jury des Hans-Bernhard-Schiff-Literaturpreises 2012 und nun den Kunstpreis des Saarlandes. Motivationsanschübe oder hätten Sie auch ohne diese weitergeschrieben?
Es ist wahrscheinlich schon viel zu spät, um über das Aufhören des Schreibens nachzudenken – ich bin jetzt 50. Diese Motivationsschübe von außen sind allerdings extrem wichtig, weil ich dann als Autor das Gefühl habe, dass die Arbeit sich in einem gewissen Sinne lohnt und mit dem Gefühl, dass sich die Arbeit lohnt, lässt es sich einfach besser stundenlang am Rechner sitzen und über erfundene Figuren mit erfundenen Schicksalen nachdenken. So ein Preis ist wirklich sehr motivierend und bedeutet mir auch viel.
Gibt es etwas, was Sie als Saarländer im hohen Norden vermissen?
Mir fallen die Wälder ein, Spaziergänge in Kirkel oder in Schwarzenacker. Gewisse Speisen gibt es hier auch nicht, obwohl der Norden in den letzten Jahren kulinarisch etwas aufgeschlossen hat. Ansonsten kann ich hier oben in Kiel genauso Bücher schreiben wie im Saarland. Anfangs wusste ich nicht, wie sich dieser Ortswechsel auf die Kunst auswirken würde. Aber letztendlich kann ich im Norden witzigerweise noch besser über das Saarland schreiben, weil ich einfach Distanz dazu habe und einige Sachen besser in den Blick bekomme.