Die „Gaststätte Gemmel" in der Kappenstraße am St. Johanner Markt in Saarbrücken gehört zu den Traditionshäusern der Landeshauptstadt. Früher war sie berühmt für ihren Fisch und ihre Meeresfrüchte. Der neue Betreiber Abedin Hoti lässt diese Tradition wieder aufleben.
Heute bin ich unterwegs auf dem St. Johanner Markt in Saarbrücken. Es ist ein wunderschöner Herbsttag und noch ungewöhnlich warm für die Jahreszeit. Überall vor den Cafés und Bistros genießen die Menschen die angenehme Herbstsonne. Auch vor der „Gaststätte Gemmel" in der Kappengasse sind die meisten Tische besetzt. Gegenüber bei „Henrys Eismanufaktur" hat sich eine lange Schlange gebildet. Ein Eis geht immer. In einer großen Vitrine vor der „Gaststätte Gemmel" liegen Meeresfrüchte und Fische auf Eis. Sofort fällt mir eine schöne Dorade mit glasklaren Augen auf. Auch alles andere auf dem Tisch sieht sehr frisch und ansprechend aus – Muscheln, Garnelen, Krabben, Tintenfische, Kalmare. Und noch weitere Fische.
Für alle älteren Leser: Nein, dies ist kein Zeitsprung zum Anfang der 80er-Jahre. Damals, als Rainer Schmitt und sein Kumpel Hennes den Saarländern französische Bistrokultur näherbrachten und der Chow-Chow immer müde im Eingang lag. Nein, mein Besuch in der „Gaststätte Gemmel" ist erst einige Wochen her. Seit Mai weht hier ein frischer Wind. Ich treffe Achim Sprengart, der sich um Gastronomie-Immobilien kümmert und vielen schon die richtigen Räumlichkeiten vermittelt hat. Außerdem berät er auch viele.
Er erzählt: „Abedin Hoti, der jetzige Betreiber, hatte kurzfristig die Möglichkeit, hier zu übernehmen. Bei laufendem Betrieb. Am 1. Mai war das, mit komplett neuem Personal. Wir griffen die alte Idee von Rainer Schmitt auf, die Meeresfrüchte draußen vor dem Lokal zu präsentieren. Ich finde das gut, denn das Auge isst ja bekanntlich mit." Lust auf Meer ist hier das Prinzip.
Auch Fleischfans werden hier fündig
Abedin Hoti heißt uns willkommen, und wir trinken einen Aperitif zusammen. Was er aus der „Gaststätte Gemmel" machen will, möchte ich von ihm wissen. Hoti holt etwas weiter aus: „Ich bin im Jahr 2003 nach Deutschland gekommen und fing in Diefflen, im ,Ristorante Riccione‘, als Küchenhilfe an. Später war ich dort einige Jahre im Service tätig und lernte dort sehr viel: flambieren, tranchieren und filetieren am Tisch etwa." Weiter ging es dann ins „Stellwerk 13" in Eppelborn, erzählt er. Als Chef der Bar. Das machte er bis 2010. Danach ging es ins „Oro" am St. Johanner Markt. Dort war er bis zur Schließung Betriebsleiter und Barchef. Dann war es an der Zeit, etwas Eigenes aufzumachen. Etwas Kleines, Gemütliches.
„Wir machen hier weiterhin ein deutsch-französisches Bistro. Mein Konzept ist es aber, mehr mit Meeresfrüchten und Fisch zu arbeiten. Wir haben eine Fischvitrine draußen installiert, damit der Gast sich sein Essen aussuchen kann, das wir ihm dann zubereiten. Gegrillt, gegart oder im Ofen, ganz wie der Gast möchte. Dennoch gibt es natürlich auch Wiener Schnitzel oder Black Angus Steak."
Ich schlendere mit Abedin Hoti durch die Räume. Es hat sich nicht viel verändert. In dem kleineren Raum rechter Hand stehen weiterhin die Stehtische. Hier kann man den Aperitif einnehmen oder auch mal kurz auf ein Glas vorbeischauen. An der Stirnseite hat Hoti ein neues Weinregal, eine Whiskybar und einen Humidor für erlesene Zigarren installiert. Daneben hat er eine neue Garderobe gebaut.
Der eigentliche Gastraum hat den gleichen Charme wie eh und je. Der schwarz-weiße Fußboden, die großen Wandspiegel, der alte Kamin und einige Kunstwerke an der Wand versprühen eine heimelige Atmosphäre. Ganz früher war hier mal eine Pferdemetzgerei drin. Ich erfahre, dass die Künstlerin Lydia Kaminski für das Haus ein großes Bild gemalt hat, das an der Stirnseite hängt. Thematisch und von den Farben her ein Hingucker. Als Leihgabe, aber auch käuflich zu erwerben.
Noch ein Wort zu den Zigarren: Der Humidor ist bestückt von Nachbar Dalay, einem der besten Zigarrenhändler in Deutschland mit Sitz am St. Johanner Markt. Dazu gibt es noch Zigarren eines albanischen Schauspielers. Dieser heißt Bierim Destani. Er drehte schon mit John Travolta und Morgan Freeman. Seine Liebe gehört den Zigarren, er lässt sie in Costa Rica fertigen – in der kleinen Zigarrenmanufaktur Vegas Santiago. Verarbeitet wird in seiner Serie auch Tabak aus Peru, der Dominikanischen Republik und natürlich aus Costa Rica. Er hat seine Serie mit viel Herzblut gemacht und Fans in der ganzen Welt dafür gefunden.
Neues Konzept erinnert an beste Zeiten des Hauses
Doch zurück zum Essen: Bei diesen sommerlichen Temperaturen im Herbst will ich natürlich draußen sitzen. Das Mittagsgeschäft ist fast schon vorbei, es ist bereits kurz nach 14 Uhr. Hoti baut vor seinem Restaurant an einem langen Tisch eine dreistöckige Étagère mit Meeresfrüchten auf und lässt die von mir ausgesuchte Dorade zubereiten. Und noch einige weitere Fische. Außerdem stehen auf dem Tisch noch Spaghetti Vongole und ein Steak mit Pommes Frites. Immer wieder bleiben Passanten stehen und sind begeistert, was da alles an Köstlichkeiten auf unserem Tisch steht. Während der Koch sich in der Küche wieder an die Arbeit macht, bedient Abedin Hoti seine neuen Gäste.
Wir probieren uns durch die zahlreichen Teller. Es schmeckt alles wunderbar, die Fische und Meeresfrüchte bestechen durch ihre Frische. Die Soßen sind handgerührt, das Fleisch überzeugt durch Geschmack. Ich bin von den Kochkünsten des Küchenchefs wahrlich überzeugt. Er hat wirklich ein Händchen für allerlei Getier aus dem Meer. Aber auch die Fleischgerichte sind tipptopp und schmackhaft.
Nach einer halben Stunde kommt der Koch zurück und stellt sich vor: „Mein Name ist Florjan Rrapay. Ich koche seit 22 Jahren, und besonders gerne bereite ich Fisch und Meeresfrüchte zu." Das merkt man. „Gelernt habe ich in Italien", fährt er fort. „Genauer gesagt in Florenz. Dort habe ich 1994 eine Kochschule besucht und meinen Abschluss gemacht. Danach habe ich in einigen Restaurants in Florenz gearbeitet. Vor fünf Jahren schließlich kam ich nach Deutschland. War hier und da, und bin am Ende jetzt im Saarland geblieben."
Zu einem guten Essen gehört natürlich auch ein guter Wein. Die Weinkarte ist zwar klein, bietet aber zu jedem Gericht den richtigen Tropfen – ob ein Weißer aus der Bourgogne, ein Wein aus Italien oder etwas Regionales. Ein Chardonnay findet sich ebenso wie ein Riesling oder ein Sauvignon Blanc. Aber auch andere Tropfen, vor allem aus Südeuropa. Abedin Hoti betont, dass er noch weitere Ideen im Kopf habe. Als Gast sollte man einfach fragen, was er empfiehlt.
Die „Gaststätte Gemmel" hat wirklich eine lange Tradition. Viele Pächter betrieben es schon. Manchmal war es so lala, manchmal besser, aber selten so gut wie anfangs. Das neue Konzept allerdings gefällt mir wirklich sehr gut und erinnert an die besten Zeiten. Nach dem Essen saßen wir noch lange in der Sonne bei angenehmen Gesprächen zusammen. Das hat mir sehr gut gefallen. Ich kann dieses Gasthaus nur empfehlen.