Seit seinem Rücktritt von der Leichtathletik arbeitet Usain Bolt an seinem Traum vom Fußballprofi. Sein Talent ist begrenzt, sein Vermarktungswert dagegen immens.
Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo? Zu der Frage, wer der bessere Fußballer von beiden ist, hat auch Usain Bolt eine Meinung. Er hält zwar Messi für talentierter, sein Vorbild ist aber Ronaldo. Aber was heißt schon Vorbild!? In seiner zweiten Karriere als Fußballprofi will der Sprintkönig besser sein als die zwei Ausnahmekönner.
„Ich bin nicht so talentiert wie Messi. Er spielt Fußball, seit er klein ist. Cristiano hat hart gearbeitet, um der Beste zu sein. Das möchte ich für mich übernehmen", sagt der Jamaikaner. „Ich muss hart arbeiten, um der Beste zu sein. Darauf liegt mein Fokus."
Usain Bolt, der achtmalige Olympiasieger in der Leichtathletik, meint es ernst mit seiner Profilaufbahn als Fußballer. Es ist nicht nur eine Showeinlage wie bei seinem Trainingsauftritt bei Borussia Dortmund im März, weil der Sportler und der Club den gleichen Sponsor haben. Diesmal ist es anders. In Australien, bei den Central Coast Mariners, hat Bolt für mehrere Wochen unter Profibedingungen trainiert, Testspiele bestritten – und dabei sogar Tore erzielt. Und Millionen Menschen haben diesen höchst spektakulären Seitenwechsel interessiert verfolgt.
Kritik auch von Kollegen
Der Club war sehr zufrieden mit der Aufmerksamkeit, die er weltweit durch Bolt bekam. Zwar gibt es erhebliche Zweifel daran, dass Bolt für die erste australische Liga die fußballerische Klasse mitbringt, dennoch wollten ihn die Mariners gerne verpflichten. Der Coup scheiterte letzten Endes allerdings ausgerechnet an der Sache, von der Bolt mehr als genügend haben dürfte: am Geld. Australische Medien hatten berichtet, der Club habe dem 32-Jährigen einen mit umgerechnet 93.000 Euro Jahresgage dotierten Vertrag geboten. Bolt aber soll das Zwanzigfache von dem gefordert haben, also 1,84 Millionen Euro.
Der Verein wies die im Raum stehenden Zahlen als „falsch" zurück, ohne allerdings andere Summen zu nennen. Eines aber gab der A-League-Club bekannt: Bolt konnte ohne Einigung nicht mehr weiter mit dem Profiteam trainieren. Zu seinem eigenen Vorteil, findet der Club: „Die Central Coast Mariners wollen sicherstellen, dass Usain Bolt alle erdenklichen Chancen bekommt, um sich seinen Traum von einer Karriere als Fußballprofi zu erfüllen."
Als der australische Ligaverband FFA merkte, dass er das vermutlich größte Zugpferd seiner Geschichte schnell verlieren könnte, signalisierte er dem Club und Spieler seine Unterstützung bei dem Transfer. Wenn ein Spieler hinsichtlich seiner Bekanntheit oder Qualität von herausragender Bedeutung für die Liga ist, kann er in die Kategorie „Marquee Player" fallen, dann dürfte die FFA das Gehalt mittragen. Dennoch konnten sich die beiden Parteien nicht auf einen Vertrag verständigen.
Einen größeren Bekanntheitsgrad als Bolt hat kaum jemand auf der Welt, aber den hat er sich als Leichtathlet erworben. Andy Keogh vom Ligarivalen Perth Glory hätte es deshalb auch als „Schlag ins Gesicht aller Profis in der Liga" erachtet, wenn Bolt einen derart üppig dotierten Vertrag erhalten hätte. „Er hat sicher ein bisschen Potenzial gezeigt", sagte der Ire –
aber nur mit Schnelligkeit allein könne man auch in Australien kein Profi werden. „Er hat eine Ballannahme wie ein Trampolin. Er wird es nicht schaffen."
In der Tat zeigten die ersten Auftritte im Trikot der Mariners, dass der Jamaikaner nicht der größte Techniker auf Erden ist. Schnell ist der Weltrekordler noch immer – aber eben nur, wenn er geradeaus läuft. So unglaublich es klingt: Der schnellste Mann der Welt hat mit dem Tempo auf dem Platz Probleme. „Die größte Herausforderung für mich ist es, Fahrt aufzunehmen", sagt Bolt. „Dieses Stop and Go ist schwierig. Ich bin es nicht gewohnt, so schnell hintereinander anzuhalten, wieder loszulaufen und wieder anzuhalten."
Ab und zu aber sprintet er doch seinem Gegner davon, auch sein linker Fuß ist nicht der schlechteste. Bei seinem Startelf-Debüt im Test gegen den unterklassigen Verein Macarthur South West United traf Bolt einmal mit links und einmal aus dem Gewühl heraus. Natürlich feierte Bolt seine Treffer mit der berühmten Blitzjubel-Geste. „Dies wird als eines der denkwürdigsten Spiele des australischen Fußballs in die Geschichte eingehen", twitterten die Mariners nach dem Schlusspfiff voller Überschwang.
Trainer Mike Mulvey zeigte sich bei der Beurteilung von Bolts fußballerischen Qualitäten deutlich reservierter. „Was er macht, ist okay", sagte der Mariners-Coach, für den Bolts mitunter mitleidserregenden Aktionen auf dem Platz keine Überraschung sind: „Er muss Dinge machen, die er viele Jahre nicht gemacht hat."
Dinge, die er besser sein lassen sollte, findet Markus Babbel. Der frühere deutsche Nationalspieler trainiert in Australien den Erstligisten Western Sydney, er kann die Qualität in der Liga gut einschätzen. Und für Bolt „reicht es in 100 Jahren nicht" – so lautet Babbels unbequemes Urteil. „Ich habe ihn spielen sehen. Ehrlich gesagt, kann ich das nicht ernst nehmen." Als Spieler wäre er sich sogar „verarscht vorgekommen".
Ganz so schlecht sieht Vicente del Bosque den Umsteiger nicht. Allerdings würde ihn der spanische Weltmeister-Trainer nicht auf seiner Lieblingsposition im Sturm aufstellen, sondern als Außenverteidiger. „Mit den Zuschauern und der Grundlinie im Rücken wäre er am Nützlichsten", sagt del Bosque. „In einem Team, das stark auf Konter und schnelles Umschaltspiel im freien Raum setzt, würde er auf jeden Fall passen."
Malta war unter seiner Würde
Doch auch del Bosque gibt zu, dass er Bolts Chancen als sehr klein einstuft. „Mit 32 Jahren mit dem Profifußball zu beginnen, ist nicht normal", sagt er. Belächeln sollte man den Versuch aber nicht: „Er hat in seinem Leben eine Menge gewonnen, also ist es sein Recht zu sagen: Hey, ich möchte Fußballer werden."
Aber wo? Da es in Australien scheinbar nicht funktioniert – vielleicht in einer kleineren Liga? „Es gibt großes Interesse daran, dass Usain Fußball spielt", sagt Ricky Simms, Berater des 32-jährigen. Der maltesische Meister FC Valletta soll starkes Interesse gezeigt haben, als die finanziellen Probleme von Central Coast Mariners bekannt wurden. Aber Bolt sagte ab. Malta? Das schien unter seiner Würde zu sein.
Zu seinem Traumverein Manchester United wird es der einstige Sprintstar aber auf keinen Fall mehr schaffen. Doch seinen Traum von der Profikarriere wird er deswegen nicht so schnell begraben. Vorbilder gibt es nicht viele, aber manche haben tatsächlich den Seitenwechsel geschafft. Der fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasieger Eric Heiden zum Beispiel stieg auf das Rad um und nahm 1986 an der Tour de France teil. Der Österreicher Franz Klammer gewann im Ski alpin Goldmedaillen bei Olympia und Weltmeisterschaften, ehe er seinem Nervenkitzel im Motorsport nachging und drei Jahre in der DTM fuhr.
Vom Leichtathletik-Sprint wechseln viele Athleten in den Eiskanal, beim Bobfahren sind sie als schnelle und kräftige Anschieber sehr geschätzt. Einen Fußballprofi hat die Leichtathletik aber noch nie hervorgebracht. Und sollte es Bolt tatsächlich irgendwo schaffen, dann vor allem wegen des nicht zu unterschätzenden Marketingeffekts. Ein zweiter Cristiano Ronaldo wird er nicht mehr werden, auch wenn er noch so hart arbeitet.