Während die großen Events der Professional Darts Corporation (PDC) Zehntausende Zuschauer in die Hallen locken und ein Millionenpublikum vor dem Fernseher begeistern, findet die Bundesliga der Pfeilewerfer bislang weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Deutsche Dart-Verband will den Schwung jedoch mitnehmen und auch die nationale Liga künftig besser vermarkten. Das spielerische Niveau kann sich schon jetzt sehen lassen.
„One huuuundred aaaand eiiiiiighty!" Als die besten Dartspieler der Welt Anfang des Jahres im Rahmen der Premier League in Berlin Station machten, brachte die langgezogene Ansage von Kultsprecher Russ Bray das Publikum in der ausverkauften Mercedes-Benz Arena zum Toben. 12.000 Zuschauer waren dabei, viele von ihnen verkleidet – es war bis dahin die größte Besucherzahl, die seit dem Zweiten Weltkrieg weltweit beim Darts gezählt wurde. Die Stimmung war prächtig. Sogar eine Laola-Welle schwappte durch die Halle, was es selbst bei den als begeisterungsfähig beschriebenen Darts-Fans noch nicht allzu oft gegeben hatte.
Auch bei den Europameisterschaften in der Dortmunder Westfalenhalle war die Arena kürzlich wieder proppenvoll. Wenn Matthias Geier mit seinen Vikings DC Berlin in der Bundesliga antritt, sind dagegen meist noch nicht einmal 100 Gäste zugegen. Und da sind die Spieler der drei Mannschaften, die zu so einem Bundesligaspieltag zusammenkommen, schon mit eingerechnet. Die meisten sonstigen Besucher sind Freunde oder Vereinsmitglieder, dagegen lässt sich die Zahl der externen Gäste oft an einer Hand abzählen. Zwar bemühen sich die Vikings um mehr Öffentlichkeitsarbeit, sie haben Poster mit der Ankündigung der nächsten Heimspiele in diversen Dartkneipen aufgehängt. „Die Resonanz ist allerdings gering", sagt Geier. Sein Team ist deshalb kürzlich in eine kleinere Spielstätte umgezogen, wo die geringe Zuschauerzahl weniger stark auffällt.
Ähnliche Berichte hört man auch an den anderen Standorten der Darts-Bundesliga. Selbst beim Rekordmeister und amtierenden Champion DC Vegesack Bremen ist die Kulisse überschaubar. Sogar zur Endrunde, die im nächsten Jahr Ende Mai in Walldorf in der Nähe von Heidelberg ausgetragen wird, ist die Zuschauerzahl nur geringfügig höher – und auch nur deswegen, weil dort statt drei gleich acht Mannschaften an einem Ort zusammenkommen.
„Bislang hat sich leider nichts getan"
Aus Sicht von Matthias Geier ist der Deutsche Dart-Verband (DDV) an dieser Entwicklung nicht ganz schuldlos. „Die Unterstützung könnte besser sein. Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Bundesliga beim Verband nur so nebenher läuft", sagt er. Prämien gibt es im Unterschied zu den nationalen Ranglistenturnieren keine, stattdessen müssen die Vereine die Kosten von rund 3.000 Euro pro Saison aus eigener Tasche bezahlen. Als vor zwei Jahren die britische Firma Winmau, Hersteller von Dartscheiben und anderen Artikeln für den Dartsport, als Titelsponsor vorgestellt wurde, gab es kurzzeitig Hoffnung, dass sich an der unbefriedigenden Situation etwas ändern würde. „Bislang hat sich aber leider nichts getan", sagt Geier.
Zu den internationalen Turnieren der PDC (Professional Darts Corporation) gehen viele Zuschauer nicht unbedingt wegen des Sports hin, sondern wegen des Eventcharakters. „Diese Entwicklung hat der DDV ein bisschen verpasst", meint auch Uwe Schmitt vom Dartverein Kaiserslautern. Gleichzeitig nimmt er den Verband aber auch in Schutz: Während bei der PDC eine ganze Maschinerie an hauptamtlichen Mitarbeitern damit beschäftigt sei, die Sportart populärer zu machen, werde im deutschen Verband bislang im Prinzip komplett ehrenamtlich gearbeitet. „Das kann man gar nicht vergleichen", sagt der Lauterer Mannschaftsführer.
„Die Bundesliga ist momentan nur Insidern bekannt", muss auch Bundesspielleiter Adrian Seidl eingestehen. Fehlende Vermarktung ist dafür sicherlich ein Grund. Ein anderer: falsche Vorstellungen über die Qualität der höchsten deutschen Spielklasse. „Viele Leute denken ja, dass, bloß weil bei uns kein Rob Cross, kein Peter Wright und kein Michael van Gerwen antreten, das Niveau automatisch schlecht sein muss", erzählt Matthias Geier von den Vikings. Die genannten Spieler zählen auf der Profitour zu den Besten – Rob Cross etwa ist amtierender Weltmeister, van Gerwen Weltranglistenerster. Viele Fans hätten gar keine Ahnung, auf welchem Level auch in der Bundesliga gespielt wird. „Die meisten Spiele sind nach 15 Pfeilen beendet, das ist absolutes Topniveau", sagt Geier. In seinem Verein denkt man deshalb darüber nach, bei den kommenden Heimspielen einen Livestream mitlaufen zu lassen, quasi als Appetithappen, mit dem auch die letzten Zweifler überzeugt werden sollen.
Auch Uwe Schmitt aus Kaiserslautern betont das hohe Niveau in der Bundesliga. In den vergangenen Jahren sei es sogar noch weiter gestiegen: „Eine Mannschaft, die vor zehn Jahren noch um den Titel mitgespielt hätte, könnte in der aktuellen Liga wahrscheinlich gar nicht mehr mithalten." Seit der Saison 2003/04 gibt es die Bundesliga, in der die Clubs zunächst in Gruppen – Nord und Süd – aufgeteilt um Punkte kämpfen. In beiden Ligen treten jeweils neun Teams gegeneinander an, die ersten vier qualifizieren sich jeweils für die Endrunde. Amtierender Champion ist der DC Vegesack Bremen. Der Club war einst von Fußballern der SG Aumund Vegesack gegründet worden, die das Dartspielen zunächst rein als Hobby verstanden. Erst nach und nach nahm man die Sache ernster und ist mittlerweile mit sieben Titeln mit deutlichem Abstand Rekordmeister.
„Die Bundesliga ist nur Insidern bekannt"
Vegesack zählt auch in dieser Saison wieder zu den Favoriten. Im Norden sind ansonsten Berlin und Diedersen am stärksten einzuschätzen, im Süden Pokalsieger Kelheim und Kaiserslautern, das schon 2014 und 2017 den Titel holte. „Wir haben die Ambition, erneut ganz vorn mitzuspielen", sagt Uwe Schmitt. Mit Gabriel Clemens aus Saarlouis haben die Pfälzer sogar einen Profi im Kader – er hatte im Mai als erster deutscher Spieler das Finale eines Players Championship Events erreicht. Auch bei den Vikings DC Berlin steht mit Martin Schindler ein Profispieler im Aufgebot, der als Sieger der Super League Darts Germany 2018 schon jetzt sein Ticket für die Weltmeisterschaften im Dezember sicher hat. Am 25. November steht der 22-Jährige zudem im Finale der Junioren-Weltmeisterschaft. Im Duell mit Titelverteidiger Dimitri Van den Bergh hat Schindler die große Chance, als zweiter Deutscher den Titel des Junioren-Weltmeisters zu gewinnen.
Bei den Vikings ist er allerdings nur sporadisch am Start: Aufgrund zahlreicher Überschneidungen zwischen den Bundesliga-Spieltagen und den Turnieren bei den Profis sowie zwischen Steeldart und der elektronischen Variante ist es den besten Spielern nicht immer möglich, ihre Mannschaft zu unterstützen. „Es ist jedes Mal eher eine Zugabe, wenn er dabei sein kann", sagt Teamkapitän Matthias Geier. Trotzdem ist man in Berlin sehr stolz darauf, dass Schindler seine Wurzeln nicht vergessen hat.
„Wir haben gute Leute am Start", meint auch Bundesspielleiter Adrian Seidl. Und offenbar hat auch der Verband inzwischen das Potenzial der Bundesliga erkannt. „Zurzeit läuft so viel Darts im Fernsehen, da macht es Sinn, auf den Zug aufzuspringen und die Liga noch besser bekannt zu machen", sagt Seidl. Das Präsidium um den neuen DDV-Präsidenten Michael Sandner habe sich fest vorgenommen, die Sportart auch hierzulande noch stärker zu vermarkten – und die Liga spielt in diesen Überlegungen offenbar eine zentrale Rolle. „Wir wollen noch in diesem Jahr einige Änderungen auf den Weg bringen", deutet Adrian Seidl an – so sollen die Resultate in der Liga künftig bei der Besetzung der Nationalmannschaft stärker berücksichtigt werden. In den nächsten ein, zwei Jahren werde sich einiges tun, sagt Seidl. Die Weichen sind dafür bereits gestellt: Erstmals seit Gründung des DDV gibt es zudem mit Axel Krauss einen hauptamtlichen Bundestrainer und mit dem früheren Fußballtorwart Jürgen Rollmann neuerdings auch einen Sportdirektor, der seine Fähigkeiten in der Vergangenheit als Koordinator der Bundesregierung für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 bereits unter Beweis gestellt hat. Seine Verpflichtung soll sich auch für die Bundesliga als Volltreffer erweisen. Oder wie es Russ Bray ausdrücken würde: „One huuuundred aaaand eiiiiiighty!"