Celia Sasic hat bereits mit 27 ihre Karriere als Fußballerin beendet. Doch die Zeit danach wurde nie langweilig. Nun hat Sasic mitgeholfen, die EM 2024 nach Deutschland zu holen. Und wird wohl auch bis zur Austragung des Turniers in sechs Jahren mitarbeiten, damit es ein Fußballfest wird.
Bei der Lektüre der „Bild"-Zeitung vom 27. September konnte man den Eindruck bekommen: Celia Sasic ist der neue Franz Beckenbauer. Galt der Fußball-Kaiser als derjenige, der Deutschland – wie im Endeffekt auch immer – die WM 2006 beschert hat, so soll es bei der EM 2024 die Ex-Nationalspielerin gewesen sein, die Deutschland letztlich den Zuschlag sicherte. Mit einem „beeindruckenden Vortrag gegen Rassismus" habe sie eine entscheidende Rolle gespielt. Und so titelte die „Bild": „Sasic machte die EM endgültig klar."
Celia Sasic muss schmunzeln, wenn sie darauf angesprochen wird. „Ich war Teil der 21-köpfigen Delegation, war bei der Präsentation eine von fünf Personen, die sich den Fragen der Exekutiv-Mitglieder der Uefa stellte, und habe deshalb sicher meinen Teil zum Erfolg beigetragen", sagt sie: „Aber es haben unzählige Menschen einen ganzen Haufen Arbeit in diese Bewerbung gesteckt. Daher möchte ich gar nicht so in den Vordergrund gestellt werden."
So ist Celia Sasic, so war sie immer. Ehrgeizig und eifrig, aber eben vor allem eine Teamplayerin. Doch wahrscheinlich war es auch in anderer Hinsicht hier so ein bisschen wie auf dem Fußball-Feld: Celia Sasic hat für die (mit-)entscheidenden Treffer gesorgt. Zusammen mit DFB-Präsident Reinhard Grindel, Generalsekretär Friedrich Curtius und dem Weltmeister und potenziellen Chef des Organisations-Komitees, Philipp Lahm, hatte Sasic der Uefa zuvor schon die deutschen Bewerbungsunterlagen übergeben. Das Bewerbungsbuch umfasste stolze 868 Seiten, dazu kamen 760 Seiten im Anhang. Alles in allem wog das Bid Book 8,65 Kilogramm.
Konkrete Fragen zum Thema Integration oder gar zum mit lauten Getöse und Vorwürfen aus der Nationalmannschaft zurückgetretenen Weltmeister Mesut Özil habe es bei der Befragung nicht gegeben, berichtet Sasic. Aber die Exko-Mitglieder hätten durchaus Interesse an der Menschenrechts-Strategie gehabt: „Die hat der DFB als wohl erster Verband weltweit entwickelt."
„Mehr Multikulti geht nicht"
Dass Deutschland die EM 2024 bekommen hat, freut Sasic sehr. „Jeder, der die WM 2006 oder auch die Frauen-WM 2011 mitbekommen hat, weiß, welches Wahnsinns-Gefühl das ist. Egal, ob man es als Fan oder als Spieler miterlebt", sagt sie: „Die beiden Turniere damals haben dem Fußball in Deutschland einen unglaublichen Schub gegeben und waren auch für die Gesellschaft sehr wichtig. Wir sind ja damals selbst über uns erschrocken, wie gastfreundlich und wie offen wir sein können. Und es wäre toll, wenn wir diesen Effekt noch einmal erzielen könnten." Gerade in politisch instabilen Zeiten, in denen das positive Gefühl beim Anblick einer wehenden Deutschland-Fahne bei vielen schon wieder gemischten Gefühlen gewichen ist. „Ein solches Turnier ist immer eine Chance, dass wir alle wieder enger zusammenrücken", sagt die 30-Jährige: „Dass wir merken, wie schön diese Vielfalt in der Gesellschaft ist, und dass alles andere keine Rolle spielt."
Kaum ein anderer und kaum eine andere kann diese Botschaft so glaubwürdig vermitteln wie Celia Sasic.
Geboren wurde sie 1988 in Bonn als Tochter einer Französin und eines Kameruners. 2013 heiratete sie den ebenfalls in Deutschland geborenen Kroaten Marko Sasic, den Sohn des langjährigen Zweitliga-Trainers Milan Sasic. „Mehr Multikulti geht nicht", schrieb der DFB in einem Porträt. „Da kommt kulturell schon einiges zusammen", sagt Sasic lachend: „Und ich empfinde es als wunderschönes Privileg, mir quasi das Beste aus allen Kulturen aussuchen zu können." Welcher Teil in ihr der prägendste ist, vermag sie deshalb gar nicht zu sagen. „Ich bin geprägt von allen Seiten", sagt sie: „Das ist ja gerade das Schöne. Manchmal ertappe ich mich bei Dingen, bei denen ich sage, die sind typisch für die eine Kultur. Und dann wieder bei komplett anderen."
So scheint sie auch prädestiniert dafür, eine Botschafter-Rolle für die Euro in sechs Jahren zu übernehmen. „Es gab schon lose Gespräche, beidseitiges Interesse und Gedankenspiele", berichtet sie: „Aber noch ist nichts spruchreif. Man muss schauen, wie meine Rolle dabei aussehen kann." Klar ist für sie, dass sie gern mitwirken würde, auch aus diesem Turnier wieder ein Sommermärchen zu machen. „Natürlich wäre ich grundsätzlich gern ein Teil davon", sagt sie: „Wenn man das Ganze mit angefangen und auf den Weg gebracht hat, will man es gerne auch fortführen und zu Ende bringen."
Klar ist, dass die Euro immer wieder an der famosen Männer-WM 2006 gemessen wird. Das ist eine Herausforderung, aber auch ein gewisser Druck. „Die Messlatte haben wir damals selbst sehr hoch gelegt", sagt Sasic, die bei diesem Turnier zwar erst 18 war, aber als bis heute zweitjüngste Nationalspielerin (im Alter von 16 Jahren und 215 Tagen) schon im A-Team debütiert hatte. Bei der Frauen-WM 2011 war sie dann als Spielerin dabei und erzielte beim deutschen 2:1-Sieg gegen Kanada im Eröffnungsspiel vor 74.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion das vorentscheidende 2:0. „Klar ist aber auch", sagt Sasic, „dass wir nicht unter der Messlatte landen wollen. 2024 soll es ein ähnliches Fest werden. Das einzige, was wir nicht beeinflussen können, ist das Wetter. Bei allem anderen werden wir uns bestmöglich vorbereiten."
Immer alles weitergedreht
Doch egal, wie groß ihre Rolle im Umfeld dieses Turnieres sein wird: Langweilig wird Celia Sasic ganz bestimmt nicht werden. 2015 hatte sie ihre Karriere als Spielerin im Alter von nur 27 Jahren überraschend beendet. Bereut hat sie es bis heute nie. „Es hat sich immer alles weitergedreht. Ich hatte immer so viel zu tun, dass ich überhaupt keine Zeit hatte, wehmütig zu werden", sagt sie: „Mein Leben ist großer Spaß."
Dabei war ihre Laufbahn als Stürmerin – die sie größtenteils unter ihrem Geburtsnamen Celia Okoyino da Mbabi absolvierte – sehr erfolgreich, und in einigen Karriere-Jahren mehr hätten einige Rekorde fallen können. Mit 111 Länderspielen liegt sie gleichauf mit den späteren Bundestrainerinnen Silvia Neid und Steffi Jones auf Platz 17 der ewigen Bestenliste des DFB. Bei den Rekordtorschützinnen belegt sie mit 63 Treffern sogar Rang vier hinter Birgit Prinz (128), Heidi Mohr (83) und Inka Grings (64). Mit acht Dreierpacks führt sie diese Rangliste gemeinsam mit Prinz an.
2009 und 2013 wurde sie Europameisterin, sie gewann den DFB-Pokal 2014 und Olympia-Bronze 2008. Auf ihrem Zenit war sie ausgerechnet im Jahr ihres Rücktritts 2015. Damals gewann sie die Champions League, wurde in der Bundesliga, der Königsklasse und bei der WM Torschützenkönigin, zum zweiten Mal nach 2015 Deutschlands Fußballerin des Jahres, beste Spielerin in Europa und Zweite bei der Wahl der Weltfußballerin hinter der US-Amerikanerin Carli Lloyd.
Olympia 2016 in Rio lockte, doch Celia Sasic hatte andere Pläne. „Ich freue mich jetzt auf eine ganze Menge neuer Dinge, die vor mir liegen: mein Studium beenden, mich beruflich orientieren, eine Familie gründen und vieles mehr", teilte sie damals mit. Und hat es, wie gesagt, bis heute nicht bereut. Im Juli 2016 kam Tochter Mila zur Welt. Zudem ist Sasic TV-Expertin bei Sport1. „Ich habe nun schon Erfahrungen auf der Funktionärsebene, auf der Verbandsseite und beim Fernsehen", sagt sie: „Es ist spannend mitzuerleben, aus wie vielen verschiedenen Komponenten der Fußball besteht."
Auf welche sie sich nachhaltig festlegen will, weiß sie noch nicht. „Trainerin zu werden, ist noch relativ weit weg. Ich schließe es nicht mehr aus, kann es mir aber auch noch nicht so richtig vorstellen", erklärt sie: „Durch meine Erfahrung im Funktionärswesen könnte ich mir schon irgendwann etwas im Management vorstellen." Eines ist aber klar: An der EM 2024 will und wird Sasic wahrscheinlich mitarbeiten. Schließlich hatte sie ja auch einen großen Anteil daran, dass sie überhaupt in Deutschland stattfindet.