Seifen küsst man nicht – Patrick Gansen tut es dennoch: Seine Mara Kosmetik entwickelt sich in der sonst dünnen Brandenburger Start-up-Szene prächtig. Die kleine Firma aus Bernau stellt Naturseifen ohne chemische Zusätze her – und trifft damit offenbar genau den Nerv der Zeit.
Passion für das eigene Produkt ist eine der wichtigsten Eigenschaften, wenn man es als Unternehmer zu etwas bringen will. Bei Patrick Gansen, Geschäftsführer des Start-up-Unternehmens Mara Kosmetik aus Bernau, muss man sich diesbezüglich wohl keine Gedanken machen: Schließlich busselt der 35-Jährige seine Seife womöglich öfter als seine Freundin. Denn mit dem sogenannten Kusstest überprüft Gansen während der Produktion regelmäßig, ob der Verseifungsprozess bereits abgeschlossen ist. „Wenn es an der Zungenspitze kribbelt, ist die Seife noch zu sauer", erklärt er. Mit einem Gerücht will er jedoch gleich aufräumen: „Ich küsse jetzt auch nicht jede Seife, sondern immer nur eine pro Charge."
Man merkt trotzdem jedem einzelnen Stück an, mit wie viel Leidenschaft es hergestellt wurde. „Mein Anspruch sind hautfreundliche, umweltverträgliche Seifen ohne chemische Zusätze, die pflegen", sagt Patrick Gansen. Als er 2017 anfing, konnte er gerade einmal 32 Stück Seife am Tag produzieren. Mittlerweile sind es täglich bis zu 25.000 Seifen, wohlgemerkt immer noch komplett in Handarbeit. Allein diese Zahlen verdeutlichen die rasante Entwicklung, die das Brandenburger Start-up in kürzester Zeit genommen hat.
Duft nach Rose, Minze, Schokolade
Die Geschichte der Firma begann dort, wo schon so viele gute Ideen ihren Anfang genommen haben: in der Kneipe. Nachdem Patrick Gansen und seine Freundin Eileen Moreitz, 30, beschlossen hatten, sich mit natürlichen Pflegeprodukten selbstständig zu machen, fehlte nur noch ein Name für das junge Unternehmen. Ein Kumpel schlug „Mara" vor – den Namen hatte er auf einem Potsdamer Spielplatz aufgeschnappt, wo eine Mutter ihre Tochter so gerufen hatte. Zuerst sollte die Firma Barnimer Seifenmanufaktur heißen, doch Gansen ist im Nachhinein ganz froh, dass sie wieder davon abgekommen sind. Der Chef von Mara Kosmetik meint heute im Rückblick: „Der alte Name war viel zu klein gedacht. Damit hätten wir den jetzigen Schritt ganz sicher nicht geschafft."
Gemeint ist die Zusammenarbeit mit großen Handelsketten wie Edeka, Famila oder Globus, wo die Seifen aus der Berliner Vorstadt inzwischen bundesweit erhältlich sind – ebenso natürlich im Direktvertrieb über den eigenen Webshop. „Die Nachfrage nach Naturkosmetik ist zuletzt stark gestiegen. Es ist momentan sogar der am stärksten wachsende Sektor innerhalb der Bio-Branche", sagt Patrick Gansen. Die Verbraucher seien gewillt, wieder mehr Geld für Pflege auszugeben, was auch das große Interesse auf Seiten des Handels erklärt. Nachdem immer mehr Menschen bei ihrer Ernährung darauf achten, ihrem Körper etwas Gutes zu tun, setzt offenbar auch im Bereich der Körperpflege ein Umdenken ein. Das war allerdings nicht immer so. Als seine Freundin vor zwei Jahren eine Badekugel mit nach Hause brachte und Gansen sie genauer untersuchte, war er fast schon erschrocken, was für Inhaltsstoffe er darin vorfand.
„Viele Stoffe, die als krebserregend in der Nahrung gelten, nehmen wir über die Haut und die Schleimhäute durch ein Bad ganz bedenkenlos auf", sagt er. Mara Kosmetik verzichtet in den Produkten dagegen auf Mineral- und Palmöle, Parabene und andere Konservierungsstoffe sowie auf Alkohol. „Wir glauben an die Kraft der Natur", sagt Gansen. Sämtliche Pflanzenöle und Pflanzenextrakte sind vegan und stammen zudem aus kontrolliert biologischem Anbau. Die Seife wird nach alter Seifensiedertradition im schonenden Kaltsiedeverfahren hergestellt und muss anschließend vier Wochen trocknen. Dadurch, dass sie anders als bei der industriellen Produktion nicht erhitzt wird, dauert die Herstellung zwar länger. Doch dafür bleiben wertvolle pflegende Inhaltsstoffe der kaltgepressten Öle und Pflanzenextrakte sowie das natürliche Glyzerin weitgehend erhalten.
Eine Seife, die zugleich eincremt
Die Seifen von Mara Kosmetik eignen sich für die verschiedensten Hauttypen. Sie sind allergenfrei und insbesondere die Badetrüffel wegen ihres hohen Kakaobutteranteils zudem feuchtigkeitsspendend. „Unsere Seife ist überfettet", sagt Patrick Gansen und erklärt: „Sie enthält acht Prozent mehr Öl, als die Lauge verseifen kann, was dann als Fett erhalten bleibt. Das ist insofern interessant, als dass die Lauge ja alkalisch ist und das Fett auf unserer Haut abträgt. Mit unserer Seife spart man sich nach dem Waschen trotzdem das Eincremen." Einige Kunden hätten zudem berichtet, dass sie auch bei Neurodermitis helfen würde. Werben darf die Firma damit allerdings nicht: Laut Heilmittelwerbegesetz ist gesundheitsbezogene Werbung für kosmetische Produkte in Deutschland verboten.
Es gibt die Bernauer Naturseife schon jetzt mit ganz verschiedenen Düften: Rosen- und Ringelblumenblüten, Zitronengras, Lavendel, Minze, Kokos und sogar Schokolade. Patrick Gansens neueste Erfindung ist eine Gesichtsseife mit Aktivkohle, wie sie beispielsweise auch für Kohletabletten verwendet wird. „Keine Sorge: Man wird davon nicht schwarz im Gesicht, wenn man sich damit wäscht", sagt er. Stattdessen habe die Kohle die Eigenschaft, Schmutzmoleküle zu binden und abzutransportieren, was die Wirkung der Seife noch verstärkt. Das Ergebnis: porentiefe Reinigung.
Mittlerweile hat Mara Kosmetik sieben Mitarbeiter und bekam dieses Jahr den Existenzgründerpreis Barnim-Uckermark. Das Unternehmen ist längst ein Aushängeschild in der sonst eher überschaubaren Brandenburger Start-up-Szene. Die Mark ist laut Start-up-Monitor 2018 des Bundesverbandes Deutsche Start-ups Schlusslicht bei den Gründungen. Demnach hatten von rund 1.500 untersuchten Start-ups in Deutschland gerade einmal ein Prozent ihren Sitz in Brandenburg – genauso viele wie im deutlich kleineren Saarland.
Brandenburg bietet Platz zur Entfaltung
Patrick Gansen hat seine Firma trotzdem ganz bewusst in Brandenburg gegründet und nicht im nahe gelegenen Berlin, der selbsternannten Hauptstadt der Start-ups. Das wichtigste Argument: die Miete – in Berlin könnte er sich eine Produktionshalle, wie er sie kürzlich gekauft hat, gar nicht leisten. „Hier in Bernau kann ich mich frei entfalten", sagt er. Dabei verschweigt der 35-Jährige nicht, dass es zu Anfang auch schwierige Zeiten gab. An einem Punkt musste Gansen sein geliebtes Boot verkaufen, um weiter die Gehälter zahlen zu können. „In dieser Situation hätte ich mir gewünscht, dass mich jemand an die Hand nimmt und mir genau erklärt, worauf es bei der Gründung eines solchen Unternehmens ankommt", sagt er. Eine vernünftige Beratung habe jedoch nicht stattgefunden. Als weiteres branchenspezifisches Problem kam hinzu, dass die zur Seifenproduktion notwendigen Maschinen hierzulande nur schwer zu bekommen sind. „Wir haben deshalb vieles selbst bauen müssen", sagt Patrick Gansen. Etliche Teile seiner Einrichtung hat er auf Versteigerungen erstanden, vieles gebraucht gekauft. Seine Rohstoffe besorgt er sich statt in der Gärtnerei oder beim Blütenhändler meist lieber beim Teehändler: Dort ist es günstiger, wenn es sich im Grunde um das gleiche Produkt handelt. „Als Start-up muss man auch in dieser Hinsicht innovativ denken", sagt er und schnuppert an einem Päckchen Rosenblütenblätter.