Ein gutes halbes Jahr nach Übernahme der Regierungsspitze soll Ministerpräsident Tobias Hans auch die Parteispitze der Saar-CDU übernehmen. Seine Wahl fällt in eine Zeit, in der die Union um ihr Profil als Volkspartei kämpft und vor einem Generationswechsel steht.
Als Drehbuchidee, um einen bislang nicht sonderlich bekannten jungen Politiker zur Aufmerksamkeit und Popularität zu verhelfen, wäre es wohl als ziemlich unrealistisch zur Seite gelegt worden. Wer käme bei einem solchen Auftrag schon auf die Idee, binnen weniger Monate als Stationen vorzusehen: Vorsitzender Ministerpräsidentenkonferenz, Antrittsbesuch des Bundespräsidenten, Aufwartung eines ausländischen Königspaares, Geburt von Zwillingen und schließlich die Kanzlerin als Gast beim nächsten Karriereschritt?
Es sind Stationen von gerade mal etwas mehr als einem halben Jahr als Ministerpräsident. Tobias Hans scheint ganz im Zeichen seines Namens zu stehen, wird doch der Name Tobias, aus dem Hebräisch stammend, gemeinhin als „Gott ist gütig" übersetzt.
Das aber ist nur die eine der bekanntlich zwei Seiten, die eine Medaille hat. Dass Tobias Hans überhaupt Anfang März mit gerade mal 40 Jahren jüngster Ministerpräsident eines Bundeslandes geworden ist, hängt wesentlich mit dem Zustand seiner Bundespartei und dem Wahlerfolg seiner Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer zusammen.
Wenn eine Partei den Anspruch erhebt, Volkspartei zu sein, dann muss sie Wahlergebnisse mit einer Vier vorne erreichen, hatte sich Kramp-Karrenbauer, kurz AKK, immer wieder überzeugt gezeigt. Im Wahlmarathon der letzten eineinhalb Jahre war sie die Einzige, die genau das geliefert hatte. Und das bei der Saarlandwahl vor eineinhalb Jahren in einem Umfeld, als die SPD gerade mit Martin Schulz zu neuen Höhenflügen angesetzt hatte. AKK behielt bekanntermaßen die Nerven, ihr Wahlerfolg leitete die Entzauberung des Schulz-Hypes ein. Diese Messlatte, die AKK im Saarland gelegt hatte, erreichten weder die übrigen CDU-Landesverbände noch die Bundespartei. Trotz NRW-Sieg zeigte der Gesamttrend nach unten, es folgte das Trauerspiel um den Jamaika-Versuch in Berlin, die ungeliebte Neuauflage der Bundes-GroKo und der Überraschungscoup. Mit einem Wechsel von AKK nach Berlin hatte man schon lange gerechnet. Dass sie als Generalsekretärin einer in Teilen orientierungslos gewordenen CDU den Status einer Volkspartei sichern sollte, hatte jedoch keiner auf dem Plan.
Start zwischen schönen Bildern und Altlasten
Ebenso wenig war ausgemacht, dass der damalige Fraktionschef Tobias Hans in die Staatskanzlei wechseln würde. Andere in der CDU galten als aussichtsreichere Kandidaten. Das Amt eines Ministerpräsidenten muss man mit allen Fasern wollen, sagt einer aus der Führungsriege der Partei. Hans wollte. Selbstbewusst und, damals zumindest noch, von einigen etwas unterschätzt. Dass er gleichzeitig in Personalunion auch den Parteivorsitz wollte, gehört mit dazu.
Dabei stand und steht die Landes-CDU unter enormem Druck. In Folge des millionschweren Skandals um den Landessportverband (LSVS) trat eine zentrale Figur der Saar-CDU, Klaus Meiser, sowohl als Landtags- als auch als LSVS-Präsident, was er beides in Personalunion ausübte, zurück. Justiz und ein Landtagsuntersuchungsausschuss haben mit der Aufarbeitung viel zu tun, zumal immer neue Details ans Tageslicht kommen und Innen- und Sportminister Klaus Bouillon immer mehr in den Fokus rückt. Im Saarland sind knapp 40 Prozent der Menschen in einem Sportverein und damit von diesem Skandal tangiert.
Tobias Hans, dessen Vater bereits als langjähriger Fraktionschef führend in der Saar-CDU tätig war, war bis zu seinem Amtsantritt den wenigsten Saarländern außerhalb des Landkreises Neunkirchen, wo er einen umtriebigen Landratswahlkampf bestritten hatte, ein Begriff. Ein Schicksal, das die meisten Fraktionschefs von Regierungsfraktionen kennen. Das hat sich in den letzten Wochen und Monaten geändert. Nicht nur durch das äußerst günstige Zusammentreffen von Ereignissen, die positive Bilder liefern. Er selbst hat sich einen Besuchsmarathon bis in die letzten Winkel des Landes auferlegt und damit auch eines seiner Versprechen zum Amtsantritt angepackt, nämlich nicht zu warten, bis Menschen auf die Politik zukämen, sondern zu den Menschen zu gehen, auch wenn es mal nicht so angenehme Begegnungen und Erfahrungen werden würden.
Im „Saarland-Trend" vom Juni spiegelte sich das nicht wider. Dort dürfte vielmehr abzulesen sein, wie die bundespolitischen Schlagzeilen auf die Stimmungslagen im ganzen Land durchschlagen, wurde die Erhebung doch zum Höhepunkt des von Bundesinnenminister Horst Seehofer betriebenen Streits um die Flüchtlingspolitik durchgeführt. In der Folge büßte auch die Saar-CDU bei der Sonntagsfrage im Vergleich zur Landtagswahl mehr als fünf Punkte ein, kam aber immer noch auf im Bundesvergleich beachtliche 35 Prozent. Die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der Arbeit Landesregierung nach wenigen Monaten unter dem neuen Ministerpräsidenten war zwar geringer als ein Jahr zuvor, lag aber immer noch bei ordentlichen 60 Prozent.
Saar-CDU mit starkem Einfluss in Berlin
Die Saar-CDU hat den Personalwechsel, der auch aufgrund des Rücktritts von Landtagspräsident Meiser umfassender ausfiel, vergleichsweise geräuschlos absolviert. Die Bundesvorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel, die sich ziemlich kurzfristig zu diesem Parteitag angesagt hat, trifft auf einen Landesverband, in dem wie andernorts auch Unmut und verständnisloses Kopfschütteln über das Treiben in Berlin in den letzten Monaten weit verbreitet ist, der aber zugleich auch für die innerparteilichen Machtverhältnisse ein für die Größe des Landes außerordentliches Gewicht hat. Dafür stehen der Bundeswirtschaftsminister und ehemalige Kanzleramtschef Peter Altmeier ebenso wie Kramp-Karrenbauer, beide Merkel-Vertraute, deren Wort bei der Kanzlerin und CDU-Bundesvorsitzenden Gewicht hat. Die geplante Wahl zum Landesparteichef wird Tobias Hans zwischen Bayern- und Hessenwahl nur wenig Raum für Schlagzeilen lassen.
Das muss nicht zwingend ein Nachteil sein. Seine Grundpositionen und politischen Akzente hat er als Ministerpräsident bereits deutlich gemacht. Einen Schwerpunkt beschrieb der gemäßigte Konservative in seiner Regierungserklärung unter der Überschrift: „Heimat im digitalen Zeitalter". Die Saar-CDU mit ihren über 16.000 Mitgliedern gilt innerhalb der Union traditionell als eher konservativ-liberal und pragmatisch.