Deutschland braucht mehr Frauen in Führungspositionen. Davon ist Elke Rieder, Vorsitzende der Saarbrücker Business and Professional Women, überzeugt. Dann aber braucht es auch eine vernünftige Vereinbarkeit von Familie und Beruf, denn zufriedene Mitarbeiter sind für Unternehmen bares Geld. Der dritte Beitrag aus unserer Serie „Kind, Kegel, Karriere".
Frau Rieder, der BPW-Club setzt sich für starke Frauen in der Wirtschaft ein. Wie beurteilen Sie persönlich die Entwicklung von Frauen, die Karriere und Familie miteinander kombinieren, sowohl in Führungspositionen, als auch als selbstständige Unternehmerinnen?
Es ist eine Entwicklung hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf – und hier die Karriere – und Familie zu erkennen. Jedoch stehen wir bezüglich des Anteils der Frauen in Führungspositionen, von Vorständen und Geschäftsführerinnen sowie Führungskräften in Handel, Produktion und Dienstleistungen, im EU-Ländervergleich auf Platz 20. Das ist mehr als erschreckend und zeigt, dass wir hinsichtlich der Karriere von Frauen im Kontext der Vereinbarkeit Familie und Beruf noch einige Hausaufgaben zu erledigen haben.
So schließt der Wunsch nach Karriere also die Familienplanung nicht aus?
Nein, er schließt sich insbesondere im Zeitalter der Digitalisierung und im Arbeiten 4.0 nicht mehr aus. Hierzu sind jedoch innerbetriebliche Rahmenbedingungen (flexible Arbeitszeiten und Möglichkeit für mobiles Arbeiten) sowie infrastrukturelle Weichen zu legen, beispielsweise die für Homeoffice notwendige Internetgeschwindigkeit am Wohnort, genügend Betreuungsplätze für Klein- und Schulkinder, aber auch bezahlbare Angebote für haushaltsnahe Dienstleistungen.
Sie als Vorsitzende des BPW-Clubs Saarbrücken bekommen doch sicherlich Rückmeldungen über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ihrer Mitglieder. Was stellt die größte Hürde dar?
Viele Frauen haben insbesondere nach familiären Auszeiten wie beispielsweise der Elternzeit oder der Pflege von Angehörigen die Sorge, dass sie nicht mehr als vollwertige Arbeits- oder Führungskraft angesehen werden. Einige Frauen verschweigen ihre Elternzeiten in ihren Lebensläufen, da sie befürchten, dass sich ihre Auszeit negativ auf ihre Karriere auswirkt. Nach dem Motto „die hat nun ein Kind, also ist sie nicht mehr belastbar". Unsere Erfahrung aber ist, dass diese Auszeiten die Frauen weiterentwickeln und prägen. Sie erwerben informelle Kompetenzen, die auch auf den Arbeitsplatz übertragbar sind. Nur wenige Unternehmen erkennen dieses und nutzen diese erworbenen Kompetenzen. Dieser stärkenorientierte Ansatz – auch hinsichtlich des lebenslangen Lernens – ist unseres Erachtens aber ein wesentlicher Faktor für die intrinsische Motivation von Mitarbeiterinnen.
Aus gesellschaftlicher Sicht haben es Unternehmerinnen aber heute doch sicherlich einfacher als noch vor einigen Jahren, oder?
Ich würde sagen, dass Unternehmerinnen immer schon gezwungen waren, das eigene Unternehmertum und die Familie zu vereinbaren. Der zeitliche Aufwand als Selbstständige geht ja weit über die acht Stunden Angestelltenarbeitszeit hinaus und Teilzeit oder Elternzeit ist sehr selten umsetzbar. Klar, in einigen Fällen können wir die Kinder mit in die Firma nehmen oder ein Kindermädchen oder eine Haushaltshilfe einstellen. Auf jeden Fall brauchen wir jemanden, der sich um die Bedürfnisse der Familie bis in die Randzeiten kümmert. Denn in der Regel ist der Partner ja ebenfalls berufstätig. Nur wenn wir wissen, dass unsere Lieben in guten Händen, sind können wir uns voll und ganz dem Aufbau und der Leitung des Unternehmens widmen. Aber es hatte und hat seinen Preis, und damit meine ich nicht nur die Gehaltskosten oder Kita-Kosten.
Ein schlechtes Gewissen, sich ständig entscheiden zu müssen, was jetzt wichtiger ist, oder das Gefühl, wichtige Entwicklungsschritte der Kinder zu verpassen und zu wenig Zeit mit der Familie verbringen zu können, können dir auch eine Ganztags-Kita oder -schule, ein Kindermädchen, eine Haushaltshilfe oder die Unterstützung durch die Großeltern nicht nehmen.
Ist es demnach nicht immer noch ein trauriges Zeugnis, dass über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf überhaupt diskutiert werden muss?
Die Frage sollte nicht sein, ob die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sinnvoll oder nützlich ist, sondern nur, wie sie etabliert wird. Studien zeigen längst, dass der Return on Invest (ROI) von familienfreundlichen Maßnahmen bei 25 Prozent liegt. Es wurde längst erkannt, dass die neuen Generationen Y und Z ihr Augenmerk eben nicht mehr auf die Karriere oder das Gehalt legen, sondern auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diesen Markt gilt es – insbesondere im Hinblick auf den Fachkräftemangel und -sicherung – zu bedienen. Unternehmen, die das nicht erkennen, laufen die Gefahr, abgehängt zu werden, da die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Wettbewerbsvorteil darstellt. Als zusätzliche Herausforderung in der Vereinbarkeit auch noch die private Pflege hinzukommt.
Sehen Sie von gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder politischer Seite Handlungsbedarf, um Unternehmerinnen noch mehr zu stärken?
Es wird immer wieder bemängelt, es würden zu wenige Frauen gründen, aber mal ehrlich, wer unterstützt denn Unternehmerinnen im Muttersein? Sehen wir gesellschaftlich schon wohlwollend auf Männer, die zurückstecken, um ihre Frauen zu unterstützen? Oder lassen wir zu, dass sie belächelt werden, wobei dies das kleinste Übel ist. Und setzen wir diese Frauen nicht auch noch gesellschaftlich und politisch unter Druck, in dem wir zulassen, dass sie sich mit ihren Männern und den gewählten Rollen und Hierarchien vielleicht deplatziert oder schlecht fühlen.
Was würden Sie Frauen, insbesondere Müttern raten, wenn Sie sich über die Verwirklichung ihrer beruflichen Ziele Gedanken machen?
Zunächst ist es ratsam zu erkennen, welche beruflichen Ziele sie konkret haben und woran sie Erfolg festmachen. In diesem Zusammenhang sollten sie ihre Kompetenzen kennen und auch beispielsweise Elternzeiten hinsichtlich ihrer weiterentwickelten Kompetenzen reflektieren. Und sich auf eine wirkliche partnerschaftliche Vereinbarkeit einlassen, den Partner nicht zum Handlanger, sondern zum echten Partner in Sachen Vereinbarkeit machen und gemeinsam als eine Einheit zu den gewählten Rollen stehen; in der eigenen und angeheirateten Familie, im Freundeskreis, in der Öffentlichkeit, der Arbeitswelt und gegenüber Kunden, Kollegen und Kolleginnen. Ich würde jeder Frau raten, sich ein fachliches und soziales Netzwerk aufzubauen; Die sozialen Medien, wie auch das Frauennetzwerk BPW, sind dafür die richtigen Orte. Auch Mentoren und Mentorinnen können Frauen unterstützen, die eigenen Ziele zu erreichen.