Mit „FIFA 19" geht die erfolgreichste Fußball-Simulation in die nächste Runde. Die Neuauflage punktet vor allem mit neuen Lizenzen für Champions und Europa League, aber auch mit einigen spielerischen Neuerungen.
Die Kamera schwenkt an den Top-Stars des FC Liverpool vorbei, zeigt die Gesichter von James Milner, Mohamed Salah, Sadio Mané, Virgil van Dijk. Wandert weiter von Spieler zu Spieler, bis sie bei der Elf angekommen ist, die Bayern-Trainer Nico Kovac auf den Rasen schickt. Vorbei an Robert Lewandowski, Manuel Neuer, Mats Hummels, Joshua Kimmich. Im Hintergrund, im Anstoßkreis, schwenken die Balljungen die große Fahne mit den Sternen, die einen Ball formen. Aus den Lautsprechern dröhnt die Hymne der Uefa-Champions-League: „Ils sont les meilleurs, Sie sind die Besten, These are the Champions, Die Meister, Die Besten, Les grandes équipes, The champions". Es ist Samstag, 1. Juni 2019. Alles ist bereit fürs große Finale. Das Kommentatoren-Duo Wolff-Christoph Fuß und Frank Buschmann begrüßt die Zuschauer an den Bildschirmen. Die Spannung steigt, nur noch wenige Minuten bis zum Anstoß – Gänsehaut-Stimmung pur.
Spielatmosphäre wurde kräftig aufgewertet
Was klingt wie eine Fernsehübertragung ist in Wirklichkeit ein Computerspiel oder genauer: ein Konsolenspiel. Wir haben „FIFA 19" in der Version für die Xbox One getestet. Im neuesten Teil der Reihe hat sich Publisher Electronic Arts die Lizenzen für die Champions League und die Europa League gesichert, und dies wird grandios inszeniert. Auch die italienische Serie A konnte dieses Jahr vollständig lizenziert werden. Überhaupt sind alle europäischen Top-Ligen mit den entsprechenden Originalnamen, -vereinen und -wettbewerben vertreten. Vorbei die Zeiten, als man im Champions Cup statt der Champions League oder in Italien im Calcio A statt der Serie A antrat. Am Spiel selbst änderte das in den Vorgängerversionen freilich nichts, für die Spielatmosphäre macht es aber einen gewaltigen Unterschied, ob man am Ende der Pokalrunde beispielsweise den originalen DFB-Pokal in den Abendhimmel recken darf, oder einen Henkelpott, der eine allenfalls abstrakte Ähnlichkeit aufweist.
Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass wir die einzelnen Sequenzen – so schön sie auch animiert sind – nach einigen Spielen einfach weggedrückt haben, um möglichst schnell zum eigentlichen Spiel zu kommen.
Nicht nur atmosphärisch hat sich in „FIFA 19" einiges zum Vorgänger getan. Auch spielerisch gibt es Änderungen. Der Realismusgrad ist nicht nur abseits des eigentlichen Fußballspiels gestiegen, auch auf dem Platz hat „FIFA 19" einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Wenngleich Konkurrent „Pro Evolution Soccer" hier – wie schon seit vielen Jahren – noch immer die Nase vorne hat. Dank des umfangreichen Lizenzpakets werden die meisten Käufer aber wohl dennoch eher zu „FIFA 19" greifen.
Die Änderungen am eigentlichen Spiel fallen selbst treuen Fans der Reihe nicht sofort auf. Noch immer ist das Spielgeschehen wie bei den Vorgängern sehr flott. Doch je länger man spielt, umso mehr fällt auf, dass beispielsweise das Passen anspruchsvoller geworden ist. Vor allem Spieler mit eher durchschnittlichen Werten versemmeln durchaus einmal das ein oder andere Zuspiel. Sogenannte No-look-Pässe gelingen eher Spielern mit entsprechend hohen Passwerten.
Ähnliches gilt für die Ballannahme. Hier verspringt auch mal die ein oder andere Kugel. Andererseits gibt es einige neue Möglichkeiten, den Ball zu verarbeiten, und es sieht schon ziemlich genial aus, wenn unser Mittelstürmer seitlich in der Luft liegt und den Ball per Seitfallzieher in die Maschen donnert. Wenn er nicht vorher gestört wird, denn auch das Abwehrverhalten wurde überarbeitet. Es ist beispielsweise nicht mehr so leicht, Abwehrspieler wie Slalomstangen zu umkurven. Diese gehen wesentlich energischer in die Zweikämpfe und setzen häufiger ihren Körper ein, um den Gegenspieler fair zu tacklen.
Eine Neuerung gibt es auch beim Abschluss. Ein sich aufladender Balken gibt uns die Möglichkeit, dem Schuss zusätzlichen Bumms oder Präzision mitzugeben – vorausgesetzt, das Timing stimmt. Verpassen wir nämlich den richtigen Moment, vergeigen wir unter Umständen sogar eine eigentlich 100-prozentige Chance. Selbst erfahrene Spieler brauchen dafür etwas Übung. Wer gar nicht damit zurande kommt, kann das Feature abstellen.
Witzig sind auch neue Spielmodi, die einem Match unter Freunden eine besondere Würze verleihen, denn hier lassen sich die Spielregeln modifizieren. So lässt sich beispielsweise einstellen, dass nur Tore zählen, die per Volleyschuss erzielt werden. Oder dass nach jedem erzielten Tor ein Spieler vom Platz fliegt. Man kann aber auch gänzlich auf Regeln verzichten, sodass beispielsweise Fouls und Handspiele ohne Konsequenzen bleiben.
Fans der „FIFA"-Reihe dürfen sich auch darauf freuen, die interaktive Geschichte des fiktiven Fußballers Alex Hunter fortzusetzen. Erstmals tauchte die Geschichte in „FIFA 17" auf. Damals schlüpfte man in die Rolle des jungen Nachwuchsspielers, der versucht, sich die ersten Sporen im Profigeschäft zu verdienen. Eingebettet in eine stringent erzählte Geschichte konnte man die charakterliche Entwicklung des Spielers und seine Stärkewerte durch regelmäßiges Training, Spiele und auch durch die Beantwortung von Multiple-Choice-Fragen beeinflussen. In „FIFA 18" hatte Hunter mit Rückschlägen zu kämpfen. In „FIFA 19" hat er nicht nur den Sprung zu einem Top-Club geschafft, sondern muss sich auch mit den Schattenseiten des Ruhms herumschlagen. Zusätzlich kann man nun auch in die Rolle von Hunters bestem Freund Danny Williams oder in die von Hunters Halbschwester Kim schlüpfen und diese beiden Protagonisten auf ihrem jeweiligen Karriereweg ein Stück begleiten. Das heißt, auch das Thema Frauenfußball bekommt bei „FIFA 19" einen größeren Raum. Das Spiel empfiehlt, zu bestimmten Zeitpunkten zwischen den Charakteren hin und her zu wechseln. Beim Test empfanden wir das auf Dauer aber als eher störend, weil es so schwer fällt, sich mit einem der Protagonisten wirklich zu identifizieren. Wer möchte, kann die drei Handlungsstränge aber auch nach und nach durchspielen.
Karrieremodus bleibt unverändert
Herzstück der Serie ist und bleibt der „FIFA Ultimate Team Modus", kurz FUT. Nach dem Prinzip eines Sammelkartenspiels kann man sich hier ganz individuelle Mannschaften zusammenstellen. Kartenpakete kann man sich erspielen, aber auch gegen Echtgeld kaufen. Genau das ist der Hauptkritikpunkt an FUT, denn wer hier zusätzliches Geld in die Hand nimmt, erkauft sich Vorteile gegenüber all jenen, die sich Verbesserungen erspielen wollen. Klassisches pay-to-win eben. Dass man die Mannschaften via Internet in unterschiedlichen Wettbewerben gegeneinander antreten lässt, ist ein handfester Nachteil für all diejenigen, die kein zusätzliches Geld investieren wollen. Es sei denn, man beherrscht die schier unzählig möglichen Spezialbewegungen, mit denen sich solche Nachteile ausgleichen lassen. Gelegenheitsspieler haben hier jedoch kaum eine Chance.
Hinzu kommt, dass man nicht einmal weiß, welche Spieler man bekommt. Ich kann also nicht direkt einen Messi oder Ronaldo kaufen, sondern die Kartenpakete werden in drei Kategorien unterschieden und sind entsprechend unterschiedlich teuer. Welche Spieler der jeweiligen Kategorie letztlich im Paket stecken, bleibt aber unklar. Vor dem Kauf eines Karten-Sets erfahrt der Käufer lediglich, mit welcher Wahrscheinlichkeit er welche Spielerratings darin findet – ein Glücksspiel ohne Garantie also. Die Langzeitmotivation bleibt mit Sicherheit dennoch hoch, denn EA wird immer wieder neue Events und Herausforderungen dazu starten.
Etwas enttäuschend ist der dritte Spielmodus, der sogenannte Karrieremodus. Hier übernimmt man als (Spieler-)Trainer einen Verein und versucht, diesen zum Erfolg zu führen. Oder man schlüpft in die Rolle eines Spielers und versucht, sich innerhalb eines Teams durchzusetzen. Spielerische Änderungen zum Vorgänger sucht man hier allerdings vergeblich.
Fazit: Lohnt sich der Kauf von „FIFA 19", wenn man bereits eine oder gar beide Vorgängerversion der vergangenen Jahre auf der heimischen Festplatte hat? Wer auf atmosphärische Tiefe Wert legt, auf die neuesten Spieler im entsprechenden Verein und unbedingt die originalen Lizenzen fürs Spielvergnügen haben möchte, sollte in jedem Fall zu „FIFA 19" greifen. Gleiches gilt für alle Freunde des FUT-Modus. Auch wer die Vorgängerversion ausgelassen hat, sollte lieber zur 19er-Version greifen als zur preislich reduzierten 18er. Wer bereits „FIFA 17" und „FIFA 18" sein eigen nennt und allenfalls wissen möchte, wie „The Journey" von Alex Hunter weitergeht und nur hin und wieder ein wenig zockt, der darf natürlich auch zugreifen, sollte aber vielleicht warten, bis das Spiel zum reduzierten Preis angeboten wird.