Ein Fahrrad hatte er nicht dabei, dafür ein Türschild. Fünf Jahre ist es nun her, dass sich Horst Seehofer bei den Saarländern nachhaltig unbeliebt gemacht hat: Wenn man mit dem Fahrrad im Saarland unterwegs sei, stelle sich die Frage, was man nachmittags unternehmen könne. Bayrische Bierzelte tobten, das Saarland konterte mit einer Einladung zur Fahrradtour. Seehofer kneift seither, seine großen Sprüche einem Realitätstest zu unterziehen. Nun heftet er in Lebach ein „AnKER"-Schild an, wissend, dass es nicht den gnadenlosen Abschiebezentren entspricht, die er eigentlich im Sinn hatte. Der Mann aus Bayern, der Flüchtlinge und Merkels Politik als „Mutter aller Probleme" ausgemacht hat, ist selbst zum Vater der Probleme geworden.
Seine Versuche, die AfD durch Kopieren kleinzuhalten, haben den Beweis für die These erbracht, dass man Populisten durch diese Methode nur stark macht. Dazu hat Seehofers Schlammschlacht mit Markus Söder selbst getreue CSU-Sympathisanten scharenweise in die Flucht getrieben. Und was ihn dazu getrieben hat, Merkel-Bashing zu seinem Markenkern zu entwickeln und sich als bayrische Trump-Ausgabe aufzuführen, darüber darf spekuliert werden.
Keine Spekulation ist, dass sein brachiales Gebaren maßgeblichen Anteil daran hat, wie sich die politische Atmosphäre und das Bild von Politik in diesem Land verändert hat. Es ist nicht nur die Rhetorik, die maximale Härte signalisieren sollte, aber vor allem populistische Hülsen lieferte. Es ist viel Symbolpolitik, die Begriffe besetzt, aber kaum ernsthafte Lösungen anbietet.
Den Vertrauensverlust in „die Politik", der sich wesentlich gegen die Volksparteien wendet, alleine Seehofer anzulasten, wäre zu viel der Ehre. Aber dass sein Auftreten vor allem darauf angelegt war, andere zu beschädigen, namentlich Angela Merkel, und dabei den kompletten Imageschaden der Politik als Kollateralereignis in Kauf genommen hat, steht außer Frage. Angela Merkel ist bereit zu Konsequenzen aus den Entwicklungen. Für Seehofer ist es längst überfällig, seine zu ziehen. Das löst nicht alle Probleme, eröffnet aber zumindest Chancen dafür.