Frank Hördler wurde beim mäßigen Saisonstart der Eisbären Berlin schmerzlich vermisst. Jetzt ist der Olympia-Held zurück auf dem Eis – sehr zur Freude seiner Trainer.
Das wäre dann doch ein bisschen zu schnell gegangen. Bei der Nominierung für den traditionsträchtigen Deutschland-Cup in Krefeld Mitte November fehlte der Name von Frank Hördler. Bundestrainer Marco Sturm hat den Olympia-Helden von Pyeongchang aber nicht aussortiert, ganz im Gegenteil. Nach den vielen Rücktritten nach dem Olympia-Märchen mit der Silbermedaille braucht Sturm die Erfahrung des 33-jährigen Hördler mehr denn je.
Doch bevor der Verteidiger der Eisbären Berlin andere Spieler wieder führen kann, muss er selbst zurück zu alter Stärke finden. Ein halbes Jahr hat Hördler verletzungsbedingt aussetzen müssen. „Ich hatte in beiden Adduktoren und im Bauchmuskel Einrisse. Bei der Heilung hat sich das gegenseitig behindert", erklärt Hördler den verhältnismäßig langen Heilungsprozess. Zwischendurch stand es sogar so schlimm, dass der Kämpfer am Rande der Verzweiflung war. „Es gab Momente während meiner Verletzung", sagt er, „in denen ich Angst um meine Karriere hatte. Wenn man so lange hier ist und Hockey spielt und von jetzt auf gleich nicht mehr teilnehmen kann, ist das echt hart."
Seine Rückkehr Anfang Oktober war von den nur mäßig in die neue Saison gestarteten Berlinern herbeigesehnt worden. „Er ist ein Schlüsselspieler in der Defensive", sagt Eisbären-Trainer Clément Jodoin. Zu Saisonbeginn habe Hördler nicht nur als „großer Kämpfer auf dem Eis", sondern auch als Führungsspieler in der Kabine gefehlt, so Jodoin: „Er hat eine riesige Präsenz im Team, eine Aura. Er ist ein Mentor."
Der in Bad Muskach, einer Kleinstadt in der Oberlausitz, geborene Hördler ist im deutschen Eishockey längst eine Institution. Bei allen sieben Meistertiteln der Eisbären in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) war Hördler dabei, oft war er einer der prägendsten Akteure im jeweiligen Meisterteam. Er gehört dem berühmten Jahrgang 1985 an, der aus dem anfangs belächelten DDR-Club den DEL-Rekordmeister gemacht hat. Doch weder Florian Busch noch Jens Baxmann oder André Rankel spielen noch eine so große Rolle bei den Eisbären wie Hördler.
„Angst um meine Karriere"
Der Verteidiger, der seit 2003 für Berlin die Schlittschuhe schnürt, spielt seine 16. DEL-Saison. Ein Ende ist nicht in Sicht. Warum auch? Hördler ist nach wie vor sehr beweglich, reaktionsschnell und umsichtig. Das bewies er auch bei seiner Rückkehr. In den ersten vier Spielen nach der langwierigen Verletzung gelangen ihm zwei Assists, im Schnitt war er 17:41 Minuten auf dem Eis.
„Wir haben nicht erwartet, dass er schon wieder so viele Minuten spielt", sagte Coach Jodoin. Sein Vorgänger Uwe Krupp soll anfangs kein so großer Fan von Hördler gewesen sein. Als Bundestrainer setzte Krupp den Verteidiger beim WM-Eröffnungsspiel 2010 auf Schalke vor der Rekordkulisse von fast 78.000 Zuschauern auf die Tribüne. Eine Maßnahme, die lange nachwirkte. Doch als Trainer der Eisbären wusste Krupp die konstanten Leistungen von Hördler sehr zu schätzen. Er habe sich bei der Beurteilung des fleißigen und zweikampfstarken Verteidigers getäuscht, gab der zu Sparta Prag abgewanderte Krupp zu: „Er ist eine Säule der Eisbären."
Manager John Peter Lee wusste das immer, deswegen gab es für ihn auch nie einen Zweifel, wenn der Vertrag in Berlin so wie in diesem Frühjahr mal wieder auslief: Hördler bleibt ein Eisbär. Schließlich brachte Hördler auch ein gewichtiges Argument in die Verhandlungen mit ein: Silbermedaillengewinner bei Olympia. Es waren Hördlers erste Winterspiele, nachdem er zuvor viermal vergeblich Anlauf genommen hatte. Und dann ist er genau wie seine Berliner Teamkollegen Marcel Noebels und Jonas Müller gleich Teil einer Sensation, eines deutschen Eishockey-Märchens, das noch lange in Erinnerung bleiben wird. „Grundsätzlich sind wir alle hingefahren mit dem Gedanken, dass es eine tolle Reise wird", sagt er. „Dass wir dann aber so einen Lauf haben, alles so wunderbar zusammenpasst, das hätte sicherlich keiner vorhersagen können."
Hördler erinnert sich noch gut daran, wie er kurz vor der Kadernominierung für Olympia auf den Anruf von Bundestrainer Marco Sturm gewartet hat. Das sei „sehr nervenzehrend" gewesen – sehr zum Leidwesen seiner Frau: „Wenn ich zu hibbelig werde, ist meine Frau sehr direkt und sagt: ‚Jetzt reicht’s!‘" Seine Familie gibt ihm großen Rückhalt, die Zuneigung der Fans im privaten Raum braucht er dagegen nicht. Instagram, Facebook und Co. sind nicht das Ding von Frank Hördler: „Ich bin einer, der nicht gern in der Öffentlichkeit steht oder viel preisgibt." Auch Interviews gibt der eher stille Profi selten, auf roten Teppichen hat man ihn wohl noch nie gesehen.
„Er macht eine fantastische Arbeit"
Hördler fühlt sich auf dem Eis halt am wohlsten. „Jeder Tag, an dem ich hier die Halle betreten kann, ist für mich ein schöner Tag", sagt er. Die Leidenschaft für das schnelle Spiel mit dem Puck ist familienbedingt. Auch sein Vater Jochen, DDR-Meister mit Dynamo Weißwasser, und sein Bruder spielten Eishockey. In einem Drittligaspiel für den ERC Selb standen einmal alle drei Hördlers gemeinsam auf dem Eis. „Das war so unglaublich", sagt Frank Hördler, „das war das Prägendste für mich." Sein Vater war und ist sein größtes Vorbild, auf und neben dem Eis. „Er hat sich in einer Art und Weise vor die Familie gestellt, dass es mich einfach beeindruckt", sagt Hördler junior. „Egal, welchen Mist mein Bruder oder ich gemacht haben". Die Werte und Ideale seines Vaters versucht er auch an seine zwei eigenen Söhne weiterzutragen. Eine Vaterfigur ist Hördler auch für die jungen Eisbären-Profis. Denen gibt er Tipps, wie sie sich professionell auf ein Spiel vorbereiten, im Zweikampf cleverer agieren oder mit Sieg und Niederlage umgehen können. Vor allem Kai Wissmann und Daniel Fischbruch traut er den Sprung in die Nationalmannschaft zu. „Die Möglichkeit ist in jedem Falle da", sagt er.
Noch will er seinen Platz im Nationalteam aber nicht freiwillig räumen. Wenn er wieder richtig fit ist, würde Hördler gern wieder das Trikot mit dem Adler auf der Brust tragen, „weil es absolut Spaß macht", sagt er. „Die Nationalmannschaft ist immer eine herrliche Sache, gerade Weltmeisterschaften und große Turniere." Aber natürlich hat ihn die lange Verletzungspause auch zum Nachdenken gebracht: „Es ist nicht so einfach, wenn man verletzt ist und im Sommer nicht so viel machen kann. Ich muss jetzt erst mal reinkommen und dann weiter entscheiden."
Ein wichtiger Grund, weiter für Deutschland zu spielen, sei der Bundestrainer. „Er macht wirklich eine fantastische Arbeit", schwärmt Hördler über Marco Sturm. Der frühere NHL-Star verbinde auf optimale Weise harte Arbeit und Spaß, so Hördler. „Sportlich, menschlich, seine Erfahrung und dass er vor nicht allzu langer Zeit noch Spieler war, dieses gesamte Paket ergibt ein gutes Bild." Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit. Bundestrainer Sturm und auch Eisbären-Coach Jodoin sind froh, dass Hördler endlich zurück ist.