Zypern hat als Urlaubsziel in den letzten Jahren einen großen Sprung nach vorne gemacht. Zu Recht, gibt es doch kaum ein touristisches Ziel, das so viele Möglichkeiten bietet.
An das Datum kann sich auf Zypern noch jeder erinnern: 20. Juli 1974, 6 Uhr. Ohrenbetäubender Lärm erfüllte die malerische Bucht von Kyrenia, dem heutigen Girne. Im Morgengrauen liefen Landungsboote am flachen Strand auf. Panzer wurden abgesetzt, und 8.000 türkische Infanteristen besetzten die umliegenden Ortschaften. Gleichzeitig wurde die Inselhauptstadt Nikosia von Kampfbombern angegriffen. Damit begann die Teilung Zyperns in eine griechische und eine türkische Zone, und daran hat sich bis heute nach 44 Jahren nichts geändert. Aus den Zonen entstanden die Republik Zypern und die Türkische Republik Nordzypern, die jedoch nur von der Türkei anerkannt wird. Nikosia wird von einer Mauer durchzogen, und ist damit die einzige geteilte Hauptstadt der Welt. Für Besucher ein beklemmendes Bild. Kleine Gassen, die abrupt vor Betonplatten enden. Zugemauerte Fenster und immer wieder Wachtürme, auf denen gelangweilte UN-Soldaten die Tage verdösen. Denn viel zu überwachen gibt es nicht. Auch keinen Schießbefehl wie einstmals in Berlin. Drastische Maßnahmen sind auch gar nicht erforderlich, seit es inzwischen sieben Grenzübergänge gibt, quer über die Insel verteilt. Der bekannteste davon liegt mitten in Nikosia in der Ledra Street. Die Ein- und Ausreise, wenn man das denn so nennen kann, ist gut organisiert. Erst ein kurzer Stopp am Außenschalter der Republik Zypern – Pass- oder Ausweiskontrolle per Computer. Danach, wenige Meter weiter, das Gleiche nochmal bei den Grenzern der Türkischen Republik Nordzypern. Der Übergang ist inzwischen eine Touristenattraktion. „Checkpoint-Charlie-Feeling", was ein cleverer Kneipenwirt klar erkannte, der seinen Laden mit einem entsprechenden Schild zu einem beliebten Fotomotiv gemacht hat. Am Übergang selbst aber heißt es: „Fotografieren strengstens verboten." Warum, kann vermutlich niemand so recht erklären. Nach 44 Jahren sollte jeder Stein erfasst sein. Während es auf der griechischen Seite am Grenzübergang wenig zu sehen und zu tun gibt, herrscht auf der türkischen Seite dagegen pralles Leben. Ein ausgedehnter Basar ist entstanden, wie man ihn in vielen türkischen Städten findet. Läden reihen sich aneinander, auf der Straße backen Frauen orientalische Spezialitäten. Es ist laut. Internationales Stimmengewirr wird überlagert von lokaler Musik. Außerdem gibt es Cafés und kleine Restaurants. Und Nordzypern ist günstig, um nicht zu sagen billig. Der Niedergang der türkischen Lira hat dazu beigetragen, dass besonders in der Gastronomie für ausländische Touristen die Preise noch einmal gefallen sind. Auf der anderen Seite der Grenze, im westlichen Zypern, müssen Besucher schon etwas tiefer in die Tasche greifen. Seit der Einführung des Euro im Jahr 2005 hat sich das Preisniveau fast an deutsche Verhältnisse angeglichen. Zumindest in den größeren Städten, wie auch in Nikosia. Dort gehören zum Besuchsprogramm die Johannes-Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert und der Präsidentenpalast, wo einst Erzbischof und Präsident Makarios residierte. Er stand an der Spitze der Freiheitsbewegung von Zypern, das bis dahin britische Kronkolonie war. 1959 wurde die Unabhängigkeit besiegelt, und Makarios gewann mit großer Mehrheit die Präsidentenwahl. Die wenigsten Touristen kennen die bewegte Geschichte der Insel, die durch die Teilung immer noch nicht zur Ruhe gekommen ist. Für sie ist der Ausflug in den türkischen Teil der Hauptstadt eine besondere Erfahrung.
Nordzypern ist besonders günstig
In den letzten Jahren hat Zypern einen großen Sprung nach vorn gemacht. Noch vor wenigen Jahren wirkten viele Städte etwas heruntergekommen. Das hat sich dank großzügiger finanzieller Hilfe aus Brüssel grundlegend geändert. Die Infrastruktur wurde kräftig ausgebaut, die Straßen sind hervorragend, und auch die kleineren Orte wirken frisch renoviert. Inzwischen sind auch viele der oft etwas angestaubten Hotels durch moderne Neubauten ersetzt worden, sodass alle Voraussetzungen vorhanden sind, Zypern touristisch einen neuen Schub zu geben. Denn die Insel im östlichen Mittelmeer hat lange unter der Billigkonkurrenz in der Türkei, Tunesien oder Ägypten gelitten. Dabei gibt es kaum ein touristisches Ziel, das Urlaubern so viele Möglichkeiten bietet. Der größte Touristenort Paphos war 2017 Kulturhauptstadt und hat sich diesen Titel redlich verdient. Die Stadt, die lange als Aneinanderreihung von gesichtslosen Hotels galt, hat ihren Charakter vollständig geändert. Die Altstadt mit ihren engen Gassen ist zu einem lebendigen Zentrum geworden, während der Turm des Kastells am alten Hafen und die Ausgrabungen aus der antiken Geschichte das ihre dazu beigetragen haben, aus Paphos eine kulturell spannende Stadt zu machen. Zypern ist sicher eine Insel für den Badeurlaub, auch wenn viele Strände eine Mischung aus Kies und Sand sind. Aber es ist auch eine Insel für Entdecker und Aktivurlauber. Das gilt besonders für das ausgedehnte Troodos-Gebirge. Kleine Straßen schlängeln sich durch dichte Pinienwälder, zwischendurch kommt immer mal wieder ein kleines Dorf. Wer es sportlich angehen möchte, kann den höchsten Gipfel anstreben, der mit 1.952 Metern eine respektable Höhe aufweist. Ein hervorragendes Wanderrevier, nicht nur im Herbst und im Winter. Denn auch im Sommer ist es in der Höhe mild, um abseits des Massentourismus die Insel zu entdecken. An den Hängen des Troodos-Gebirges wächst auch der zypriotische Wein. Es gibt inzwischen zahlreiche Weingüter und Kellereien, die durchaus respektable Weine keltern. Denn das war nicht immer so. Früher wurde überwiegend für den heimischen Markt produziert, ohne großen Qualitätsanspruch. Berühmt war nur der schon im Mittelalter exportierte Commandaria, ein süßer Wein, der nicht jedermanns Geschmack ist. Im Weingut der Familie Argyrides im Dörfchen Vasa setzt man auf modernste Verarbeitungsmethoden, um auch auf den internationalen Märkten bestehen zu können. Rebecca Argyrides leitet den Betrieb. Die charmante Gastgeberin hat viel über ihren Wein zu erzählen. „Unsere Weinberge liegen etwa 750 Meter hoch. Dort existiert ein besonderes Mikroklima, und die Wurzeln der Weinstöcke reichen tief in den Boden hinein, um auch in Trockenzeiten genügend Wasser zu bekommen. Inzwischen haben wir mit unseren Weinen internationale Preise gewonnen." Vasa ist übrigens typisch für viele andere Dörfer. Die Häuser schmiegen sich an die Hänge, verbunden mit kleinen Gassen. In der Mitte der traditionelle Dorfplatz mit der Kirche und natürlich eine Taverne. Früher verkehrten dort nur die Einheimischen; heute kommen mehr und mehr Urlauber. Typisch ist auch die traditionelle Meze, eine nicht enden wollende Abfolge von Speisen. Salate, Oliven, marinierte Pilze, Hackfleischbällchen, Humus, gebackenes Lamm – es nimmt einfach kein Ende. Und dazu natürlich der einheimische Wein.
Viele Aktivurlauber kommen aus dem nicht allzu weit entfernten Limassol oder aus der größten Stadt, Larnaca. Beide gehören zu den Urlaubszentren mit zahlreichen Hotels und Promenaden am Meer und sind auch für einen Kurzurlaub geeignet. Massentourismus pur herrscht dagegen weiter im Norden, in Ayia Napa. Dort reihen sich Hotels, Kneipen und Geschäfte endlos aneinander. Fast eine Kopie von Arenal auf Mallorca, allerdings mit dem schönsten Sandstrand im griechischen Teil Zyperns. Viele der überwiegend jüngeren Urlauber kommen aus England und Skandinavien. Im Sommer heißt das: Dauerparty, Alkohol und Lärm.
Ab 2019 bessere Flugverbindung
Fast in Sichtweite von Ayia Napa bietet sich ein beklemmendes Bild. In der Sperrzone, die heute die ganze Insel durchzieht: vielstöckige Ruinen. Die Betonskelette der ehemaligen Hotels ragen am langen Strand von Varosia in den Himmel. Sperrgebiet – Betreten verboten. Vor 1974 blühte dort der Tourismus. Eine Art Mallorca im östlichen Mittelmeer. Aus der Ferne bekommen Besucher einen Eindruck vom Niedergang seit 44 Jahren. Über einen der sieben Übergänge können Touristen nach Nordzypern einreisen, um sich die sehenswerte Stadt Famagusta, türkisch Gazimagusa, anzuschauen. Die verwinkelte Altstadt, die historische Stadtmauer, die Lala-Mustafa-Pascha-Moschee, eine einst gotische Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert, und viele Bauten aus venezianischer Zeit sind Zeugnisse einer bewegten Vergangenheit. Inzwischen ist auch Nordzypern zurück auf der touristischen Landkarte, auch in Prospekten deutscher Reiseveranstalter. Aber verglichen mit dem griechischen Teil mit einem bescheidenen Angebot. Die Musik spielt auf der anderen Seite der Grenze. Inzwischen sehen auch die deutschen Touristik-Unternehmen große Chancen auf der viertgrößten Insel im Mittelmeer. Mallorca ist im Sommer überfüllt, andere Regionen wie die Türkei, Tunesien oder Ägypten haben ihre eigenen Probleme. Patrick Hogrefe, Tui-Produktmanager: „Die schöne Aphrodite soll wachgeküsst werden; die Insel bei deutschen Urlaubern populär gemacht werden." Aphrodite, die Göttin der Schönheit und der Liebe, soll am Strand in der Nähe von Paphos dem Meer entstiegen sein. Von dieser Schönheit wollen jetzt alle profitieren. Bisher hatte Zypern allerdings immer ein Problem mit der Fluganbindung. Aber das soll sich ändern. Tuifly wird ab dem Sommer 2019 zweimal pro Woche ab Düsseldorf und Frankfurt fliegen, und auch andere Airlines haben die Insel der Aphrodite bereits jetzt im Programm.
Man verspricht sich einiges von Zypern, und auch der Winter ist ausbaufähig. Milde Temperaturen sind eine gute Voraussetzung für Städtereisen, und Golfer finden in der Nähe von Paphos inzwischen vier hervorragende Plätze.
Nordzypern wäre mit seiner abwechslungsreichen Landschaft und zahlreichen wenig erschlossenen Stränden eine ideale Ergänzung. Aber das dürfte wohl noch lange Zeit eine Illusion bleiben. Es wird zwar ständig weiter verhandelt, aber bisher ohne Ergebnis. Also wird es weiter eine 217 Kilometer lange Sperrzone, genannt „green line", quer über die Insel geben mit der einzigen geteilten Hauptstadt der Welt.