Seit Jahren wird um die Zukunft der Schwimmbäder im Land gestritten. Unstrittig ist, dass eine landesweite Planung und ein Bäderkonzept notwendig sind. Ankündigungen zum Trotz blieb der große Wurf aus, eine Arbeitsgruppe soll’s richten. Aber auch dort geht nichts wirklich voran.
Dick gefüllte Ordner stapeln sich am Tischrand. Norbert Kugler kennt die Geschichten zu jedem Schriftstück, holt gelegentlich etwas aus, um die Zusammenhänge deutlich zu machen. Es ist die unendlich erscheinende Geschichte um die Bäderlandschaft im Saarland. Norbert Kugler hat sie in vielen Facetten in den Jahrzehnten als Präsident des Saarländischen Schwimmbundes (SSB) miterlebt, begleitet sie heute noch aktiv als Ehrenpräsident. Die Diskussion um die Schwimmbäder im Land ist für ihn ein inzwischen mehr als ärgerlicher Dauerbrenner.
Etliches, was seit Jahren die Diskussion bestimmt, hat weit zurückliegende Ursachen. Einiges lässt sich an der großen Gebietsreform 1974 festmachen. Kugler hatte die Führung des Schwimmbundes sieben Jahre zuvor mit gerade mal 30 Jahren übernommen. In diesen Jahren erlebte das Saarland so etwas wie einen Boom beim Schwimmbadbau. Um die erhitzten Gemüter bei der großen Reform zu besänftigen, wurden übers Land die Gemeinden mit Wohltaten beglückt. Dort ein neues Rathaus, hier eine Kulturhalle, und andernorts eben Schwimmbäder. Dabei ging unter, dass dies für die Gemeinden mit erheblichen Folgekosten verbunden sein würde. Allerdings zog die Politik in Gestalt der ersten saarländischen Sportkonferenz (vier Minister und sieben Vertreter des Sports unter anderem mit Norbert Kugler als einzig verbliebenem Zeitzeugen) Konsequenzen. In der Folge stellte die Sportplanungskommission eine weitere Förderung des Schwimmbadbaus ein. In wesentlichen Zügen resultiert die heutige Bäderstruktur im Land aus diesen Jahren.
Mit Anfang der 2000er-Jahre wirkte sich schließlich ein neuer Trend auch im Saarland aus. Einfach nur Schwimmbäder wurde einigen zu langweilig, die Zukunft schien Spaß- und Erlebnisbädern zu gehören. 2001 öffnete das Calypso in Saarbrücken die Tore. Dafür wurde das beliebte, aber stark renovierungsbedüftige Stadtbad St. Johann – unter Protesten – aufgegeben. Im selben Jahr initiierte die Sportplanungskommission Überlegungen zu einer Sportstättenerhebung.
Freiwillige Leistung oder Kulturgut?
2003 gab es dann eine Studie über Sportstätten und das Sportverhalten im Saarland im Zusammenhang mit einer bundesweiten Sportstättenstatistik. Auftraggeber war das Innenministerium, damals unter Leitung von Annegret Kramp-Karrenbauer, mit der Sportplanungskommission, Autoren der Studie waren Eike Emrich und Werner Pitsch.
Die reine Statistik wies damals 62 Hallenbäder aus, bei drei Viertel war Sanierungsbedarf angezeigt, was über dem Bundesdurchschnitt lag. Ähnlich sah es bei den damals 44 Freibädern aus. Norbert Kugler wies seinerzeit auf Schwächen der Statistik hin. Für die Erhebung sei ein „Uraltformular des Bundesinnenministeriums" verwendet worden, das nicht differenziere zwischen öffentlichen Hallenbädern und Schulschwimmbecken. Trotzdem hielt sich seither hartnäckig der Eindruck, das Saarland sei mehr als gut mit Schwimmbädern gesegnet.
Die Diskussion entwickelte sich als Dauerbrenner, je klammer sich die kommunale Finanzsituation darstellte. Schwimmbäder gehören zu den freiwilligen kommunalen Leistungen und schlagen mit Hunderttausenden Euro jährlich zu Buche. Kommunalgutachter Martin Junkernheinrich nannte Zuschussbeträge von zwischen 500.000 und 800.000 Euro im Schnitt, ähnlich die Einschätzungen des Städte- und Gemeindetages.
Als vor fünf Jahren die Schließung Saarbrücker Bäder zur Diskussion stand, verwies Kugler vor dem Rat der Landeshauptstadt auf die damals bereits erfolgten Bäderschließungen: Quierschied, Kleinblittersdorf, Heusweiler, Sulzbach, Homburg, Oberthal, später auch noch Bexbach, dazu eine Reihe von Schulschwimmbädern und Lernschwimmbecken. Insgesamt, so der Städte- und Gemeindetag, ist das Angebot an Hallenbädern seit 2002 um mehr als ein Drittel (37 Prozent) zurückgegangen. Der Schwimmbund kann die Folgen an einem schmerzhaften Mitgliederverlust ablesen. Die Zahl sank in diesem Zeitraum von rund 8.000 auf rund 5.000. Auch die DLRG klagt über die Folgen.
Schwimmbadschließungen mögen „kurzfristig finanzielle Entlastungen" bringen, dabei werde aber ihre Bedeutung als „weicher Standortfaktor verkannt", heißt es in einer Resolution, die 2014 vom damaligen Präsidenten des Landessportverbandes, Gerd Meyer, den Spitzen des Schwimmbundes sowie einer Reihe weiterer Verbände bis hin zum Sportlehrerverband unterzeichnet wurde. Schwimmbäder dürften nicht weiter als freiwillige Leistung erachtet werden, seien vielmehr „ein Kulturgut". Schon damals wurde ein „Landesentwicklungsplan Schwimmen", eine „die Kommunen übergreifende Planung" gefordert. Kugler hob zudem die Funktion der Schwimmbäder in der gesundheitlichen Daseinsvorsorge hervor. Das trifft junge Menschen, von denen immer weniger schwimmen lernen, ebenso wie Senioren, die sich mit schwimmen fit halten.
Mit dem 2015 von Junkernheinrich vorgelegten Kommunalgutachten hat die Diskussion um die Bäderlandschaft eine weitere Etappe erreicht. Öffentliche Bäder seien für die Altersgruppe der 65-Jährigen „der wichtigste Einflussfaktor für das Sportverhalten insgesamt", gleichzeitig gehöre Schwimmen „zu den kostenintensivsten Sportarten, die Kommunen subventionieren". Deshalb müsse zwischen den „Gesichtspunkten der Effizienz und Gemeinwohlorientierung" abgewogen werden. „Eine alleinige Ausrichtung auf Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte ist nicht zweckmäßig". Langfristig brauche es eine Steuerung durch einen Landesentwicklungsplan oder eine landesweite Bäderleitplanung, heißt es in dem Gutachten. Damit bestätigt der Gutachter Forderungen aus den unterschiedlichen Bereichen, von Kommunen über Sport bis zu weiteren Verbänden (Lehrer, DLRG). Der Städte- und Gemeindetag sah dafür bereits 2014 „den Ball im Feld des Innenministeriums".
Anfang vergangenen Jahres, also kurz vor der Landtagswahl, legte dann Innenminister Klaus Bouillon (CDU) im zuständigen Landtagsausschuss seine Überlegungen vor. Dabei war im Kern bereits skizziert, worum sich auch anderthalb Jahre später gestritten wird. Schwimmbäder seien eine Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung, das Land könne nicht eingreifen, hieß es. Möglicher Ausweg: Kommunen könnten einen Zweckverband gründen oder in einer GmbH zusammenarbeiten. Alles weitere solle eine Arbeitsgruppe besprechen. Die Eckdaten der Herausforderung: Jährlich stecken die Kommunen knapp 30 Millionen Euro in ihre Bäder, der Deckungsgrad liegt bei etwa 27 Prozent im Durchschnitt, der Sanierungsstau bei knapp 68 Millionen Euro. Das Land plant ein Förderprogramm von zehn Millionen Euro, verteilt auf zwei Jahre. Die Reaktion des damaligen und heute weiterhin Koalitionspartners SPD: Das bleibe „leider weit hinter dem ursprünglich von Minister Bouillon angekündigten Bäderkonzept zurück". Und die damals noch im Landtag vertretenen Grünen kritisierten, es handele sich lediglich um eine Bestandsaufnahme, eine nachhaltige Lösung der Finanzprobleme sei damit nicht in Sicht. Kurzum: das Problem wurde auf die Zeit nach der Landtagswahl vertagt.
Trägergesellschaft für das Land
Eineinhalb Jahre später klingen die Vorwürfe ganz ähnlich. Innenminister Bouillon und die Große Koalition wollten offensichtlich vor der Kommunalwahl (Mai 2019) „absichtlich kein Bäderkonzept mehr vorlegen", so Grünen-Landeschef Markus Tressel. Obwohl der Innenminister „bereits im Februar 2015 großspurig ein landesweites Bäderkonzept" angekündigt habe, sei bislang „bis auf eine simple Bestandsanalyse weit und breit nichts zu sehen".
Die von Bouillon angekündigte Arbeitsgruppe hat inzwischen zweimal getagt. Norbert Kugler saß mit am Tisch und zeigte sich enttäuscht über die seiner Ansicht nach wenig professionelle Vorbereitung seitens des Ministeriums. Letztlich sei die Runde auch nur mit den im Wesentlichen bekannten Vorlagen konfrontiert gewesen, und das sei „wenig mehr als nichts" gewesen im Blick auf ein landesweites Konzept. Zudem seien einige Forderungen des Ministers schlicht „illusorisch". Etwa die Forderung des Ministers an die Kommunen, einen Kostendeckungsgrad von 60 Prozent bei den Schwimmbädern zu erreichen. Derzeit liegt der Deckungsgrad im Schnitt bei unter 30 Prozent. Das Ziel wäre zwangsläufig mit einer massiven Erhöhung der Eintrittspreise verbunden, was wiederum mit Besucherrückgang eine Spirale nach unten bedeuten würde.
Offenbar gibt es auch unterschiedliche Interpretationen über den Zweck dieser Experten-Arbeitsgruppe mit Vertretern des Ministeriums, Kreisen, Kommunen, Schwimmbund und DLRG. Der Minister selbst knüpft offenbar die zugesagte zwei mal fünf Millionen Investitionshilfen daran, dass man sich in der AG auf ein gemeinsames Konzept verständigt. Dazu hätten sich die Kommunen bislang aber nicht klar positioniert. Die wiederum kontern: Außer der konstituierenden Sitzung habe es erst „eine einzige weitere Sitzung" gegeben, in deren Anschluss die Bürgermeister erst einmal über die „seitens des Innenministers aufgeworfenen Fragen" diskutieren mussten. Insbesondere geht es dabei um Trägerstruktur und Finanzierungsmodelle.
Unter anderem steht im Raum, im Zuge interkommunaler Zusammenarbeit bei Beschaffung oder technischem Betrieb zu kooperieren.
Aus Sicht der Schwimmer ist zumindest klar: „Eine Trägergesellschaft für das Land wäre das Vernünftigste", wobei Norbert Kugler noch einen Schritt weiter geht: Die „idealste" Lösung wäre eine Bädergesellschaft.