Die Mitglieder von Cypress Hill haben in den vergangenen Jahrzehnten 18 Millionen Platten verkauft und beinahe genau so viele Joints geraucht. 2019 wird die Rap-Crew mit einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame geehrt. Sen Dog über das neueste Bandopus „Elephants on Acid".
Sen Dog, was bedeutet der surreal anmutende Titel „Elephants on Acid"?
Er ist DJ Muggs im Traum erschienen. Für mich persönlich ist das ein wirklich toller Titel für ein Album. Er bedeutet, dass wir dazu fähig sind, seltsame Klänge zu erschaffen. Mit der Platte gehen wir zurück zu unseren Wurzeln, aber gleichzeitig tauchen wir auch in einen völlig neue Welt ein.
Woher kommt der psychedelische Einschlag auf der Platte?
Wir sind alle von ganz unterschiedlichen Musiken beeinflusst, Rock gehört definitiv dazu. Ich mag insbesondere psychedelisch angehauchte Bands wie The Grateful Dead, Deep Purple, The Doors. Wir wollen mit jeder Platte Neuland betreten.
Rock war revolutionär in den 60er-Jahren. Heutzutage kommt alles Innovative vom Hip-Hop. Wie erklären Sie sich das?
Hip-Hop-Bands wie Cypress Hill haben schon immer versucht, etwas anderes als Mainstream zu machen. Wir haben in den vergangenen 30 Jahren mit unserer Musik sowohl Heavy Metal als auch Reggae-Hip-Hop erkundet. Was uns auszeichnet, ist ein Faible für seltsame Sounds.
Ist Rock tot?
Nein, ist er nicht. Das ist absurd! Wir waren mit Cypress Hill den ganzen Sommer über in Europa auf Tournee und konnten dort einen ganzen Haufen großartiger Rockbands erleben. Davon, dass Rock’n’Roll nicht aus der Mode gekommen ist, zeugen Ozzy Osbourne, Judas Priest, Guns N’Roses, AC/DC, die alle noch Konzerte spielen. Rap hat sich praktisch von Anfang an mit Rock vermischt. Es hat immer wieder tolle Songs in dieser Art gegeben. Als der Rock’n’Roll aufkam, wurde er übrigens maßgeblich von Schwarzen geprägt, den Nachfahren der Sklaven. Sie schufteten auf den Baumwollfeldern.
Was bedeutet Ihnen Rockmusik heute?
Rock’n’Roll gehört zum musikalischen Erbe der Menschheit. Zwischen Hip-Hop und Rockmusik gibt es Parallelen. Als ich in den 70er-Jahren anfing, mich für Musik zu interessieren, war ich von Black Sabbath, Led Zeppelin, Kiss und Thin Lizzy fasziniert. Das waren alles keine Mainstream-Acts. Rock’n’Roll, Hip-Hop und Heavy Metal wird es immer geben.
Ihr Bandkollege B-Real hat voriges Jahr mit den Prophets of Rage ein sehr politisches Album gemacht. Hat sich das auch auf Cypress Hill ausgewirkt?
Ich sehe mich nicht als Rebell, meine Musik ist frei von Politik. Sie kommt direkt aus meinem Geist und meinem Herzen. Auf unserer Platte geht es eher um Good Vibes und Stoner Music. Politik hat da keinen Platz. Wenn überhaupt, dann rebelliere ich gegen jene Leute da draußen, die immer noch Marihuana verteufeln. Schließlich nutzen immer mehr Ärzte und Wissenschaftler das medizinische Potenzial von Cannabis.
Ihr Album klingt, als wären Sie im Studio high gewesen. War das tatsächlich der Fall?
Wenn man Marihuana als Droge bezeichnet, dann lautet die Antwort Ja. Wir sind mit Rapmusik aufgewachsen. Ich weiß noch, wie es plötzlich diese irre neue Band gab, die Beastie Boys. Die machten wirklich merkwürdige Musik. Aber alle sind darauf abgefahren. Wir verkaufen keine Drogen auf der Straße, wir machen Musik. Unser Anspruch ist, diese Musik so anders und so attraktiv zu gestalten wie möglich. Es wäre furchtbar langweilig, die ganze Zeit nur herumzusitzen und immer dasselbe zu machen. Lieber jetten wir um die Welt und lassen uns von den verschiedensten Sachen inspirieren, die wir hören. Für unsere Ohren klingt unsere Musik auch gar nicht seltsam, sondern sie reift, wächst und entwickelt sich ständig weiter.
Marihuana verändert spezielle Regionen im Gehirn. Eine Kreativdroge?
Das sagt man, ich bin mir aber nicht sicher, ob es auch stimmt. Wenn ich Marihuana rauche, macht mich das auf jeden Fall kreativer. Es versetzt mich in einen Zustand, der es mir ermöglicht, die Musik auf ein nächsthöheres Niveau zu heben. Ich werde eins mit dem Reim, und er trägt mich davon. Marihuana ist ein Kreativwerkzeug, das hervorragend geeignet ist, um Kunst zu machen. Das kann jeder Künstler bestätigen. Marihuana ist eine Macht – und wir nutzen sie für uns.
Warum glauben Sie, dass Jesus ein „Stoner" (Deutsch: Kiffer) war?
(lacht) Den Song hat B-Real geschrieben. Da müssen Sie ihn fragen!
Keine Angst, dass Kreationisten Ihnen Blasphemie vorwerfen könnten?
Nein. Ich fürchte mich nicht vor diesen Leuten. Das sind Heuchler, die viel Mist reden. Nach außen hin leben sie streng nach der Bibel und beten Jesus an, und zu Hause rauchen sie Marihuana und trinken Alkohol wie jeder andere auch. In der Öffentlichkeit geben sie gern das Bild von einem perfekten Menschen ab. Echt peinlich, diese übertrieben religiösen Typen! Ich glaube auch an Gott, aber weder an die Kirche noch an jene Heuchler, die den ganzen Tag mit der Bibel herumlaufen. Ist mir doch wurscht, was die über unsere Songs denken!
Warum glauben so viele vermeintlich intelligente Amerikaner nicht an die Evolution?
Vor allem in den Südstaaten gibt es zahlreiche Familien, die seit 250 Jahren streng nach der Bibel leben und sie eins zu eins interpretieren. Sollen sie ruhig machen, solange sie andere nicht mit ihrem Kram behelligen! Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um Menschen von meiner Spiritualität und meinem Glauben zu überzeugen. Jeder soll sein Leben so leben wie er es gern möchte. Hauptsache, man fühlt sich wohl in seiner Haut.
Was ist Ihre Philosophie als Künstler?
Zuerst einmal will ich gut sein in dem, was ich tue. Im besten Falle sogar großartig. Ich möchte mich ständig neu herausfordern und künstlerisch nicht auf der Stelle treten. Auch mein Publikum möchte ich gern herausfordern. Es soll sich gemeinsam mit mir und meiner Kunst verändern. Mit Cypress Hill könnten wir zum Beispiel „How I Could Just Kill A Man" immer wieder auf dieselbe Art und Weise spielen. Das wäre uns aber zu langweilig. Ein wahrer Künstler muss immer ehrlich zu sich selbst sein und in Kauf nehmen, nicht immer die Nummer eins zu sein. Nur wenn man sich selbst treu bleibt, wird man überleben und erfolgreich sein.
Träumen Sie davon, eines Tages in Ihrer Heimat Kuba aufzutreten?
Ja, ich würde sehr gern für meine Familie in Kuba spielen. Ich habe das Land verlassen, als ich sieben Jahre alt war und es seitdem nicht wiedergesehen. Aber meine Wurzeln sind mir sehr wichtig. Es wäre toll, die Kubaner eines Tages mit meiner Musik unterhalten zu dürfen.