Wie man beim Thema Migration den Rechtspopulisten das Wasser abgräbt
Es wäre schön, wenn es eine Weltregierung gäbe, die Frieden und Wohlstand für alle schaffen könnte. Allein: Es ist ein Traum. Trotzdem holen die Vereinten Nationen wieder einmal zum großen Wurf aus. Ein Einwanderungspapier, das den wenig bescheidenen Titel „Globaler Pakt für Migration" trägt, verlangt die Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Planeten. Und: Migranten sollen vollständig in die Gesellschaft integriert werden.
Das Abkommen soll am 10. und 11. Dezember im marokkanischen Marrakesch gebilligt werden. Obwohl es rechtlich nicht verbindlich ist und nur Empfehlungen enthält, geht ein Aufschrei der Empörung durch Europa. Ausgerechnet Österreich, das derzeit den Vorsitz im Rat der EU hat, läuft Sturm gegen die Übereinkunft. Bundeskanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP warnt vor einer Vermischung von legaler und illegaler Migration. Sein Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der rechtspopulistischen FPÖ befürchtet, dass aus dem UN-Pakt ein „Völkergewohnheitsrecht" entstehen könne. Parteifreund und Innenminister Herbert Kickl wettert gegen eine „naive Pro-Migrations-Tonalität".
Die AfD bläst ins gleiche Horn. Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, rügt: „Hier wird faktisch die illegale Migration legalisiert und Einwanderungswilligen aus aller Welt der Schlüssel in unser Sozialsystem in die Hand gelegt."
Für die Rechtspopulisten in Wien, Budapest oder Berlin ist die geplante Migrationsregelung der UN ein gefundenes Fressen. Sie werfen alles in einen Topf: Kriegsflüchtlinge, Asylbewerber, Menschen, die Ländern mit hoher Kriminalität oder Dürre entkommen wollen oder bessere Lebensbedingungen suchen.
Diese Pauschalverurteilung ist nicht fair. Das UN-Abkommen redet ausdrücklich nicht von Flüchtlingen. Doch AfD oder FPÖ geht es auch nicht um Differenzierung – sie wollen Stimmungen schüren und Wähler mobilisieren. Die Heftigkeit der Diskussion zeigt: Beim Thema Migration ist Europa mehr denn je zerrissen. Osteuropa, Österreich und Italien setzen auf maximale Grenzkontrolle und Abschottung, die Regierungen im Westen fordern solidarische Lösungen. Die Spaltung wurde bereits im September 2015 deutlich, als sich die EU nicht auf eine Verteilung von bis zu 160.000 Flüchtlingen einigen konnte. Auch der Brüsseler Gipfel vom Juni erwies sich bislang als Luftnummer. „Auffanglager" für Migranten in Europa gibt es ebenso wenig wie „Ausschiffungszentren" in Nordafrika.
Manche mögen dies bedauern: Aber dies ist nicht die Zeit der großen Visionen. Man muss sich in der Debatte vielmehr ehrlich machen. Die UN sind zum Scheitern verurteilt, wenn sie weltweit vergleichbare Lebensverhältnisse anstreben. Insofern ist das Migrationspapier ein wolkiges Unterfangen – der Wirbel darum viel Lärm um nichts.
Viel wichtiger ist die Erkenntnis, dass man bei der Zuwanderung streng unterscheiden muss. So steht Deutschland vor der Mammutaufgabe, diejenigen Flüchtlinge zu integrieren, die bereits im Land sind. Mit ein paar Sprachkursen oder Seminaren in Staatsbürgerkunde ist es nicht getan. Es gilt das Prinzip der Gegenseitigkeit: Deutschland gibt, Migranten haben aber auch eine Bringschuld, sich an Gebote und Werte des Grundgesetzes zu halten: Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung von Mann und Frau. Dieser Prozess wird lange dauern. Sollen die Bürger nicht überfordert werden, sind der Aufnahme künftiger Asylbewerber Grenzen gesetzt.
Dennoch braucht unser Land Fachkräfte aus aller Welt. Die Alterung der Gesellschaft nimmt zu. Die Unternehmen benötigen qualifiziertes Personal, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Die Sozialversicherung ist auf Beitragszahlungen angewiesen, um die Leistungen auch künftig garantieren zu können. Hierzu muss die Bundesregierung klare Kriterien für die Auswahl von Migranten entwickeln. Die Forderung nach einem Einwanderungsgesetz spukt zwar seit Jahren durch die Strategiezentren der Parteien. Doch de facto ist bislang wenig passiert, obwohl die Große Koalition kürzlich immerhin ein Eckpunkte-Papier vorgelegt hat.
Der Herausforderung der Migration lässt sich nur mit einem klaren Konzept und klarer Sprache begegnen. Das ist das beste Gegenmittel gegen Rechtspopulisten, die nur Ressentiments schüren wollen.