Georg Rixmann und Sabine Schwalm haben den Kürbis für sich entdeckt – und das in jeder Form, Farbe und Größe. Während der Supermarkt vielleicht zwei oder drei Sorten anbietet, findet der Liebhaber in ihrem Hofladen bis zu 150 Sorten.
Prall-orange, leuchtend grün oder zart silberschimmernd, kugelrund, birnenförmig oder genarbt – Kürbisse gib es in vielen Formen und Farben. Aber nicht nur das – in ihrer Vielfalt sind sie kulinarische Leckerbissen. Darüber können Georg Rixmann und seine Lebensgefährtin Sabine eine Menge erzählen. Sie bauen in dem „Storchendorf" Linum im Brandenburgischen bis zu 150 Sorten Kürbisse an.
Mit dieser Vielfalt haben die beiden eine Marktlücke gefunden, die der Lebensmitteleinzelhandel nicht füllen kann. Mit drei bis vier Sorten wäre man im Supermarkt schon gut bedient. Im Hofladen bietet sich dem Kunden je nach Kochlust viel mehr Auswahl – auch was die Größe der Früchte betrifft, erläutert Schwalm. Vom 100-Gramm-Winzling bis hin zu 30 Kilogramm schweren Exemplaren kann man hier alles finden. Deutschlands Supermärkte seien arm, meint Rixmann, was die Vielfalt an Obst und Gemüse betrifft. „Wir sind halt ein Land mit Brot, Wurst und Käse – da gibt es eine gigantische Auswahl". Selbst auf den deutschen Wochenmärkten sei das Gemüseangebot im Vergleich zu asiatischen Märkten eher beschämend.
Anfangs musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, um den Kunden neue und weniger bekannte Sorten schmackhaft zu machen. „Die meisten kannten Kürbis nur als süß-sauer eingelegtes Gemüse in Gläsern" berichtet der Landwirt. Der Gelbe Zentner, ein beliebter Riesenkürbis, war billig, überall verfügbar und als einzige Sorte in Deutschland weit verbreitet. Beliebt ist er im Herbst auch als ausgehöhltes Windlicht an Haustüren oder auf Terrassen.
Mussten Kunden neue Sorten schmackhaft machen
In Rixmanns Hofladen gibt es zu jeder Sorte Informationen – Rezeptideen inklusive. Das mögen die Kunden und kommen gern wieder. „Die Vermarktung ab Hof funktioniert auch deshalb so gut, weil genau zur Ernte die Kraniche in Linum landen. Das lockt Gäste von überall her an", freut sich Sabine Schwalm. Wenn wieder einmal jemand „Oh, Squashies" ausruft, weiß sie, dass auch internationales Publikum kommt. Viele sind begeistert, wenn sie Gemüse aus ihren Heimatländern finden. Rixmann nimmt eines der kleinen, kugeligen Gewächse in die Hand. „Das sind Rondinis, auch African Smaragd genannt", sagt er. „Sie stammen ursprünglich aus Südafrika." Bei der Menge an verschiedenen Sorten ist für jeden etwas dabei.
Bio-zertifiziert sind sie eigentlich nicht, aber zu chemischen Mitteln oder anderen radikalen Abwehrmethoden greifen sie nicht. „Wir bauen unser Gemüse so an, wie wir es selber gern essen", sagt Rixmann. Der Hof erfülle zwar die Voraussetzungen für eine Zertifizierung, bekäme aber das Saatgut nicht immer in Bio-Qualität, und Ausnahmegenehmigungen seien zu teuer. Eine Untersuchung der Pflanzen auf 450 Wirkstoffe gängiger Pflanzenschutzmittel in einem unabhängigen Labor ergab, dass sie frei von Schadstoffen waren. „Die Kunden sehen, wie wir arbeiten und vertrauen uns seit vielen Jahren", ergänzt Schwalm. Sobald allerdings über Dritte verkauft würde, in Supermärkten zum Beispiel, wäre ein Bio-Zertifikat hilfreich, für den Verkauf in Bioläden sei es unerlässlich.
Bei der Ernte geht es inzwischen um beachtliche Volumen – in den Wachstumsmonaten produzieren über 40.000 Pflanzen Früchte. Am Ende kommen in einem guten Jahr etwa 100 Tonnen zusammen, in eher durchschnittlichen Jahren 60 bis 80 Tonnen. Genau planen lässt sich der Ertrag jedoch nicht, weil er von zu vielen Faktoren abhängig ist. Dabei spielen nicht nur Sonnenstunden und Regenmengen eine Rolle. Manchmal produziert eine Sorte beispielsweise nur männliche Blüten, dann gibt es kaum Früchte auf dem Feld. In diesem warmen, trockenen Jahr ernteten sie erste Sorten bereits Ende Juni, in anderen Jahren fangen die Pflanzen dann erst an zu wachsen, weil davor die Bodentemperatur noch nicht passt.
Die Kürbis-Leidenschaft der beiden nahm ihren Anfang Ende der 90er Jahre. Beide kannten das Gemüse nicht von Haus aus. Während des Studiums Ende der 80er-Jahre in Berlin hatten sie sich kennengelernt. Kurz nach der Wende entstand die Idee, im Berliner Umland Obst und Gemüse anzubauen. Rixmann entstammt schließlich einer Familie mit langer landwirtschaftlicher Tradition. Auf eine Zeitungannonce meldete sich eines Tages ein Landwirt aus Linum. Das Paar fuhr zum Besichtigungstermin. „Auf einem der Felder standen Kraniche – das waren die ersten, die ich in meinem Leben gesehen habe" schwärmt Schwalm heute noch. Sie wertete das als gutes Zeichen.
Tonnenweise Kürbisse
Der Eigentümer war seriös, der Ort war durch die Kraniche und Störche von touristischem Interesse und eignete sich zudem für die Direktvermarktung – der Deal war perfekt. Um den jungen Betrieb auf eine solide Basis zu stellen, kauften sie den Hof und absolvierten beide „nebenher" eine Lehre zum Gärtner für den Obstbau. Im Sommer arbeiteten sie auf dem Feld, im Winter drückten sie die Schulbank. Eher beiläufig experimentierte die Bäuerin im Hausgarten mit dem Anbau ihrer ersten eigenen Kürbisse. Anfangs dienten sie als Dekoration im Hofladen, „weil die bunte Ecke im Herbst einfach schön aussah neben dem anderen Gemüse."
Zunächst versuchte das Paar sein Glück mit der Produktion und dem Verkauf von Erdbeeren. 1996 fuhren sie die erste Ernte ein. „Doch nur Erdbeeren anbauen, schien uns zu riskant", sagt die Obstgärtnerin. „Sie verderben schnell." Deshalb entschieden sie sich, Gemüse ins Portfolio aufzunehmen. Zur Jahrtausendwende bauten sie auf einem halben Hektar zum ersten Mal acht Sorten Kürbisse an. Dazu gehörten neben dem bekannten Gelben Zentner auch die bei deutschen Kunden beliebten, leuchtend orangefarbenen Hokkaidos und türkische Turbane. Die heißen so wegen dem Korkrand in ihrer Mitte und sehen aus, als wären sie aus einem Blumentopf herausgewachsen.
Der Spaß am Experimentieren wuchs mit der Zahl neuer Sorten. Auf mittlerweile vier Hektar bauen die beiden jedes Jahr ihre Kürbisvielfalt an: „Neben unseren Bestsellern Hokkaido, Acorn und Muskatkürbis probieren wir in jeder Saison Neues aus", sagt Rixmann. „Dabei testen wir nicht nur, wie sie wachsen, sondern auch ihre Eigenschaften im Verzehr." Damit beim Anbau der vielen Sorten nichts durcheinandergeht, muss die Aussaat akribisch dokumentiert werden, denn manche sehen sich zum Verwechseln ähnlich. Auf den Feldern stehen also akkurat Schildchen mit den Namen der jeweiligen Sorte. Wichtig bei der Auswahl sei, dass sie das Klima in Deutschland vertragen. Begeistert zählt der Kürbisfan die Herkunftsländer auf: Südafrika, Japan, Indien, USA, Russland, Türkei.
Kürbisse sind im Gegensatz zu den schnell verderblichen Erdbeeren wenig empfindlich und gut in der Küche verwertbar. Sie brauchen Wärme, nährstoffreichen Boden und ausreichend Wasser. Aber bitte nicht so viel davon wie im Jahr 2017, lacht Schwalm. Damals überflutete Starkregen die Äcker und ließ den größten Teil der Pflanzen und Früchte vergammeln. Leicht lagern lassen sie sich auch. Sorten wie der Wachskürbis aus China halten sich dank ihrer Wachsschicht bis zu zwei Jahre. Sie bewahrt die Frucht vor dem Austrocknen. „Es kann schon vorkommen, dass die Samen im Kürbis auskeimen, wenn er zu lange liegt", weiß Schwalm aus Erfahrung. Die durchschnittliche Lagerfähigkeit liegt bei den meisten Sorten bei optimalen Bedingungen – trocken und um die 15 Grad – zwischen drei bis acht Monaten. Die Haupternte findet zwischen August und Oktober statt. Der Frost bestimmt nicht nur die Aussaat der Pflanzen ins Freiland, sondern auch das Ende der Erntephase, denn Kürbisse vertragen keinen Frost.
Kochen, braten oder backen – Kürbisse sind vielseitig
Einen Lieblingskürbis gibt es auf dem Hof nicht. Es käme ganz auf die Zubereitung an, meint Rixmann. Manche schmecken gebraten vorzüglich oder sogar roh. Andere eignen sich für Suppen, Kuchen oder Pürees. Sogar Kürbiseis hat er schon produziert (war kein Erfolg). Einige sind lecker als Gemüse, da sie bissfest bleiben. In dünnen Scheiben angebraten bringt beispielsweise der „Acorn" –
zu Deutsch „Eichelkürbis" – sein knackig-nussiges Aroma voll zur Geltung. Er ist etwa ein Kilogramm schwer und hat die Form einer Eichel. Er kann mit Schale und roh genossen werden. „Auf dem Backblech im Ofen wie Kartoffelecken zubereitet ist er ein Gedicht", schwärmt der Gourmet. Man könne ihn wie in den USA üblich auch mit Butter und braunem Zucker füllen – das Ergebnis sei dann allerdings ziemlich kalorienhaltig.
Der Klassiker unter den Suppenkürbissen ist der Hokkaido. Obwohl nach einer japanischen Insel benannt und auch dort gezüchtet, ist er in Japan eher unbekannt. Dort
wie auch andernorts in Asien werden bevorzugt graue und grüne Kürbisse verarbeitet. „Wenn Japaner nach Deutschland kommen, sehen sie oft zum ersten Mal einen orangefarbenen Hokkaido und sind erstaunt", erläutert die Fachfrau.
Dank seiner festen Konsistenz ist der „Pink Banana" ein ausgezeichneter Gemüsekürbis, der bei internationalen Wettbewerben für seinen Geschmack schon Preise abgeräumt hat. Der kleine weiße Baby Boo, auch Linumer Maronenkürbis genannt, eignet sich zum Füllen und ist beliebt bei den Kunden. Inspiration für neue Experimente holen die beiden sich auf Auslandsreisen oder auch mal aus Saatgutkatalogen internationaler Händler. Dort sind mehr als 800 Sorten aufgelistet. Es gibt für die Züchter also noch Luft nach oben.